Einwanderung als "Wunderwaffe" gegen den demographischen Wandel und für abgehängte Regionen?

Seite 4: Chauvinismus und Materialismus

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Unter denjenigen Befragten, die angaben, dass viel Geld zu verdienen für sie wichtig sei, war der Anteil derjenigen geringer, die sich positiv gegenüber den vorgeschlagenen Anreizsystemen äußerte. Auch war unter den "Geldorientierten" der Anteil geringer, der sagte, es sei ihnen wichtig, die "Welt zu verändern/verbessern".

Dieses Ergebnis zeigt, dass es zumindest eine gewisse Tendenz zwischen materialistischen Haltungen gibt, die altruistischen entgegenstehen. Ebenso besteht ein leichter bis mittlerer Zusammenhang zwischen der Frage nach dem Geldverdienen und der Frage, ob sich die "Wohnumgebung aus Menschen unterschiedlicher Kulturen und/oder Religionen zusammensetzen" sollte.

Eine materialistische Haltung korreliert hier offenbar auch mit chauvinistischen und antipluralistischen Sichtweisen. Andersherum war die Gruppe derer, die es wichtig fanden, die "Welt zu verändern/verbessern", zu einem größeren Anteil damit einverstanden war, dass die Ansiedlung von Ausländern in ihre Wohnumgebung hinein stattfindet.

Warum können solche Mentalitätstests wichtig sein? Eine materialistische Motivation und an Geld orientierte Lebensziele gehen in vielen Fällen einher mit einem hohen Ressourcenverbrauch, Bestrebungen, Statussymbole zu besitzen usw. Die knappen Ressourcen insbesondere in ländlich/peripheren Räumen könnte dem aber entgegenstehen.

Infolge etwa eines deutlich niedrigeren Lohnniveaus in solchen Regionen. Folglich wird auch die Lebenszufriedenheit von Menschen, die bei dieser Frage "wichtig" oder gar "sehr wichtig" angeben, in solchen Regionen geringer sein. Dies wiederum steht einer langfristig angelegten Ansiedlungsförderung entgegen.

Eine Schlussfolgerung daraus könnte sein, dass Anreizsysteme somit stärker auf diejenigen Menschen abzielen sollten, die weniger Wert auf Geld legen, denn es ist davon auszugehen, dass sie entsprechend weniger darauf schielen dürften, etwa nach Auslaufen von Förderzeiträumen, in einen Ballungsraum umzuziehen.

Anreizsysteme für Dezentralität von Einwanderung

Die folgende Tabelle zeigt, wie hoch in der Befragung die Akzeptanz für unterschiedliche Anreizsysteme für Einwanderer war, in ländlich/periphere Regionen zu ziehen.

Zum einen war das die Frage, ob man bereit wäre, gemeinsam mit Deutschen und Ausländern leer stehende Häuser oder Wohnungen zu sanieren und diese dann selbst zu beziehen, wenn der Staat für die Kosten aufkäme. Gegen ein vergünstigtes oder kostenloses Wohnrecht in diesen Gebäuden.

Das zweite vorgeschlagene Anreizsystem bezog sich auf simple finanzielle Anreize, etwa eine reduzierte Besteuerung für Menschen, die sich bereit erklären, ihren Wohnort in bestimmten Regionen zu wählen. Die ausländischen Befragten wurden zudem noch gefragt, ob als Anreiz ein Familiennachzug (nur interessant für einen Teil der Geflüchteten) bei einer solchen Wohnortswahl oder eine Arbeitsplatzgarantie attraktive Anreizsysteme wären. Die Ergebnisse sind in dieser Tabelle zusammengefasst:

Vorschlag für Anreizsystem Akzeptanz ländlich/peripher Lebende* Akzeptanz Einwanderer
Leerstand und Sanierung 76% 52%
Steuerliche / finanzielle Anreize 61% 54%
Familiennachzug - 52%
Arbeitsplatzgarantie - 71%
*Nennungen von "interessant" und "sehr interessant" zusammen genommen. Ohne die Nennung von "Neutral", "weniger interessant" und "uninteressant".

Es zeigt sich bei den Ergebnissen aus beiden Befragungen insgesamt eine größere Offenheit als Ablehnung gegenüber allen vorgeschlagenen Anreizmöglichkeiten. Auch ist festzustellen, dass die Zustimmungswerte unter den ländlich/peripher lebenden Befragten für konkrete Anreizmöglichkeiten insgesamt höher ist, als unter den befragten Ausländern in Deutschland. Aber auch bei den befragten Einwanderern fanden 87% mindestens eines der vorgeschlagenen Anreizsysteme interessant.

Insgesamt ist offenbar eine große Bereitschaft vorhanden, innovative, neue Möglichkeiten der gezielten Ansiedlungsförderung in den genannten Räumen auszuprobieren und anzugehen. Auch die in den Fragen enthaltene Vorgabe, dass eingewanderte Ausländer gemeinsam mit der bereits hier lebenden, deutschen Bevölkerung Förderungen erhalten sollen, wurde in den Antworten des an die ländlich/peripher lebenden Personen gerichtete Fragebogens kaum widersprochen.

Bei der etwas differenzierteren Betrachtung wird deutlich, dass unterschiedliche vorgeschlagene Anreizsysteme aus verschiedenen Gründen nur bei einem Teil der Befragten positiv angesehen wurden. Z.B. ein Familiennachzug ist naturgemäß nicht für alle Personen der Zielgruppe eingewanderter Ausländer relevant, zumal einige bereits mit ihrer Familie eingereist sind oder sie keine Familie haben.

In den Antworten der Fragebögen wurde an verschiedenen Stellen zudem hervorgehoben, dass die Infrastruktur und die allgemeinen Bedingungen vor Ort mindestens ebenso wichtig seien, wie eine Förderung allein - vor allem wenn sie "nur" finanzieller Natur sei.

Wie geht es nun weiter?

Weitere Themen, die nun näher untersucht werden müssen, sind etwa die Frage, wie man eine große Anzahl von Immigranten langfristig in die Arbeitsmärkte und die gesellschaftlichen Zusammenhänge im ländlichen Raum integrieren könnte. Bzw. wie überhaupt neue Arbeitsplätze entstehen können. Weiter zu prüfen ist, wie denn in den Zielregionen durch Zuzug von außen eine gesellschaftliche und ökonomischen Dynamik entstehen kann, so dass solche Konzepte in der Realität langfristig tragfähig umgesetzt werden können.

Zu berücksichtigen ist hierbei auch etwa der Umstand, dass bei der Diskussion über das Thema bisher vor allem die ländlichen Räume im Vordergrund standen und weniger die strukturell benachteiligten Regionen, wie altindustrielle Klein- und Mittelstädte in peripheren Lagen. Obwohl die Potentiale hier sicherlich höher sind, als in agrarisch geprägten, ländlichen Räumen.

Auffällig an der Auswertung der Fragebögen war, dass entgegen der Annahme des Autors, in ländlichen und abgelegenen Regionen handele es sich um Räume mit vergleichsweise hoher xenophober und oder ausländerfeindlicher Tendenz, ablehnende Haltungen für eine Ansiedlungsförderung für eingewanderte Ausländer, zumindest unter den Befragten, klar in der Minderheit waren und sich auch in den Kommentaren so gut wie keine rechtsextremen Aussagen fanden.

Weitere Untersuchungsschritte werden sein, die Akzeptanz unter die Lupe zu nehmen, etwa die Frage, wie nicht nur die zugezogenen Einwanderer, sondern ebenfalls die bereits vor Ort lebenden Einwohner von Ansiedlungs-Förderprogrammen profitieren können, so dass keine Ungerechtigkeiten und damit vermeidbare Konfliktpotentiale entstehen. Dreh- und Angelpunkte werden hier sicherlich zum einen die Einbeziehung der Bevölkerung vor Ort - und zum anderen eine ausreichende Bereitstellung von Mitteln im Rahmen eines intelligenten Programms sein, das mit einem langen Atem über einen Zeitraum von mehr als einen Vierjahres-Zyklus verfolgt wird.

Im Rahmen der Dissertation gilt es weiter zu untersuchen und zu quantifizieren, wie hoch der volkswirtschaftliche "Gewinn" durch eine durchdachte dezentrale Einwanderungspolitik für einige Modellregionen oder insgesamt wäre. Konkreter soll so für einige Gemeinden oder Städte geschaut werden, welche Effekte eine Ansiedlung von sagen wir einem Kontingent von Einwanderern hätte, der einen relevanten Anteil der Bevölkerung ausmachen würde (z.B. 10% auf einen Schlag). Und welche Infrastruktur in welchem Umfang in dem Zuge ausgebaut oder neu aufgebaut werden müsste.

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