Eher Krieg oder lieber Frieden?

Gespräche über Physik (Teil 2)

Eine gewisse Uneinigkeit herrscht in den Zeitungen, darüber, wie nun der iranische Atom-Chef Mohsen Fakhrizadeh tatsächlich ermordet worden ist. Mal heißt es, sein Auto sei "sprayed with bullets", also von Geschossen durchsiebt worden. Dann wieder heißt es, er sei von einer auf dem Dach eines Kastenwagens montierten Präzisionswaffe per Satellit 13 mal ins Gesicht geschossen worden - während die nur 25 cm neben ihm sitzende Ehefrau dagegen kein einziges mal getroffen wurde.

In beiden Fällen macht sich die Geschichte gut. Wenn man sich die Monate davor als Einübung eines Film-Scripts vorstellt, ist es einfach, sich den ersten Teil sich als iranisches Imitat eines typischen amerikanischen Actionfilms auszudenken.

Schnurrbärtige, dunkelhäutige Terroristen lungern irgendwo vor der Wohnung des Wissenschaftlers. Die gutmütigen Iraner haben einen einzigen müden Wachmann vor der Tür stehen, der auf den Knopf drückt, damit das breite Flügeltor sich gemächlich öffnet. "Jawohl, Agha, ich bringe gleich den Tee", sagt der greise Tschai-Wallah noch, bevor ER von den Projektilen von der anderen Straßenseite her durchlöchert wird. Und dann geht es weiter wie bei "Bonnie und Clyde", man kennt ja das Foto.

Bei der zweiten Variante stehen Wissenschaftler in weißen Arztkitteln herum, das Gebäude hat eine gewisse Bauhaus-Modernität, und wir müssten suchen, ob es israelische oder US-amerikanische Erkennungsmerkmale an den Wänden zu sehen gibt. Denn es ist nicht anzunehmen, dass hier chinesische, indische, arabische oder französische Wissenschaftler in die Pflicht genommen werden.

"Sie meinen also, es wäre möglich eine satellitengesteuerte Präzisionswaffe nur auf das Gesicht des Mannes feuern zu lassen ohne dabei ein einziges Mal die neben ihm sitzende Ehefrau zu tangieren?"

Wiederum lässt sich aus dem Akzent des Chefs nicht erkennen, ob er Israeli oder Amerikaner ist. Könnte es ein Perser sein? Wäre es möglich, dass die Hisbollah ein Team aus iranischen, israelischen und amerikanischen Physikern und Computerspezialisten zusammengetragen hat, das sich nun hier, an einem sonnigen Urlaubsort am Mittelmeer, zu Vorbesprechungen getroffen hat?

Wer weiß - aber das Wort für "Mörder" das heute internationale Gültigkeit besitzt, kommt ja aus dem Persischen. Die Assassini waren persische Mordbuben, deren Vorliebe im Gebrauch des Dolches lag. Heute wird jeder beliebige Scharfschütze als "Assassin" bezeichnet, ob er nun einen John F. Kennedy oder einen Zoran Đinđić, vom gegenüberliegenden Dach aus abknallt. Zur Erinnerung: "The sixth Prime Minister of the Republic of Serbia, was assassinated at 12:23 p.m. Central European Time on Wednesday, March 12, 2003."

Bei Oswald, dem heute gerne als Alleinerzielendem Mörder Kennedys angesehenen Perpetrator war es noch wurscht, ob es eine Zick-Zack-Kugel gab, oder ob Kennedys Gehirn mit dem Geräusch einer an die Wand geworfenen Pampelmuse durchs Wageninnere zwitscherte. Die satellitengesteuerte Präzision einer Schusswaffe, die in rascher Folge 13 mal ins Gesicht des Opfers trifft, ohne die daneben sitzende Gattin mit Blutspritzern zu bekleckern - kaum glaublich, aber so, denkt man, möchten die Spezialisten ihre Fähigkeiten gerne geschildert sehen - scheinen doch auf einen alten sassanidischen Kult zu verweisen, eine besonders trickreiche Spurenverwischung vielleicht?

Hat man die Physiker gefragt, ist es euch recht, wenn man eure Handschrift erkennt? Wollt ihr lieber Mossad oder CIA sein? Und haben sie dann gesagt, nein wir möchten lieber Sassaniden sein? Ich denke zurück an den Mord 1967, zur Schah-Zeit, lange vor der iranischen Revolution, als die iranische Dichterin Forough Farrokhzad bei einem Autounfall im Iran starb. Unverdächtige Sache, aber dann wird 1992 ihr Bruder bei Bonn mit Messerstichen ermordet. Die Gerichtsmediziner stellten eine Unzahl von Einstichen fest, die ich als 134 im Körper und 37 in den Mund in Erinnerung habe.

Das gab es nicht mal bei Julius Cäsar. Selbst die blutrünstigen Afghanen haben ihre Könige gewöhnlich mit einem einzigen Messerstich im Schlaf erledigt. Der von der Berliner S-Bahn her bekannte König Amanullah starb friedlich in seinem Zürcher Bett, weil er bereits 30 Jahre vorher abdankte, aber auch er kam natürlich ursprünglich durch Patrizid bzw. Onkelmord ans Ruder. Die 13 Einschüsse ins Gesicht von Mohsen Fakhrizadeh sind sozusagen der ideologische Zierrat dieser Mordtat, die immerhin als erste ihrer Art gelten darf.

Das komplizierte Herumgetue wie bei Osama Bin Laden, samt der mitternächtlichen Entsorgung im Roten Meer, wird sich in Zukunft als unnötig erweisen. Jeder irgendwie unliebsame Chef irgendeiner Regierung – und das muss nicht sofort Nicolás Maduro sein, aber hey, wer würde in Europa dagegen stimmen? – kann jetzt einfach punktgenau an seinem Schreibtisch in einen küchenfertigen Sauschädel verwandelt werden.