EU-Mercosur Deal: Von der Leyens Überraschungscoup spaltet Europa

Fahnen von Mercosur und EU

Bild: Beto Gomez/ Shutterstock.com

EU-Kommissionschefin überrascht mit Handelsdeal. Abkommen soll die größte Freihandelszone der Welt schaffen. Doch mehrere EU-Länder drohen mit Blockade.

Die Ankündigung der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, zum Mercosur-Gipfel nach Uruguay zu fliegen und dort ein Abkommen zu unterzeichnen, das seit mehr als einem Jahrzehnt in der Schublade lag, war eine Überraschung. Wirtschaftsnahe Kommentatoren, etwa im Deutschlandfunk und in der FAZ, sind voll des Lobes für die Unterzeichnung: Der Deutschlandfunk spricht von der "größten Freihandelszone der Welt".

Kampf um globale Märkte

Zudem sei die Unterzeichnung des Abkommens ein Signal gegen den Protektionismus, der mit Trump in den USA weltweit wieder auf dem Vormarsch zu sein scheint. Das Abkommen mache vielmehr deutlich, dass das Prinzip der freien Märkte weiterhin Verfechter habe, so der Deutschlandfunk-Kommentator.

Dieser Lesart schloss sich auch Taz-Kommentator Hannes Koch an, der davon sprach, dass in "unsicheren Zeiten" die Vorteile überwiegen.

Nun ist es sicher kein Zufall, dass von der Leyen das Abkommen wenige Wochen vor Trumps Amtsantritt unterzeichnet. Es geht um den globalen Kampf verschiedener Kapitalblöcke, in dem die EU nicht die besten Ausgangspositionen hat. Gerade auf dem lateinamerikanischen Markt hat der chinesische Block längst bessere Bedingungen.

Offene Märkte für wen?

Zudem ist das Abkommen mit der Unterzeichnung noch lange nicht in Kraft getreten. Denn es gibt Gründe, warum das Abkommen so viele Jahre nicht unterzeichnet wurde. Die Kritik kam von ganz unterschiedlichen Seiten und ist auch nach der Unterzeichnung nicht gegenstandslos geworden.

Dazu gehören die Bedenken von entwicklungs- und klimapolitischen Initiativen und Nichtregierungsorganisationen. Dazu gehört Greenpeace, das erst vor wenigen Monaten ein Gutachten veröffentlichte, in dem es den Vertrag sogar für rechtswidrig erklärte, weil er gegen das Klimarecht verstoße.

Doch diese Kritik wird die Umsetzung des Abkommens wohl ebenso wenig verhindern wie eine Studie der Nichtregierungsorganisation Brot für die Welt, die im Sommer 2023 eine Neuverhandlung der Verträge fordert, weil sie die lateinamerikanischen Länder benachteiligen.

Solange solche Studien nicht von Organisationen unterstützt werden, die tatsächlich Druck ausüben können, bleibt ihre Wirkung begrenzt. Zumal es solche Kritik am Abkommen in den letzten Jahren immer wieder gegeben hat. Und sie waren sogar sehr viel deutlicher. Sie waren dann immer an die jeweiligen politischen Verhältnisse in den verschiedenen lateinamerikanischen Ländern angepasst.

So war der Widerstand gegen das Abkommen besonders groß, als die brasilianische Rechtsregierung unter Bolsonaro an der Macht war. Die Kritik reichte von der Nichteinhaltung von Umweltstandards bis hin zur Verletzung der Menschenrechte der indigenen Bevölkerung.

Der sozialdemokratischen Regierung von Präsident Inácio Lula da Silva wird hingegen bescheinigt, sich zumindest um Verbesserungen zu bemühen, auch wenn die Brände im Regenwald nicht weniger geworden sind, nur nicht mehr im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen.

Streit in der EU spitzt sich zu

Wenn die Umsetzung des Abkommens noch scheitern sollte, dann am Streit innerhalb der EU. Die ist nämlich gar nicht so einig, wie immer suggeriert wird. Das liegt an den unterschiedlichen Interessen.

In der EU profitiert die exportorientierte Industrie, die in Deutschland besonders stark vertreten ist, vom Freihandel. Vor allem die Regierungen von Ländern, in denen die Landwirtschaft noch eine größere Rolle spielt, wie Frankreich und Polen, sind strikt gegen das Abkommen.

Auch die italienische Regierung hat starke Vorbehalte geäußert, ist aber offen für weitere Änderungen des Abkommens. Ob dies nach der Unterzeichnung noch möglich sein wird, erscheint fraglich. Damit ist die Umsetzung des Abkommens noch lange nicht gesichert. Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen die Regierungen der einzelnen Länder zustimmen, wofür eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, d.h. 15 Länder, die 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssen zustimmen. Frankreich, Polen, Italien und einige kleinere Länder können verhindern, dass diese Mehrheit zustande kommt.

Es stellt sich natürlich die Frage, warum von der Leyen auf einer solch unsicheren Grundlage den Vertrag gerade jetzt unterzeichnet hat.

Der Verdacht liegt nahe, dass die insgesamt glücklose EU-Kommission wenigstens einen internationalen Erfolg für sich verbuchen kann, auch wenn sich herausstellen sollte, dass er den Streit in der EU verschärft. Auch in Deutschland dürfte er den zuletzt abgeflauten Bauernprotesten neue Nahrung geben. Viele Bauernverbände lehnen den Vertrag ab.

Intransparente EU-Politik

Zumal die Art und Weise, wie von der Leyen ohne große öffentliche Debatte ankündigte, nach Uruguay zu fliegen und den Vertrag zu unterzeichnen, die vielen Kritiker der EU einmal mehr bestätigt.

Entscheidungen werden ohne öffentliche Debatte im engsten Kreis getroffen. Selbst die EU-Abgeordneten wurden von der Reise überrascht. So wirkt das ganze Prozedere wie eine Bestätigung der Kritik am Demokratiedefizit der EU.

Gerade nach den letzten Wahlen zum EU-Parlament, bei denen rechte Parteien in vielen Ländern Erfolge verbuchen konnten, wurde die Intransparenz der EU-Politik kritisch diskutiert. Geändert hat sich bisher wenig.