Ein Essensbericht aus den USA

Seite 2: Bio-Lebensmittel und Hipster-Konsum-Lifestyle

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Neben dem Fastfood gibt es aber auch Bio-Lebensmittel, vor allem in den Städten des Landes. Dabei sind ökologisch produzierte Lebensmittel in den USA noch weniger normal als in Deutschland, wo sogar eher unökologische Drogerieketten wie Rossmann seit Jahren ein recht großes Sortiment an Ökolebensmitteln anbieten.

In den USA verbindet sich der Trend zu Biolebensmitteln stärker als hierzulande mit Lifestyle-Konsum, mit schicken Magazinen von jung-dynamischen Hipstern oder alternativen Stadtmenschen mit karierten Hemden. Es steht eher das Lebensgefühl gebildeter Stadteliten im Vordergrund - mit ihrem Wunsch nach einem langen und gesunden Leben, und weniger eine politisch-ideologische Kehrtwende für die Landwirtschaft und ein nachhaltiges Wirtschaften im Sinne der Natur.

Eine beliebte Hipster-Kette in diesem Sinne ist der überteuerte "Whole Foods Market", ein Amazon-Unternehmen, das im Prinzip dem US-Aldi-Unternehmen Trader Joe's nacheifert aber elitärer und teurer ist. Natürlich verfügen auch viele Bio-Käufer in Deutschland über ein gutes Einkommen, aber Biolebensmitttel sind hierzulande wie gesagt in den vergangenen Jahren schon viel normaler geworden, als dass sie als Statussymbole den alternativen Freundeskreis noch vom Hocker reißen würden.

"Ohne Gentechnik"

Im Zuge des Bio-Trends in den USA sind zunehmend auch Produkte auf den Markt gekommen, die das Label "Non-GMO" tragen. Dies bedeutet "Ohne Gentechnik". Das Logo ist wichtig für Konsumenten, da die USA keine staatlich vorgeschriebene Deklarationspflicht für gentechnisch veränderte Zutaten in Lebensmitteln haben.

Interessanterweise gibt es vor allem bei den genannten Läden und dem US-amerikanischen Aldi (mit inzwischen rund 1.750 Filialen) besonders viele Artikel mit einem solchen Label. Die Kette nutzt also den Vorteil einer aufgeklärteren Käuferschaft auf der anderen Seite des Atlantiks als Vorteil für das eigene Image in den USA.

Einschränkend muss man erwähnen, dass nach wie vor viel Obst, Gemüse und Getreide sowie fast alle Maisprodukte des Landes genetisch verändert sind. Da Mais auch in seiner Gen-Variante ein überaus universelles Lebensmittel ist (als Ersatz für Zucker, Stärke, Getreide usw.), stecken so in fast allen Produkten genetisch veränderte Grundstoffe.

Megatrend "Wasser"

Neben dem eher kleinen Trend urbaner Eliten, Gentechnik abzulehnen, entwickelt sind in den USA seit einigen Jahren der europäisierende "Megatrend" zu Wasser als Getränk, das in Deutschland ja ohnehin schon seit Jahren Hauptgetränk für die meisten Menschen ist.

Allerdings wird Wasser meist nicht wie in Deutschland als "natürliches Mineralwasser" mit Kohlensäure getrunken, sondern fast immer "still" und oder aromatisiert. Daneben finden sich auf dem US-Markt alle möglichen Lifestyle-Wässer, die aufgejazzt beispielsweise "Smart Water" oder "Purified Water" heißen. Im Prinzip bedeutet das, dass zum einen destilliertes Wasser getrunken wird - oder destilliertes Wasser, das nachträglich künstlich mit Mineralstoffen versetzt wurde.

Angeblich soll Ersteres besonders rein und Zweiteres besonders gesundheitsfördernd sein. Normales Wasser wäre da offenbar zu einfach und man trägt als jung-dynamischer Mensch das Getränk in den USA gerne 12 Stunden am Tag als eine Art Statussymbol in großen Trinkbechern umher.

Immerhin ist dieser Trend ein kleiner Fortschritt gegenüber dem traditionell vollkommen überzogenen Konsum von Limonaden und Colas im Land. Auch das Leitungswasser schmeckt meist so stark nach Chlor, dass man es als Mitteleuropäer kaum herunterkriegt.

Zucker, Süßstoff, Fett

Vielen US-Amerikanern ist durchaus bewusst, dass sie sich schlecht ernähren. Dies führt aber in vielen Fällen nicht zu einer ausgewogeneren Ernährung, sondern zur Mythenbildung, im Zuge derer man sich andere ungesunde Angewohnheiten aneignet.

Zu diesen anderen Mythen gehört die Todesangst vor Zucker, der in Maßen genossen harmlos wäre, aber pauschal als kohlenhydratlastiger Fettmacher gilt und der häufig durch süß schmeckende Chemikalien ersetzt wird. Nicht hilfreich ist daher, dass viele Getränke in den USA viel zu süß und häufig auch zu stark aromatisiert sind.

Und obwohl diese Angst umgeht, sind in so gut wie allen Lebensmitteln beträchtliche Mengen an Zucker zugesetzt, auch dort, wo er überhaupt nicht hingehört. Nicht nur wie in Deutschland in Fertig-Tomatensaucen oder Ketchup, sondern etwa auch in Brot oder Bagels.

Zucker ist hier aber nicht etwa in seiner natürlichen Zusammensetzung aus Fruktose und Glukose enthalten, sondern meist in Form von sogenanntem "High Fructose Corn Sirup" mit einem unnatürlich hohen Gehalt an Fruktose. Der Sirup hatte in der Vergangenheit aus gesundheitspolitischen Erwägungen bereits zu Verwerfungen zwischen Mexiko und den USA geführt.

Im Motel Red Roof Inn (mit mausgrauem Dach), in dem einige Gäste am Frühstücksbuffet vor dem Essen beten, gibt es mit Waffeln, die sich die Gäste selber zubereiten können. Als Bratfett, das man auf das Waffeleisen sprühen soll, dient das Produkt "Waffle Grid Conditioner" von der Firma Heartland Waffles.

Um zu verdeutlichen, was für wahnwitzige Produkte als Lebensmittel in den USA verbreitet sind, seien in der folgenden Tabelle die Inhaltsstoffe des Produkts entsprechend der Reihenfolge auf der Verpackung mitsamt einer Erklärung aufgelistet:

Inhaltsstoff Um was es sich handelt
Wasser
Silikon Ein chemisch hergestelltes Ersatzfett, das normalerweise für Maschinen verwendet wird und Lebensmitteln in Europa nur in geringen Mengen zugesetzt werden darf, um Schaumbildung zu verhindern. Der Zusatzstoff heißt bei uns auch E900 und kann etwa Bratölen oder Marmeladen bis 10 Milligramm pro Kilo zugesetzt werden. In diesem US-Produkt ist Silikon in erheblich größeren Mengen enthalten. Silikone in Bratfetten vervielfachen den Acrylamidgehalt, der durch das Erhitzen entstehen kann.
Polysorbat 80 Chemisch hergestellter Lebensmittelzusatzstoff (E433), der als Emulgator für Lebensmittel zugelassen ist. Im Tierversuch mit Mäusen war der Stoff zum Teil krebserregend und führte zu Verdauungsproblemen.
Propylene Glycol Eine aus Erdöl hergestellte Substanz, die auch als Feuchthaltemittel in Zigaretten Verwendung findet. Der Stoff reizt die Atemwege und wird als insgesamt gesundheitlich bedenklich angesehen – aber auch als potentiell krebserregend.

Ethyl und Propyl Paraben Parabene sind chemisch hergestellte Konservierungsstoffe für Kosmetika, die in den USA auch Lebensmitteln zugesetzt werden. Parabene sind hormonell wirksam und daher problematisch. Die Gruppe dieser Substanzen gilt insgesamt als gesundheitlich bedenklich, möglicherweise krebserregend und ist daher sehr umstritten.
Natriumlaurylsulfat ("Sodium Lauryl Sulfate")
Eine seifenartige, chemisch hergestellte Substanz, die sich eigentlich sonst in Kosmetika wie Shampoos, Reinigungsmitteln oder Salben befindet. Sie kann zu Entzündungen im Mundraum führen oder Allergien auslösen und ist daher vor allem in Kosmetika sehr umstritten.

Dass ein Produkt wie der Waffle Grid Conditioner mit nur einer einzigen natürlichen Zutat (Wasser) überhaupt auf dem Markt ist, zeigt, dass es in den USA noch einen großen gesellschaftlichen Aufklärungsbedarf und eines Umdenkens in der Bevölkerung in Richtung einer ökologischen und natürlich - gesunden Ernährung gibt. Auf dem deutschen Markt würde sich ein solches Produkt mit diesen schädlichen Inhaltsstoffen sicherlich nicht gut oder gar nicht verkaufen lassen.

Der Medikamentenautomat

Der Einsatz von kalorienfreien Chemikalien wie Silikonen erscheint als technokratische Antwort auf die Überfettung in den USA - eine Lösung, die ihrerseits wiederum höchst fragwürdig ist. Man schwankt zwischen den Extremen solcher Produkte, vollkommen fettfreier (und geschmacksfreier) Milch - und Pizza, bestehend aus 50% Öl und Käse.

Neben diesem Beispiel sind auch andere kritische Herangehensweisen im Umgang mit der Ernährung in den USA zu beobachten. So steht im besagten Motel Red Roof Inn ein Medikamentenautomat mitten im Flur, der auch für Kinder zugänglich ist. Frei zu kaufen gibt es in diesem Automaten Ranitidin und Antazidum zur Reduktion von Sodbrennen - zur Bekämpfung der Symptome also beispielsweise, nachdem man mal wieder zu viel und zu fettig gegessen hat.

Daneben finden sich im Automaten die Schmerzmittel Ibuprofen und Paracetamol. Besonders interessant ist zuletzt das Medikament Midol, das eigentlich gegen Menstruationsschmerzen eingesetzt werden sollte, aber von vielen Menschen in den USA illegalerweise zweckentfremdet wird, um den Appetit zu unterdrücken.

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