EU-Ausbildung ukrainischer Soldaten: Eine neue Stufe der Unterstützung

Ukrainische Spezialkräfte. Archivbild (2016): Ukrainisches Verteidigungsministerium/CC BY 4.0

Ukraine-Krieg: Was früher als tabu galt, ist jetzt Konsens-Politik. Ob die Ausbildungsmission die EU zur Konfliktpartei macht, ist eine offene Frage.

Die EU-Ausbildungsmission für ukrainische Soldaten, wie dieser Tage beschlossen, ist ein Novum. Damit erreicht die militärische Unterstützung der EU für die Ukraine eine neue Stufe.

Insgesamt sollen 15.000 ukrainische Militärs auf europäischem Boden ausgebildet werden. Als Laufzeit für Eumam (EU Military Assistance Mission Ukraine) werden zunächst 24 Monate veranschlagt. Deutschland übernehme bei der Ausbildungsmission eine "koordinierende Rolle", wie das Bundesverteidigungsministerium gestern offiziell mitteilte.

Genaue Angaben darüber, wie viele ukrainische Soldaten hierzulande ausgebildet werden, werden dort nicht gemacht, Medien berichten von 5.000. Vorgestellt wird aber das Spektrum der deutschen Ausbildungsangebote. Es gehe bei der europäischen Mission darum, "sowohl geschlossene ukrainische Verbände als auch Spezialisten auszubilden".

So wird Unterstützung bei der "militärstrategischen Planung" angeboten sowie "Gefechtsstandausbildung und/oder Gefechtsstandübungen durch Computersimulationen für eine Brigade, den Brigadestab und die Bataillonsstäbe" und die "Gefechtsausbildung bis Kompanieebene".

Die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland ist an sich nichts Neues, auch nicht, dass sie, wie in der Mitteilung des BMVg erwähnt wird, dass sie wie im Fall des Flugabwehrsystem IRIS-T SLM beim Hersteller selbst erfolgt. Diese Art der Ausbildung habe sich bewährt, so das Verteidigungsministerium.

Dies betrifft insbesondere die Ausbildung des Kraftfahr-, Instandsetzungs- und Waffenbedienpersonals an Waffensystemen wie beispielsweise der Panzerhaubitze 2000, dem Mehrfachraketenwerfer MARS II oder dem Allschutz-Transportfahrzeug Dingo.

Gleiches gilt für die Ausbildung durch die Industrie wie etwa am Flugabwehrsystem IRIS-T SLM Infra Red Imaging System Tail Surface Launched Medium Range (Infra Red Imaging System Tail Surface Launched Medium Range) oder am Flugabwehrkanonenpanzer Gepard und die geplante Ausbildung am Brückenlegepanzer Biber.

BMVg

Die Europäische Gemeinschaft ist offensichtlich zur Auffassung gelangt, dass das bisherige Ausbildungsangebot nicht reicht und besser koordiniert werden muss.

Die ukrainischen Streitkräfte würden sich derzeit in der "vierten Mobilisierungswelle" befinden, weswegen mittlerweile auch Männer über 45 Jahren verpflichtet würden. "Der Ukraine fehlen gut ausgebildete Soldaten", steuert Die Welt als Erklärung bei.

Keine Zweifel bei Borrell

Einer der Initiatoren der EU-Ausbildungsmission war, wie die Zeitung erwähnt, Josep Borrell, der die Idee im August ins Gespräch brachte. Der "mächtigste EU-Diplomat" (Berliner Zeitung) ist ein Überzeugter im Kampf gegen Barbarei und Dschungel (Einf. d. A.: Später entschuldigte er sich für seine Bemerkung).

Für ihn besteht kein Zweifel: "Moralisch, politisch und sogar militärisch ist Russland dabei, diesen Krieg zu verlieren. Wir müssen die Ukraine daher weiterhin unterstützen", wie Borrell vor zwei Tagen zum Projekt der Ausbildungsmission erklärte. Das kann man auch als Falkenflug über schwieriges, unebenes Gelände sehen.

Politik und Grauzone

Neu an der Eumam sei nämlich, "dass die EU nun auch für den Krieg ausbildet. Das war früher tabu, gilt nun aber als selbstverständlich", so die Sicht vom Brüsseler Korrespondenten Eric Bonse. Er verweist darauf, dass damit die bange Frage, ob die EU zur Konfliktpartei im Ukraine-Krieg wird, neu auf den Tisch kommt.

Es gebe ein gewisses Risiko, heißt es auch im erwähnten Bericht Welt, die sich in ihrer Berichterstattung engagiert für die militärische Unterstützung der Ukraine einsetzt. Die Frage bleibe offen, heißt es dort. Das Rechtsgutachten der Wissenschaftlichen Dienste gebe da keine eindeutige Antwort.

Dort heißt es in einem Passus auf Seite 6:

Bei Unterstützungsleistungen auf der Grundlage von non-belligerency bleibt der Umfang von Waffenlieferungen, aber auch die Frage, ob es sich dabei um "offensive" oder "defensive" Waffen handelt, rechtlich unerheblich. Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.

Gutachten Wissenschaftliche Dienste, März 2022

Die Einschätzung referiert auf ein NZZ-Interview des Bochumer Völkerrechtlers Pierre Thielbörger, das dieser am 13. Februar gegeben hat, vor Beginn des Krieges, wie das Militär-Blog "Augen geradeaus!" im Mai herausstellte.

Seither ist die Grauzone außerhalb des "gesicherten Bereichs der Nichtkriegsführung" von Juristen nicht eindeutig genug bestimmt worden. Fragezeichen bleiben, die Politik handelt nach Maßgaben, die in der Nato verhandelt werden. Schaut man sich exemplarisch die aktuelle Diskussion dazu auf "Augen geradeaus!" an, so laufen viele Meinungen darauf hinaus, dass die Erklärung, wer Kriegspartei ist, von Putins Einschätzung abhängt wie auch die Eskalationsdominanz.

Offen ist auch noch eine andere Frage: Wie die EU die Ausbildung finanzieren wird. Nach Angaben von Eric Bonse soll die Mission 106,7 Millionen Euro kosten.

Das ist keine große Summe, aber angesichts der sonstigen Unterstützungen für die Ukraine für Waffenlieferungen ist nun die Rede davon, den EU-Fonds "Europäische Friedensfazilität" zu erweitern, trotz Klagen über begrenzte Mittel (Waffenlieferungen an die Ukraine: EU gehen die Gelder aus).