Ein Jahrhundertauftrag

"Pelamis": Fischereifahrzeuge für Mosambik. Bild: Constructions mécaniques de Normandie

Ein als Entwicklungshilfeprojekt getarntes Marinebeschaffungsprogramm gefährdet die finanzielle Stabilität Mosambiks

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Um 2013 hatten etwa 150 Boote eine Thunfisch-Lizenz für mosambikanische Gewässer. Nur eines von ihnen fuhr unter der Landesflagge. Warum sollten die Mosambikaner nicht selber versuchen, mit einer eigenen industriellen Flotte am Fischreichtum entlang ihrer 2500 km langen Küste teilzuhaben und aus dem Land einen Thunfisch-Umschlagplatz zu machen?

Das jedenfalls war das offizielle Narrativ zu den Absichten eines Entwicklungsprojekts, das nun als gescheitert gilt. Dabei sah die Ausgangslage vielversprechend aus. In Mosambik gibt es 140000 Fischer, die hauptsächlich im Fischereihandwerk und in der Subsistenzfischerei arbeiten. Sie landen einen Großteil (2007: 80%) des in mosambikanischen Gewässern gefangenen Fisches an. Das Land lag nach FAO-Angaben 2013 bei der Gesamtfangmenge im Westlichen Indischen Ozean mit 143000 Tonnen (1.5% davon Thunfisch) auf Platz sieben - gleich hinter Spanien.

Zum Vergleich der Größenordnung: Der EU-Fang im Westlichen Indischen Ozean schlug im gleichen Jahr mit 228.000 Tonnen zu Buche, 93% davon Thunfische. Das Thunfisch-Abkommen mit der EU wurde aufgrund von Meinungsverschiedenheiten der Vertragspartner noch nicht erneuert und gilt seit Ende Januar 2015 als ruhend. Details von privaten Vereinbarungen zwischen internationalen Fischereiunternehmen und Mosambik sind öffentlich kaum bekannt. Bisher angesiedelte Fischerei-Industrien befischen hauptsächlich Krustentiere. Dabei handelt sich oft um Joint Ventures mit europäischen und japanischen Firmen.

Die Gründung des Fischereibetriebs EMATUM (Empresa Moçambicana de Atúm) 2013 sollte der Startschuss für den Aufbau einer eigenen Thunfischerei-Industrie werden. Doch nach und nach kamen nun Details zu abenteuerlichen Täuschungsmanövern ans Licht, deren Folgen Mosambik in eine finanzielle Schieflage manövriert haben. Binnen kurzem hat das Land einen Berg dubioser Schulden in der Größenordnung von zwei Milliarden US-Dollar angehäuft. Die Ratingagenturen Standard & Poor's und Moody's erhöhten bereits den Druck und stuften das Land ab - mit negativen Aussichten, und dem Staatsbankrott in Reichweite.

Investoren im Nebel

Denn eigentlich sollten nun 21 nagelneue Langleinen-Boote und drei Trawler Fische für Mosambik fangen, doch sie liegen festgemacht und verlassen im Fischereihafen von Maputo. Finanziert wurden sie aus einem Darlehen von 850 Millionen US-Dollar, das im Jahre 2013 von Credit Suisse, BNP Paribas und VTB Capital zum Zwecke der Entwicklung fischereilicher Infrastruktur gebündelt wurde. Das hatte man den Investoren erzählt, denen das Paket als siebenjährige Anleihe mit staatlichen Garantien verkauft wurde. Eine wichtige Zutat hatte man allerdings verschwiegen - die ebenfalls damit verbundene Anschaffung von Patrouillenbooten nebst Bewaffnung und Überwachungsausrüstung.

Die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Unternehmens stand von Beginn an in Frage, die Art und Weise der zugesicherten Regierungsbeteiligung blieb unklar. Schnell wurde deutlich, dass das Projekt nur einen Bruchteil des ihm zugeschriebenen Potenzials in sich trug. Die veröffentlichte Bilanz von EMATUM weist für 2015 Fänge im Wert von 450.000 US-Dollar aus - gemessen an den Jahresprognosen von 18 Millionen US-Dollar im Jahre 2013 oder 36 Millionen US-Dollar im Jahre 2016. Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young bescheinigten dem Vorhaben Ende 2014 eine aufgelaufene Schuldensumme von 23 Millionen US-Dollar. Investoren fühlten sich getäuscht. Mittlerweile war durchgesickert, dass die vermeintliche Thunflotte auch eine Rüstungskomponente enthielt, die in den Prospekten nicht ausgewiesen war.

Die im Vorfeld von Regierungsstellen genannten Summen, die in den Bootsbau fließen sollten, waren widersprüchlich und schwankten zwischen 200 Millionen Euro und 500 Millionen US-Dollar. Selbst die offiziellen Zahlen standen in keinem Verhältnis zum aufgenommenen Kredit von 850 Millionen US-Dollar. Verwirrend war die Angelegenheit letztlich in der Frage, was denn nun alles genau vom gewährten Darlehen abgedeckt würde: Waren auch Patrouillenboote inbegriffen, und wenn ja, wie viele?

Rückblende: Jahrhundertauftrag für französische Werft

Ende September 2013 besuchten der damalige mosambikanische Präsident António Guebuza und sein Amtskollege François Hollande die "Constructions mécaniques de Normandie", die Werft der CMN-Gruppe in Cherbourg, um dem Beginn des Baus der Boote beizuwohnen. Erst zu Monatsbeginn hatte die Werft in festlichem Rahmen den Eingang einer mosambikanischen Bestellung über 24 Fischereifahrzeuge und sechs Patrouillenboote verkündet.

Für die Normandie war das eine schöne Überraschung: Nicht weniger als drei französische Minister feierten das Ereignis als Wiederbelebung von "Made in France". Der Minister für "wirtschaftlichen Wiederaufbau", Arnaud Montebourg, lobte das Projekt als Schub für die Werft. Deren 350 Beschäftigten waren zu diesem Zeitpunkt monatelang praktisch arbeitslos. Der franko-libanesische Werfteigner und Multimilliardär Iskandar Safa bezeichnete das Vorhaben als "Jahrhundertauftrag". Bei den Feierlichkeiten stand weniger im Vordergrund, dass das Unternehmen 1989 zum letzten Mal einen Thunfänger im Repertoire hatte und sich traditionell mehr mit Kanonenbooten befasst.

Durch den Patzer eines mosambikanischen Offiziellen wurde die Angelegenheit ins internationale Rampenlicht gehievt. Der stellvertretende Außenminister Henrique Banze gab in einem später zurückgezogenen AP-Interview bekannt, dass den Patrouillenbooten noch militärische Ausrüstung fehle und deshalb bereits Verhandlungen mit Frankreich zum Zwecke derer Beschaffung geführt würden. Äußerungen von Iskandar Safa, dass es weitere, ja wichtigere Verträge zwischen Mosambik und Abu Dhabi Mar gäbe, ließen den Grad der Verwunderung ansteigen.

Auf der Bestellliste: Ocean Eagle 43 Trimaran. Bild: Constructions mécaniques de Normandie

Die französische Regierung versicherte offiziell, nichts mit dem Deal zu tun zu haben, der sei nicht öffentlich und Sache der CMN-Gruppe, einem Privatunternehmen. Dabei hat Frankreich eigene Interessen am Mosambik-Kanal, der gelegentlich auch als schlummerndes Nadelöhr der internationalen Wasserstraßen angesehen wird: die französischen Übersee-Départements Mayotte und Îles Éparses liegen in der Nachbarschaft. Und ganz in der Nähe befinden sich die 2010 entdeckten Offshore-Erdgas-Vorkommen des Rovuma-Beckens, die zu den größten der Welt gezählt werden.

Die Katze wird nach und nach aus dem Sack gelassen

Im Oktober 2013 sagte der damalige mosambikanische Verteidigungsminister und jetzige Präsident Filipe Nyusi, dass eine Privatfirma für die Patrouillenboote verantwortlich sein würde, nicht EMATUM selber. Damit meinte er das maritime Sicherheitsunternehmen Proindicus, dass Ende 2012 gegründet wurde. Später, 2014, gesellte sich mit Mozambique Asset Management ein weiteres Unternehmen zum Firmengeflecht hinzu, weitere Gelder flossen. Zusammen erhielten die drei Firmen 2 Milliarden US-Dollar - die jetzt Staatsschulden sind.

2015 übernahm die mosambikanische Regierung aufgrund von Druck durch den Internationale Währungsfonds (IWF) 500 Millionen US-Dollar des EMATUM-Kredits und brachte sie im Verteidigungshaushalt unter. Die angeschaffte Marineausrüstung wurde dem Verteidigungsministerium unterstellt: unter anderem 15 Abfang-Patrouillenboote HSI32, drei Trimarane Ocean Eagle 43, deutsche Radartechnik sowie portugiesische Radarturmbauten. Anlässlich Nyusis Staatsbesuch im April 2016 in Deutschland wurde dieser von Kanzlerin Merkel gefragt, wo das Geld sei, und ob er noch das Sagen habe.

Nicht alle Gelder kamen in den Firmen an, vom Darlehen über 622 Millionen US-Dollar an Proindicus zum Beispiel nur die Hälfte. Der Rest wurde wahrscheinlich für andere Projekte abgezweigt oder floss in private Taschen. Mosambikanische Oppositionelle fordern die Verhaftung Guebuzas, weil er in deren Augen die Mär von der Thunflotte in Umlauf brachte, um letztendlich mit dem Schutz der Offshore-Gasförderanlagen selber viel Geld zu verdienen.

Verzögerung beim Ausbau von Offhore-Erdgasvorkommen und Kohle

Maritime Sicherheit gilt in Mosambik als lukrativer Markt, spätestens wenn das Land zu einem der Top-Offshore-Gasförderer der Welt aufgestiegen sein wird. Doch der Weg dahin erweist sich nun steiniger als gedacht. Der IWF hielt für den Ausbau des Flüssigerdgas-Sektors in Mosambik ursprünglich Investitionen von 100 Milliarden US-Dollar für denkbar.

Angesichts fallender Preise und des gegenwärtigen Überangebots zögern die Förderunternehmen nun, voll in das Geschäft einzusteigen. Die US-amerikanische Anadarko hatte 2010 erste große Offshore-Erdgas-Vorkommen im Tiefwasserbereich des Rovuma-Beckens entdeckt. Die Ergebnisse von Erkundungen bezifferten die in den vergangenen Jahren neu entdeckten technisch förderbaren Erdgasressourcen von Mosambik auf mindestens 3 Billionen Kubikmeter. Doch der für 2020 angepeilte Beginn des kommerziellen Förderbetriebs scheint sich nun zu verzögern.

Während man bei ENI Anfang 2016 zwar den Ausbau des Coral-Felds bekanntgab, zögert man bei Anadarko. Die endgültige Entscheidung für eine Investition steht dort noch aus. Anadarko hatte im vergangenen Jahr sein Personal vor Ort um die Hälfte reduziert - offiziell bleibt das Unternehmen zuversichtlich. Ähnliche Probleme treten beim weiteren Ausbau der Steinkohlenförderung in der Tete-Provinz mit ihren geschätzten 6.7 Milliarden Tonnen Kohlereserven zu Tage.

Geberländer ziehen sich zurück

Die EU und andere internationalen Geberländer und -institutionen koordinieren ihr Engagement vor Ort, insbesondere im Rahmen der sogenannten Gebergruppe "G19", die mittlerweile zur G14 zusammengeschmolzen ist. Die Gruppe ließ seit 2004 Hilfsgelder direkt in den mosambikanischen Haushalt fließen.

Während der Entfaltung des EMATUM-Skandals dämmerte einigen Gebern, dass diese Art der Hilfe kaum eine Kontrolle über die Verwendung der Mittel zulässt. 2015 sind einige Geberländer ausgestiegen, unter anderem Deutschland. Der IWF begrüßte im April 2016 das Eingeständnis von bisher verborgenen, staatlich gedeckten Außenschulden von einer Milliarde US-Dollar, und legte seine Finanzhilfe auf Eis, die Weltbank folgte kurz darauf. Im Mai 2016 stellte die G14 ihre Haushaltsunterstützung ein. Die Vereinigten Staaten als größter Einzelgeber außerhalb der G14 unterziehen ihre jährlichen Zahlungen von 400 Millionen US-Dollar derzeit einer kritischen Prüfung.

Umstrukturierung der Schulden

Im Oktober 2015 nahm das Land einen Notkredit vom IWF über 286 Millionen US-Dollar auf. Trotz eines noch robusten Wachstums zwischen 6 und 7% stufte der IWF im Januar 2016 Mosambik nun als substantielles finanzwirtschaftliches Risiko ein. Der Verfall der Preise von Mosambiks wichtigsten Rohstoffen, die daraus resultierenden Verzögerungen bei der Entwicklung der Erdgas-und Kohleprojekte des Landes und der Wertverlust der Landeswährung - der Metical hatte allein im vergangenen Jahr ein Drittel seines Wertes verloren - machen dem Land zu schaffen.

Im März 2016 nahm die Mehrheit der Anteilseigner der EMATUM-Bonds - unter ihnen einige der weltgrößten Investorengruppen - das Angebot der Regierung an, die ausstehenden 697 Millionen US-Dollar in mosambikanische Staatsschulden umzuwandeln und die Abzahlungsfrist von 2020 auf 2023 zu verlängern. Die Gültigkeit dieser Darlehensgarantien hängt jedoch von der Einhaltung der Verpflichtungen des Landes ab, die aus den auferlegten Programmen von IWF und Weltbank folgen.

Mosambik war als hochverschuldetes armes Land in den 1990er und 2000er Jahren Empfänger verschiedener Entschuldungsprogramme von IWF und Weltbank und hatte zu Beginn des Jahrtausends Außenschulden in Höhe von einer Milliarde US-Dollar. Seitdem nimmt die Neuverschuldung zu: 2010 waren es 3,3 Milliarden US-Dollar und im Mai 2016 schon 9,9 Milliarden US-Dollar.

Ein neuer Kurs?

Dabei wollte die mosambikanische Regierung eigentlich erreichen, dass die Mehrheit der Bevölkerung über eine neue Wirtschafts-und Sozialpolitik nun auch etwas vom langjährigen Wachstum zu spüren beginnt. Das sollte unter anderem durch eine gerechte Besteuerung ausländischer Firmen erreicht werden.

Ab der Jahrtausendwende kamen mehrere milliardenschwere Großprojekte ins Land, die auf Anraten internationaler Finanzinstitute von einer Besteuerung bisher zum Großteil ausgenommen waren. Für 2008 wurde beispielsweise geschätzt, dass sich die entgangenen Steuereinnahmen in der Größenordnung des Haushaltsdefizits bewegten, welches wiederum durch Geber ausgeglichen wurde.

Präsident Filipe Nyusi versprach bei seinem Amtsantritt 2014, sich für die Sicherung des inneren Friedens und der staatlichen Einheit einzusetzen. Der alte Konflikt zwischen der Regierungspartei FRELIMO und der RENAMO schwelt in einigen Teilen des Landes nach wie vor weiter und kann jederzeit in gewaltsamen Ausbrüchen eskalieren, auch 24 Jahre nach Beendigung des Bürgerkriegs.

Außerdem hatte er erklärt, den Kampf gegen die Geißel der weit verbreiten Korruption zunächst im Innern der FRELIMO führen und gewinnen zu wollen. Der 2000 ermordete Journalist Carlos Cardoso (Die Ermordung eines Journalisten) sprach in diesem Zusammenhang auch von einer "Gangster-Fraktion" innerhalb der Partei, mit einem Hang zur "Korruption im Industriemaßstab". Der EMATUM-Fall zeigt, dass diese Kräfte weiterhin wirken.