EXPO: In 100 Tagen geht es los

Technikfeindlichkeit - Verkehr - EXPO macht Schule - Aktuelles Interview zu den EXPO-Projekten - Hundertwasser

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Mit dem 22. Februar wird die magische 100-Tage-Grenze erreicht und die Vorbereitungen für die Weltausstellung werden den Schlussspurt aufnehmen. Viele der bislang 80.000 Postbox-Besucher stellen allerdings angesichts der Großbaustelle die bange Frage, ob denn bis zur Eröffnung der Weltausstellung in Hannover am 1. Juni wirklich alles noch fertig gestellt wird?

Mensch - Natur - Technik, das Leitmotiv der EXPO 2000 scheint aber auch nur auf dem Gelände zu gelten. Denn während im Sonderbaugebiet EXPO fast alles gebaut werden kann, formiert sich in Ronnenberg-Empelde, einem Vorort von Hannover, ein Widerstand gegen ein Riesenwindrad. Im Bereich der Kalihalde ist eine 130 Meter hohe Windkraftanlage geplant, wogegen mit einem Gutachten über Lärm- und Lichtreflexionsemission Einspruch eingelegt wurde. Zudem wurde die Auswirkung auf das Landschaftsbild geprüft.

Allgemein bekannt ist, dass die Rotorblätter bei starkem Wind störende Geräusche verursachen können. Außerdem kann der Schattenwurf der Rotorblätter psychosomatische Beschwerden auslösen. Vergleichbar ist dieser Effekt mit den Lichtblitzen in der Diskothek, deshalb wird vom Disko-Effekt gesprochen. Vereinzelt wurden solche Anlagen mit einer Abschaltungsautomatik ausgestattet, so dass keine fortwährende Beeinträchtigung entsteht. In einem aktuellen Fall aus Ostfriesland wurden den Anwohnern wegen Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität sogar 10.000 DM von geforderten 30.000 DM Schadensersatz zugesprochen. Auf dem EXPO-Gelände würde eine derartige Anlage wahrscheinlich schnell genehmigt und innerhalb kürzester Zeit aufgestellt werden können.

Baustellen

Wie bereits berichtet, sind es inzwischen nicht mehr die reinen EXPO-Baumaßnahmen zur strukturellen Umgestaltung der Stadt, die eine Beeinträchtigung des Verkehrs verursachen. Im beschaulichen Kurort Bad Nenndorf haben nun wirklich die Bauarbeiten am Gasnetz der Stadt begonnen. Täglich wandert die Baustelle weiter und hinterlässt neben Dreck aus dem Erdaushub auch noch notdürftig geflickte schlaglochartige breite Rillen in den Straßen. Zwar will man die Wesertal-Arbeiten während der Weltausstellung ruhen lassen, aber die Straßen können dann als Stoßdämpfer-Teststrecke genutzt werden. Ob das den erwünschten Werbeeffekt für die EXPO-Übernachtungsgäste hervorruft? In Hannover dagegen hat sich in den letzten Monaten viel getan und viele renovierte Straßen und neue Ampelanlagen sollen den Verkehr zügiger voranbringen. Doch es gibt auch traurige Wahrheiten in diesem schönen Schein, so gibt es Schlaglochstraßen, an denen offenbar bewusst nichts unternommen werden soll. Dazu gehört die Wunstorfer Straße in Hannover-Limmer, hier war sogar glatt die Sperrung der Straße im Gespräch. Wahrscheinlich meint man im Straßenbauamt, dass sich ein EXPO-Besucher hierhin wohl kaum verirrt.

Verkehr

Nun gibt es erfreuliches zu berichten, denn am 19. Februar wurde die neue Üstra-Endhaltestelle am EXPO-Gelände OST eingeweiht und als wichtiges Ereignis mit einem Tag der Offenen Tür gebührend gefeiert. Von diesem Angebot machten 30.000 Besucher Gebrauch und hatten damit für die Veranstalter eine Überraschung parat, denn diese hatten nur mit 10.000 Interessierten gerechnet. So wurde diese eigentlich festliche Veranstaltung zu einem Vorgeschmack-Ereignis mit Beigeschmack. Als weitere Generalprobe gilt der Messeverkehr während der diesjährigen CeBIT 2000 vom 24. Februar bis 1. März. Hier sollen sich die vielen Maßnahmen zur Verkehrssteuerung und das neue Parkplatzmanagement beweisen.

Einigung bei den Heizkosten in der Kronsbergsiedlung

Da haben die Bewohner der Kronsbergsiedlung am EXPO-Gelände noch einmal Glück gehabt. Anscheinend gab es wohl doch mangelhaft eingestellte Heizungen und Lüftungssysteme. So sollten Nachzahlungen bis 1.400 Mark geleistet werden und die Stadtwerke weigerten sich anfangs beharrlich, die Proteste der Anwohner anzuerkennen. Jetzt soll es Nachlässe bis zu 30 Prozent geben. Dennoch erscheinen die Heizkosten immer noch zu hoch, wo man doch auf ein völlig neues Konzept mit Niedrigenergiehäusern baute. Unklar bleibt, ob die Siedlung immer noch als Experiment mit Startschwierigkeiten einzustufen bleibt. Es sieht eher nach einem Dauerzustand aus.

EXPO macht Schule

Der vollständig aus recyceltem Papier bestehende japanische Pavillon

Die EXPO zeigt sich in ihrer Außendarstellung betont jugendlich, wenngleich man am Tag der Offnen Tür beobachten konnte, dass auch viele ältere Hannoveraner Interesse an der Weltausstellung haben. Für die Schulen und Lehrer wurde inzwischen ein umfangreiches Informationsprogramm ausgearbeitet. Dieses Programm mit dem Projektnamen "EXPO ... macht Schule" umfasst Unterrichtsblätter für Lehrer und gibt Hilfestellungen für Klassenfahrten.

Das Expo-Team hat in Zusammenarbeit mit Autoren des Schroedel-Verlages, dem Expo-Ausrüster für Lehr- und Lernmittel, insgesamt über 300 Arbeitsblätter zu 28 Unter- und 9 Oberthemen erstellt. Die Unterrichtsmaterialien eignen sich bundesweit für alle Schulformen (ab 5. Klasse). Die Themen orientieren sich dabei an den jeweiligen Lehrplänen; Themenbausteine sind beispielsweise "Wasser" oder "Arbeitswelt der Zukunft". Zu jedem Baustein wird erklärt, wo sich das Thema vor Ort auf der EXPO 2000 wieder findet. So können die Schüler gezielt auf den Besuch der Weltausstellung in Hannover vorbereitet werden. Die Arbeitsmaterialien gibt es auf CD-ROM oder im Internet unter www.expo2000.de/schule.

Darüber hinaus finden Schülerzeitungsredakteure den Pressedienst "EXPOschool" - im Internet unter www.expo2000.de/exposchool. Während der EXPO 2000 wird außerdem das "Jugend Medien Forum" stattfinden, veranstaltet von Langnese, dem Förderer des Projektes "EXPO 2000... macht Schule". Planen Schüler und Lehrer eine Klassenfahrt zur Weltausstellung, bietet die EXPO 2000 Hilfe: Die Zeitung "EXPO 2000...macht Schule - aktuell" informiert unter dem Motto "Klassenfahrten leicht gemacht" z.B. über das günstige Schulklassenticket (29,00 DM pro Person) oder wie ein Tag auf der Weltausstellung konkret aussehen könnte. Fragen von Lehrern und Schülern beantwortet die Schul-Hotline der EXPO 2000 - zu erreichen unter 01805-392000 (24 Pfennig/Minute).

Im Rahmen des Projektes "Welche Schulen braucht unsere Welt" sind 28 Schulen in Niedersachsen als EXPO-Projekte anerkannt worden. Durch neue didaktische Konzepte will man einen erlebnisorientierten Unterricht erproben, um so den Schülern - aber auch den Lehrern - eine neue Qualität schulischen Lernens aufzuzeigen. Die Projekte stellen ihre Arbeitsergebnisse einerseits direkt in der Schule vor, zum anderen sind Präsentationen auf der Weltausstellung und im Niedersächsischen Landtag geplant.

Aktuelles Interview zu den EXPO-Projekten

Die EXPO findet nicht nur in Hannover während der Weltausstellung vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 2000 statt. Vielmehr sind eine große Anzahl von Projekten in Deutschland und auch weltweit als anerkannte EXPO-Projekte ausgezeichnet worden und repräsentieren die Vielfalt der EXPO-Thematik: Mensch - Natur - Technik.

Insgesamt bewarben sich über 2.000 Projekte um die offizielle Anerkennung als EXPO-Projekt. Nach einer Vorauswahl wurden allein in Deutschland 281 Projekte anerkannt und dürfen mit dem EXPO-Signet werben. Weltweit sind 486 Projekte registriert worden. Neben wissenschaftlichen Projekten sind viele Projekte auch direkt von Interessenten zu besuchen. Wilhelmshaven wird sich pünktlich zum 1. Juni als EXPO am Meer präsentieren oder die Stadt Uslar mit einem Erlebniswald.

In den weiteren Berichten über die EXPO werden speziell die registrierten Projekte in Niedersachen vorgestellt werden.

Unser Interview

Die Fragen zu den weltweiten Projekten beantwortete Dr. Bernd Lüdecke, einer der beiden verantwortlichen Leiter der Projekte.

Warum gibt es neben der Weltausstellung noch EXPO-Projekte?

Bernd Lüdecke: Bei der Weltausstellung EXPO 2000 handelt es sich um eine Weltausstellung neuen Typs, d. h. erstmals haben neben den teilnehmenden Nationen und Wirtschaftspartnern auch sog. NGOŽs, also Nicht-Regierungsorganisationen die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme an einer Weltausstellung. Damit findet die Weltausstellung im wahrsten Sinne des Wortes weltweit, nämlich in 123 Ländern mit knapp 700 Projekten, statt. Ungeachtet ihrer sehr heterogenen Inhalte und Projektträger eint sie alle, dass sie sich an den Kriterien der Agenda 21, insbesondere dem Kriterium der nachhaltigen Entwicklung ("Sustainable Development") orientieren, d. h. sie weisen eine über die Zeit der Weltausstellung hinausgehende nachhaltige Perspektive auf und müssen auch später noch sinnvoll nachgenutzt werden.

Was kennzeichnet ein EXPO-Projekt?

Bernd Lüdecke: Ungeachtet der - wie gesagt - sehr unterschiedlichen Inhalte lässt sich sagen, dass alle Projekte praktische Beispiele darstellen, die sich erkennbar in das EXPO-Thema "Mensch-Natur-Technik" einordnen lassen. Sie greifen eines oder mehrere der 11 Leitthemen auf und setzen diese(s) exemplarisch und zukunftsorientiert um, sie sind qualitativ hochwertig und innovativ mit Blick auf neuartige und bislang noch nicht implementierte Lösungsansätze, sie behandeln globale Themen in regionalen Kontexten, sie werden eigenständig vor Ort vom jeweiligen Projektträger zielgerichtet organisiert und sie müssen für ein internationales (Fach-)Publikum von Interesse sein (rein touristische, kulturelle, museal und sportlich geprägte Projekte sind per se nicht programmkompatibel).

Welchen Vorteil hat ein Projekt, wenn es als EXPO-Projekt ausgewählt wurde? Übernimmt die EXPO GmbH einen finanziellen Anteil am Projekt?

Bernd Lüdecke: Die Vorteile für die Projektträger liegen sicherlich primär darin, dass sie die Kommunikationsplattform EXPO 2000 nutzen können, sich und ihr Projekt der Weltöffentlichkeit bekannt zu machen. Aus diesem Grunde erhalten alle Projekte zur kostenlosen Nutzung ein EXPO-Logo zur Verfügung gestellt, mit dem sie sich als Bestandteil der Weltausstellung darstellen können. Die Erfahrung lehrt, dass EXPO-Projekte es relativ leicht haben, etwa in bestehende Förderprogramme der Bundesländer Aufnahme zu finden oder aber neue Partner und Förderer zu finden, die sich teilweise mit erheblichen Drittmitteln an den Projekten beteiligen. Eine Mitfinanzierung seitens unseres Hauses ist auf das Bundesland Niedersachsen (das Land ist Mitgesellschafter der EXPO 2000) beschränkt. Wir können - in Absprache mit der unabhängigen Bundesjury - eine bis zu zehnprozentige Mitfinanzierung auf die reinen Investitionskosten gewähren. Dies ist aber kein Automatismus, d. h. lediglich etwa zwei Drittel der 68 niedersächsischen Projekte erhalten eine Mitfinanzierung.

Glauben sie, dass die Menschen neben dem Besuch der Weltausstellung in Hannover auch Projekte besuchen werden?

Bernd Lüdecke: Natürlich glauben wir, dass eine Vielzahl von Besuchern den Weg zu den Projekten finden wird, dies ist ja auch eine der mit dem Programm verknüpften Intentionen. Sicherlich wird sich der Besucherstrom unterschiedlich verteilen, das hängt sicherlich mit der unterschiedlichen Attraktivität der Projekte zusammen, von denen sich einige an den Endverbraucher, andere aber eher an den Spezialisten wenden. Aus diesem Grund haben alle Projekte ein Präsentationskonzept mit vielfältigen touristischen und kulturellen Komponenten erstellt, um die Attraktivität für den Besucher zu gewährleisten. Wenn wir davon ausgehen, dass jeden Tag mindestens 80.000 Besucher außerhalb Hannovers unterzubringen sein werden, spricht nichts gegen die Annahme, dass viele Übernachtungsgäste den Besuch auf der EXPO mit dem Besuch eines oder mehrer weltweiter Projekte (zumindest der nationalen) verbinden werden.

Kennzeichnen sie bitte den nachhaltigen Nutzen der Projekte.

Bernd Lüdecke: Zum ersten Mal in der 150-jährigen Geschichte der Weltausstellungen ergänzen Projekte rund um den Globus das Geschehen auf dem EXPO-Gelände in Hannover und lassen somit im wahrsten Sinne des Wortes die EXPO 2000 global, mit knapp 700 Projekten in 123 Ländern der Erde, stattfinden. Damit stellen wir Beispiele vor, die in allen Teilen der Welt lokale Antworten auf globale Herausforderungen geben und den Weg zu einem neuen Verhältnis von Mensch, Natur und Technik aufzeigen. Gefragt sind also nicht theoretische Ausstellungstücke, sondern auf Dauer angelegte, reale Vorhaben, die an ganz konkreten Problemstellungen arbeiten. Inhaltliche Leitlinie bei der Identifizierung von Projekten ist für uns die Agenda 21, das auf dem ersten Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro verabschiedete Handlungsprogramm für das 21. Jahrhundert. Nachhaltigkeit ist damit das entscheidende Kriterium für die Auswahl der weltweiten Projekte. Schließlich sollen sie auch über die Dauer der Weltausstellung hinaus ihrem Standort einen bleibenden Nutzen bringen und auf andere Regionen in und außerhalb Deutschlands übertragbar sein. Das enorme Echo von mehr als 2000 Projektvorschlägen allein in Deutschland hat uns gezeigt, wie breit das Thema einer nachhaltigen Entwicklung bereits vielerorts Wirklichkeit geworden ist.

EXPO-Projekt: Hundertwasser-Bahnhof

Der überraschende Tod von Friedensreich Hundertwasser war ein trauriger Anlass, der jetzt den Uelzener Bahnhof ins Blickfeld der Medien gerückt hat. Der Bau wird allerdings wie geplant weitergehen, weil die Planungs- und Entwicklungsphase längst abgeschlossen ist und nun alles in den Händen der ausführenden Handwerker liegt.

Aber bei dem Projekt geht es nicht nur um die typische Umgestaltung durch Hundertwasser, sondern hier soll modellhaft eine regenerative Energieerzeugungstechnologie für Bahnhöfe entwickelt werden. So wird der Bahnhof 2000 dann die größte Fotovoltaikanlage in Niedersachsen besitzen, selbst eine Solartankstelle ist geplant. Jetzt wird dieses Expo-Projekt auch die Erinnerung wach halten an einen fantasievollen Künstler, Maler und Architekten, der gerade Linien verabscheute.