Einwanderung als "Wunderwaffe" gegen den demographischen Wandel und für abgehängte Regionen?

Seite 2: Wohin wollen Einwanderer?

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Bekanntermaßen immigrieren die meisten Ausländer in einige große Ballungsgebiete und Großstädte in Deutschland, wo der Ausländeranteil folglich auch am höchsten ist.

Auch im Ergebnis der erwähnten Befragung kristallisierten sich bei der Frage nach den präferierten Wohnorten in Deutschland als Hotspots vor allem Großstädte und Ballungsräume heraus, zu zuallererst Hamburg, das Ruhrgebiet, München sowie Berlin - aber auch weniger städtische, jedoch strukturstarke Gegenden wie in Bayern oder Baden-Württemberg. Die strukturschwächeren Regionen fielen deutlich ab.

Das Ergebnis auf die Frage aber "Wenn ich mich an einem Ort ansiedele, sollten möglichst viele Menschen meiner Kultur, Religion, Nationalität oder Herkunft schon vor Ort sein" fiel in der Befragung überraschend aus: Dies sei "sehr wichtig" gaben nur 3% der Befragten an und "wichtig" 14%. Die große Mehrheit der befragten Ausländer war der Meinung, dass die Konzentration von Menschen der eigenen Kultur/Religion/Nationalität/Herkunft keine wichtige Rolle bei der Wahl des Wohnorts spiele ("weniger wichtig", "unwichtig" und "neutral" zusammen 83%).

Das Ergebnis ist überraschend, zumal in der migrationswissenschaftlichen Literatur meist davon ausgegangen wird, dass Einwanderer in verschiedenen Ländern stets Stadtteile oder Orte als präferierte Wohnorte auswählen, in denen bereits Menschen der eigenen Herkunft ansässig sind (Schlagworte sind hier Migrationsnetzwerke, Sozialkapital usw.).

Um nun eine Lösung zu finden, wie sich Einwanderer besser in der Fläche des Raumes verteilen, um damit demographische Probleme anzugehen, soll nun diskutiert werden, wie Anreizsysteme eingeführt werden könnten, die auf Freiwilligkeit beruhen. Als Grundlage für solche Anreizsysteme gilt es aber zunächst herauszufinden, was Menschen, die nach Deutschland auswandern, überhaupt für Wünsche und Vorstellungen haben; welche Wohn- und Lebensbedürfnisse sie haben.

Hintergrund dieser Frage im Fragebogen war zu überprüfen, ob potentiell eine Bereitschaft besteht, sich in geographischen Räumen anzusiedeln, die ethnisch stark von der eigenen Herkunft abweichen oder sogar "rein deutsch" geprägt sind.

In der Befragung haben sich drei zentrale thematische Blöcke von Beweggründen herauskristallisiert, die als besonders wichtig angesehen werden, wenn es um die Wahl des Wohnorts geht:

1. Nähe zu Arbeitsplätzen und Urbanität

2. Nähe zur Schönheit der Natur sowie bestimmten präferierten Landschaftstypen und

3. die Nähe zu bestimmten Menschen des persönlichen Umfelds.

Für einige war darüber hinaus auch die Lage innerhalb des Landes und die Erreichbarkeit von Nachbarländern wichtig. Im Großen und Ganzen bestätigte sich das auch durch den Einsatz einer Karte eines fiktiven Landes, auf der die Einwanderer auswählen sollten, wo (und weshalb) sie am liebsten leben würden, wenn dies ein reales Einwanderungsland wäre:

Ergänzend wurde auch mit einer Karte ganz konkret nach präferierte Regionen und Entscheidungskriterien im real existierenden Einwanderungsland Deutschland gefragt. Hier fiel das Ergebnis ähnlich aus.

Eine zweite Möglichkeit zu überprüfen, welche Regionen oder Orte Einwanderer als attraktive potentielle Wohnorte ansehen, ist das Zeigen von Fotos, die aber mit keinen weiteren Erklärungen zur geographischen Lage oder dem Namen des gezeigten Ortes versehen sind. Konkret sah das Ergebnis von solchen Fragen im Fragebogen dann so aus (hier beispielhaft für zwei von 14 Orten im Fragebogen):

Wenn man die Einwanderer nun nach mehreren solchen Ortsbildern befragt, kann man ganz grob herausfinden, was sie für individuelle Präferenzen haben, ob sie also eher Urbanität und Städtischkeit bevorzugen, oder eher Ländlichkeit und Naturnähe.

Ob sie als Stadtbild eher eine moderne oder traditionelle Anmutung bevorzugen; sie z.B. eher Altbau oder eher eine rationelle Bauweise als lebenswert betrachten. Über solche Kategorien hinaus kann man natürlich aber ganz banal nach der Nähe zu Landschaftstypen fragen: Ob also eher Flach- oder Bergland bevorzugt wird, das Leben an Gewässern, am Meer usw.

In einem nächsten Schritt können dann verschiedene Kategorien auf alle diese Fotos unterschiedlicher Wohnumgebungen und Siedlungsdarstellungen angewendet werden, mit dem Ziel, Wohnorts- und Siedlungstypen kategorisieren zu können und damit eine individuelle Zuordnung von Einwanderern zu den jeweiligen Orten zu ermöglichen. Wie eine solche räumliche Kategorisierung aussehen könnte, ist in der folgenden Abbildung dargestellt:

Einwanderung auf Basis von Findungsdatenbanken und Heuristiken

Diese Kategorien sollen im weiteren Verlauf der Dissertation des Autors durch statistische und geodatenbasierte Methoden auf alle Landkreise und Gemeinden in Deutschland übertragen werden, um zu untersuchen, wie eine individuelle räumliche Zuordnung dann praktisch möglich wäre.

Das bedeutet, dass man ein Merkmalprofil von allen Gemeinden auf Grundlage einer Geodatenanalyse und vorhandenen Statistiken von staatlichen Stellen erstellen kann. Und ein individuelles Profil, das auf dem Ergebnis eines Fragebogens beruht, kann nun mit einer solchen Datenbank abgeglichen werden, um die größtmögliche Ähnlichkeit, also eine passende Gemeinde zu finden.

Es wäre hier natürlich essentiell, dass der Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte strikt eingehalten werden, wenn es um die Abfrage individueller Präferenzen geht. Das muss die Grundprämisse sein, um überhaupt weiter über dieses Thema nachzudenken.

Hier nun ein Diagramm zur Veranschaulichung, wie so etwas prinzipiell funktionieren könnte:

Links angefangen würde hier unter [1] ein allgemeiner Einwanderer-Fragebogen stehen, in dem anonymisiert Rahmendaten abgefragt werden - wie Qualifikation, Werte, Fertigkeiten usw. Nach der Auswahl eines Kontingents von Einwanderern, möglichst breit gestreuter Herkunft [2] würden dann die Immigranten die kommen, einen Fragebogen zu ihren geographischen Präferenzen ausfüllen [3].

Im Hintergrund für eine solchen Datenbank für Anreizsysteme sollten neben den beschriebenen geographischen Indikatoren (z.B. Nähe zum Meer, Flachland) auch grundlegende statistische Daten für die Zielregionen in Deutschland zugrunde gelegt werden, wie demographische Entwicklung, Wohnungsbestände, Leerstand usw..

Nach Auswahl der individuell als interessant angesehenen Anreizsysteme für die Wahl bestimmter Wohnstandorte [4] (zunehmend attraktiver werdend, je peripherer ein potentieller Wohnstandort ist), würde dann eine Empfehlung für mehrere Orte ausgegeben werden - mit Beschreibung der konkreten Vorteile für die Wahl dieser einzelnen Wohnstandorte [5]. Eine Empfehlung, die aber nicht zwingend angenommen werden muss.

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