Eine "bessere Weltordnung": Friedliche Kampfansage an die Supermacht USA
Seite 2: Wer hat Angst vor der neuen Weltordnung?
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Man hält es kaum für möglich, aber auch im Atlantik-Brücke-Artikel "In Search of A New World Order" (siehe Teil 1) von Michael Hüther und Sigmar Gabriel findet sich ein Affront gegen den transatlantischen Partner. Zwar nicht ganz so deutlich wie beim "better order"-Artikel von Foreign Affairs, aber ganz sicher nicht ohne Sprengkraft:
Es ist immer noch unklar, wie die neue Weltordnung aussehen kann oder sollte. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Ian Bremmer hat den Begriff "G-Zero" geprägt, um eine Welt nach der Pax Americana zu beschreiben, in der es keine klare Führung und keinen "Hegemon" oder Hüter der internationalen Ordnung gibt: Eine unbeständige Welt mit mehreren Drehpunktstaaten.
Michael Hüther und Sigmar Gabriel
Ian Bremmer, in den Medien gefragter Experte und Gründer des renommierten Beratungsunternehmens Eurasia Group, das seit 2001 jährlich den Global Political Risk Index (GPRI) als Investitionsmarker für die Wall Street herausgibt, spricht schon seit 2018 von einer "geopolitischen Rezession", die die Vorherrschaft der USA auf dem Globus beendet.
In einem Interview mit Radio Davos, dem Sender, der das jährliche Treffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) begleitet, spricht sich Bremmer bezeichnenderweise nicht für eine multipolare Ordnung souveräner Nationalstaaten aus, sondern für globale Institutionen, die gerade angesichts der Erfahrungen in der Corona-Krise gestärkt werden müssten:
Wenn die Leute heute sagen: "Unsere Institutionen [die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurden, =UN, Nato] sind kaputt. Wir wollen diese Institutionen einfach nicht. Wir wollen diese Global Governance einfach nicht. Wir sollten es selbst tun." Nein. Nein, Sie werden nicht auf eigenen Beinen stehen können. Sie brauchen eine globale Architektur, aber Sie müssen diese Institutionen wieder aufbauen. Und an diesem Punkt stehen wir heute in der Welt.
Ian Bremmer
Hier wird der Diskurs um die neue Weltordnung sehr interessant. Denn diese Einschätzung deckt sich auch mit der etwa Jeffrey Sachs’, der zuletzt Aufsehen erregte, als er in Bezug auf die Sabotage der Nordstream-Pipelines offen die USA verdächtigte.
Seine anschließenden, auch auf Telepolis veröffentlichten Ausführungen klangen ebenfalls wie ein Aufbegehren gegen den Hegemon – oder zumindest dessen Falken an der Spitze. Sachs und Dani Rodrik, Mitautor des "better order"-Artikels, kennen sich übrigens vom Briefe schreiben an Angela Merkel.
Als aktiver UN-Funktionär, ehemaliger Berater dreier UN-Generalsekretäre sowie von Währungsfonds und Weltbank spricht sich auch Sachs für eine Institution nach dem Prinzip des "global government" aus. Zu bedenken gilt es dabei, dass die UN nicht im luftleeren Raum existieren: Die größten Geldgeber sind immerhin – unter den privaten – die Bill & Melinda Gates Stiftung – und unter den Mitgliedsländern – die USA (Stand: 2020).
Die Vorstellung einer globalen Institution mit föderalen Strukturen, die sich für globale Gerechtigkeit einsetzt, lässt sich in jedem Fall gut verkaufen. Globale Probleme müssen eben global angegangen werden, natürlich. Wer sollte da widersprechen?
Nicht mal Putin und Xi Jinping tun das. Ganz im Gegenteil. Die sprachen sich im Februar 2022 "für eine universalistische und offene Weltordnung mit den Vereinten Nationen im Zentrum" aus. Die gemeinsame Verpflichtung auf die Vereinten Nationen als Zentrum der Macht erklärt auch, warum die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung global so einheitlich verfolgt werden.