Ein Requiem für AIDA
Seite 4: Von einem Holzweg auf den nächsten
- Ein Requiem für AIDA
- Ein Schritt folgt auf den nächsten im Stufenmodell
- Ein Stufenmodell für die Hundeerziehung und zum Anbaggern
- Von einem Holzweg auf den nächsten
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Danach schlug die weltweite Wirkungsforschung einen weiteren Holzweg ein. Der war mit den Stufenmodellen durchaus vereinbar, basierte jedoch darüber hinaus noch auf einer ganzen Reihe weiterer Denkfehler: Es entstanden die aus der Psychologie des Lernens entlehnten Theorien der Werbewirkung. Sie verstehen den Prozess, in dessen Verlauf Werbung ihre Wirkung entfaltet, als Lernprozess. Werbung wirkt, wenn der Konsument die Werbebotschaft gelernt hat. Die Konsumenten begreifen die Werbebotschaft so wie sich ein Schüler nach und nach die Grammatik einer fremden Sprache aneignet, Vokabeln paukt, mit Mühe und Not mathematische Formen zu verstehen beginnt oder sich in einem lebenslangen Prozess die in seiner Gesellschaft vorherrschenden Gesetze der Moral und der Sittlichkeit zu eigen macht.
Das Dilemma ist genau dasselbe wie bei den Stufenmodellen. Von "oben" wird die Werbung eingegeben und unten bei den Konsumenten muss die Wirkung herauskommen. Die Konsumenten müssen nur dazu gebracht werden, die Botschaft des Herrn Werbefritz zu lernen. Und da das nicht so ganz leicht ist, muss man ihnen das richtig einpauken.
Wer darüber nachdenkt, muss sich allerdings fragen: Wie um alles in der Welt konnte man je auf die Schnapsidee verfallen, den Prozess der Akzeptanz von Werbebotschaften in Analogie zum Prozess des Lernens zu deuten? Was für eine absolut unhaltbare Analogie ist das? Laufen denn an den Universitäten und sonstigen Forschungsstätten nur weltfremde Deppen herum? Kann man überhaupt einfältiger in die falsche Richtung marschieren?
Heute sind die Stufenmodelle der Werbewirkung tot. Mausetot. Man muss jetzt nur noch einmal hundert oder mehr Jahre warten, bis auch die Werbefritzen das kapiert haben. Auch als Merkhilfen taugen die Stufenmodelle nicht mehr. Sie sind einfach zu nichts mehr nutze. Wer immer noch damit hantiert, zeigt damit nur, dass er hinter dem Mond zu Hause ist.
Wolfgang J. Koschnick gilt in Deutschland, Österreich und der Schweiz als einer der bestinformierten Kritiker der internationalen Werbeforschung und Werbung. Er hat über 50 anerkannte Nachschlagewerke aus dem weiten Feld von Marketing, Management, Marktkommunikation, Werbe- und Mediaplanung, Markt-, Media- und Sozialforschung geschrieben, mit denen mehrere Generationen von Nachwuchswerbern, Marketingexperten, Werbe- und Mediaforschern ausgebildet werden. Dabei bewahrte er stets seine Unabhängigkeit und eine gewisse Streitbarkeit. Bei Bedarf legt er sich mit Werbungtreibenden, Werbern, Werbeagenturen und sonstigen Interessenvertretern ohne Ansehen der Personen, Organisationen und Institutionen an.
Der 3. Teil der Werbeserie kommt in etwa einer Woche:
Ein scheinbar bestechendes Instrument: Scharlatanerie mit Ökonometrie
Eine Zeitlang galt die ökonometrische Werbeforschung als Geheimrezept. Doch dann stellte sich heraus: Es ist tatsächlich eine Lachnummer.