Einheitsdenkmal der Herzen

Nachdem eine Jury alle Vorschläge ablehnte, werden sie im Kronprinzenpalais und im Web ausgestellt

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In Berlin soll mit 15 Millionen Euro Steuergeld auf dem Sockel eines alten Kaiser-Wilhelm-Denkmals vor dem abgerissenen Palast der Republik ein "Einheits- und Freiheitsdenkmal" gebaut werden. Dazu wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, der besonders "offen" und "demokratisch" sein sollte. Deshalb konnte sich jedermann ohne besondere Zulassungshürden daran beteiligen. Trotzdem gingen lediglich 532 Entwürfe ein, die alle formalen Kriterien erfüllten.

Diese Entwürfe fand die 19-köpfige Jury um Kulturstaatsminister Bernd Neumann angeblich allesamt so unzureichend, dass sie den Wettbewerb vorige Woche abbrach. Nun werden sie bis 31. Mai im Kronprinzenpalais unter den Linden ausgestellt und sind zudem im Internet einsehbar - allerdings in sehr schlechter Qualität und über eine noch schlechter programmierte Website.

Gegenüber mehreren Tageszeitungen sprachen Jurymitglieder vorab von "komplettem Schrott" und einem "verheerenden" Gesamteindruck. Man erwartete deshalb Sachen, wie sie Homer Simpson als Autodesigner entwarf. Tatsächlich kommt jedoch die ganz überwiegende Zahl der Entwürfe nicht von Außenseitern, sondern von professionellen Künstlern, Designern, Architekten oder anderen Personen und Firmen aus dem Gewerbe. Auch ein Entwurf der Architekten des Bundeskanzleramts, Axel Schultes und Charlotte Frank, ist zu sehen: Ein bedrohlich aussehender bronzener Apfelbaum, der ein "Symbol der Hoffnung" sein soll. Denn, so die Künstler, "gibt es ein friedlicheres Lebewesen unter der Sonne als einen Baum?"

Vieles ist Standard-Kunst-am-Bau, wie etwa der Entwurf von Udo P. Hartmann vom Atelier "Wir ' Design Art - § Umwelt '" aus Hilders oder die drei tanzenden Männchen in den Nationalfarben, die aussehen wie ein drittklassiges Amts- oder Eventlogo. Bei zahlreichen Beiträgen drängt sich zudem der Eindruck auf, dass sie von Leuten kommen, die sich grundsätzlich an jedem Wettbewerb beteiligen und zu jedem Thema das gleiche "Meisterwerk" einreichen. Beispiel dafür wären die Frau auf einem Pferd von Jiri Grabmueller, der Bohrturm von Tobias Gereon Gerstner und Meike Burgsmüller oder ein gefühltes Dutzend Kugeln.

Sehr beliebt waren auch gigantische Schleifen, wie die der Firma Graft, die wahrscheinlich so groß sein müssen, damit sie nicht von Altmetallsammlern mitgenommen werden. Gleich mehrfach eingesandt wurden außerdem riesige Buchstaben, mit denen Wörter wie "Freiheit" und "Einheit" geformt werden. Eine ganze Reihe von Entwürfen sieht aus wie eine Art Pseudo-Stonehenge, lediglich ein begehbares, gläsernes "T" des Münchners Christian Gürtler erinnert eher an einen Monolithen aus dem frühneolithischen Göbekli Tepe. Der Rest wirkt teilweise wie von Albert Speer entworfen (zum Beispiel die Adlersäule von Sergey Eylanbekov) oder wie der Bauplan zu einem CO2-Speicher.

Schlecht oder politisch nicht gewollt?

Die meisten Entwürfe sind langweilig - aber ist das nicht auch bei anderen Wettbewerben so? Zumindest hat man diesen Eindruck, wenn man sich ansieht, was tatsächlich als Kunst am Bau und sonstwo verwirklicht wird: Gerade Ministerien, Banken und Sparkassen geben gerne besonders gesichtslose Monumente in Auftrag. Im Vergleich dazu gibt es durchaus Interessantes unter den Entwürfen, wie etwa die "Blechtrommlerin" (eine Nachempfindung der New Yorker Freiheitsstatue, die einen Zauberwürfel in den deutschen Nationalfarben in Händen hält) oder Jan Vermehrs durchaus appetitlich präsentierter Vorschlag ein "Cafe Deutschland" zu bauen, das am Nationalfeiertag kostenlos Kuchen serviert.

Allerdings wurden genau diese interessanteren Werke in den Feuilletons als Beispiele für "offensichtlichen" Unsinn geschildert. Doch warum sollte beispielsweise die Idee des Berliners H.-J. König, das Geld für das Denkmal anzulegen und aus den Erträgen eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu finanzieren, "erkennbar nicht ernst gemeint" sein?

Auch angesichts der Besetzung der Jury drängt sich eher der Eindruck auf, dass viele Entwürfe nur deshalb scheiterten, weil sie politisch nicht gewünscht waren. So ließ sich beispielsweise die riesige Banane des Künstlers Hanns Malte Meyer sehr leicht als Kommentar auf übertriebene und teure Denkmalssucht lesen - vor allem auch, weil der gegenüber geplante Rokokoschloss-Neubau von vielen Berlinern bereits als Mahnmahl größenwahnsinniger Geldverschwendung gesehen wird.

Auch die mehrfach eingereichten gigantischen goldenen Ringe bieten relativ klare Konnotationen, die möglicherweise von den Auftraggebern nicht erwünscht sind: "Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden". Geknechtet wirkt auch Björn Kerns Mann, der in einem Einkaufswagen eine schwarze, eine rote und eine goldene Kugel schiebt. Unklar ist an diesem Entwurf allerdings, wie das Baumarkts-Preisschild "14,99 Mio. Euro" und das grafische Spiel mit den Wörtern "Freiheit", "Einheit", "Freikauf" und "Einkauf" umgesetzt werden sollen.

Ganz im Gegensatz zur Jury scheint sich die Öffentlichkeit im Web und anderswo durchaus auf einen Favoriten geeinigt zu haben: Wolfgang Stracks Schlümpfe darf man mittlerweile wohl als das "Denkmal der Herzen" bezeichnen. Das Diorama des Hamburger Kunsthistorikers, der bereits auf der Documenta 1992 Schlümpfe ausstellte, erregte schon jetzt mehr Aufsehen, als die meisten anderen von der öffentlichen Hand bezahlten Skulpturen in Deutschland.

Stracks Entwurf ist eine Art demokratisierter, naiverer Kippenberger, den sich die Gutachter vielleicht auch deshalb nicht zu nehmen trauten, weil er ohnehin absehbar an der Politik gescheitert wäre. Oder lag es daran, dass der Bau dieses Denkmals gar nicht möglich ist, weil sich jederzeit Rechteinhaber melden und Unsummen oder den Abriss fordern könnten, wie aktuell ein Fall mit Playmobil-Bibelszenen zeigt? Hier hätte man über das Denkmal hinaus nützliche Abhilfe schaffen können, wenn man vor der Errichtung ein paar kunsthemmende Verbotsinstrumente aus dem Urheber- und dem Markenrecht auf ein vernünftiges Maß beschränkt hätte. Doch ob das politisch gewollt ist - gerade von Kulturstaatsminister Neumann? Zudem beansprucht auch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) forsch ein allgemeines "Copyright" unter den Entwürfen im Web. Nach Auskunft der Behörde mussten die Künstler mit der Einreichung automatisch ein exklusives Erstveröffentlichungsrecht an das Amt abtreten. Ein Honorar dafür erhalten sie nicht.

Neustart "auf Einladung"?

Während die Presse bereits durchgängig von einem zweiten Wettbewerb spricht, zu dem nur eingeladene Künstler einreichen dürfen, bestritt Andreas Kübler vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), das hier bereits Entscheidungen gefallen seien. Sowohl die Weiterführung des Wettbewerbes als auch Änderungen seien möglich, aber "völlig offen".

Der Gedanke, dass es eventuell angemessener wäre, statt der Künstler die Jury auszuwechseln, brach sich bei einem Festakt zur Eröffnung der Ausstellung bahn, als Neumann und andere Sprecher ausgelacht und ausgepfiffen wurden. Unter anderem machte das zahlreich erschienene und offenbar auch aus Beiträgern und deren Sympathisanten bestehende Publikum seinen Ärger darüber Luft, dass die Jury dem Protokoll des Preisgerichts nach jeden Entwurf im Durchschnitt nur 66 Sekunden lang in Augenschein nahm. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse gab sogar zu, das viele Entwürfe bloß von jeweils einem Juror angesehen wurden. Angeblich verkürzte man die Auswahl mittels eines "Schnellverfahrens" auf 130 Arbeiten, die dann mittels eines Beamers diskutiert wurden. Warum man sich dafür nicht mehr Zeit nahm, blieb bisher weitgehend offen.