Ein Toilettentäschchen von Tony Blair...

...und andere rätselhafte Geschenke an den amerikanischen Präsidenten

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Als Ari Fleischer am Montag seine letzte Pressekonferenz als Sprecher des Weißen Hauses gab, überreichten die Korrespondenten ihm zum Abschied ein Päckchen und beteuerten wortreich, dass dieses kein Uran enthalte. Fleischer nahm sein Geschenk mit den Worten an, dass, falls das Paket doch Uran enthalte, es sicher gefunden werde.

Wer den Tanz um die Erklärungen der US-Regierung zu der vergeblichen Suche nach irakischen Massenvernichtungswaffen nicht mitbekommen hat, dem könnte die Anspielung entgehen, welche dieser Geschenkübergabe innewohnt und dann würde ihn die kleine Szene wohl an ein absurdes Stück von Daniil Charms erinnern. So witzig, wie hier geschildert (wenn man das witzig findet), geht es leider selten zu im Weißen Haus. Doch Geschenke haben in der Welt der Politik seit langem diese eigentümlich verwirrende Kraft. Wie die Worte der Mächtigen bedürfen sie der fachkundigen Interpretation, nicht selten ist diese allerdings doppelbödig und gelinde gesagt spekulativ.

Was mag es bedeuten, dass der britische Premierminister Tony Blair George W. Bush einen Kulturbeutel geschenkt hat? Eine Anspielung, dass dem amerikanischen Präsidenten ein wenig "alte", europäische Kultur nicht schaden würde? Doch damit säße man den Tücken der Übersetzung auf, im korrekten Wortsinne bekam der Amerikaner natürlich keinen Kulturbeutel sondern ein "sponge bag" bzw. ein "toilet bag" geschenkt. Ein "toilet bag", oje, das klingt noch profaner und annähernd wie eine Respektlosigkeit. Und falls hier ein analfixierter Hintersinn am Werk wäre, dann hätte dieses Geschenk höchstens Gerhard Schröder gebührt; jeder weiß, dass die Deutschen am liebsten über Witze lachen, die mit dem Po und seinen Ausscheidungen zu tun haben. Warum das so ist, weiß wiederum keiner. Nun gibt es im Rätselraten um das "toilet bag" die Spekulation, das Geschenk könnte ein "geistreiches Echo" (der Guardian) auf eine Bemerkung Bushs bei seinem ersten Treffen mit Blair sein. Es ist immer wieder beruhigend, dass wie bei einem Liebespaar die erste Begegnung zweier Politiker von unauslöschlicher Wichtigkeit ist. Hier soll Bush gesagt haben, dass er und Tony die gleiche Zahnpasta benutzen würden. (Merkwürdiger wäre, wenn es die selbe Zahnbürste gewesen wäre, aber auch die Zahnpasta wirft Fragen auf: Was steckt dahinter? Product Placement? Transantlantische Allianzen? Dr. Best? - "Die klügere Zahnpasta gibt nach")

Auf Georges Beutel prangen übrigens die goldenen Lettern "GWB" und er ist immerhin 350 Dollar wert. Insofern auch ein cleveres Geschenk, als er es eventuell behalten darf. Denn teure Geschenke müssen im Geschenkarchiv abgegeben werden (ein Akt, der den Clintons anscheinend recht schwer fiel), wo sie dann rumstehen und Staub ansetzen, nicht viel anders, als es Geschenke gemeinhin tun. Bushs billigstes Geschenk kommt zum Glück für Blair (es ist immer gut, wenn man nicht der absolute "Cheapo" ist) nicht aus England, sondern aus Marokko: Ein Topf mit Fischködern. Da könnte eine ähnliche - leicht ironisch verbrämte - Idee dahinter stecken wie hinter einem Geschenk der polnischen Regierung: einem Buch darüber, wie man Terroristen das Handwerk legt. Saudi Arabien hingegen ließ ein Ölgemälde im Wert von 1 Million Dollar überbringen, die arabischen Emirate punkteten mit einem Stift im Wert von 18 000 Dollar. Der kanadische Premierministers Jean Chrétien (vgl. Der Westen wird als arrogant, gierig und selbstgefällig angesehen) versuchte es mit einer marmornen Unterlage plus Kulihalter, doch ob diese verholzte Geste den Präsidenten milde gestimmt hat, ist fraglich.

Vasen, Teeservices, Dolche, Cowboyhüte, Golfzubehör (von jenen, die denken, dass Clinton noch der Mann im Weißen Haus ist) - die Liste der Präsidentengeschenke ist lang; fast alles ist dabei, aber bitte kein Alkohol, denn das würde den abstinent lebenden Ex-Alkoholiker brüskieren. Als undurchsichtig bis brüskierend wurde übrigens auch ein alkoholisches Geschenk angesehen, das aus Frankreich in die Hände Tony Blairs floss als der seinen 50. feierte: Sechs Flaschen Spitzenwein der Marke Mouton Rothschild, Jahrgang 1989 plus Kristallkaraffe. Tony Blair hatte nun, die Krise zwischen Paris und London schwelte, die Wahl, die 1 400 Euro teure Aufmerksamkeit zurück gehen zu lassen oder aber selbst dafür aufzukommen, denn britische Minister dürfen keine Präsente annehmen, die teurer als 200 Euro sind. Dann meinten britische Weinexperten, der Wein sei in der Qualität "wenig charakterstark". Verbarg er (der Wein) damit eine Anspielung auf Blairs Rolle in Irak? Und last but not least: Was wollen uns die Schafe auf dem Etikett über Blairs Charakterstärke sagen? Dies alles wäre gewiss weniger undurchsichtig, wenn man wüsste, was für eine Zahnpasta Jacques Chirac benützt.

Bleibt auch die Frage, welches von seinen Geschenken den amerikanischen Präsidenten wohl am meisten gefreut hat. Jay Leno, der Talkmaster mit dem Powerkinn, weiß zumindest, welches das erste war: Die Wahl.