Eiskaltes Versteckspiel: Russlands verzweifelter Versuch, sein LNG zu verkaufen
Russland nutzt globales Netzwerk, um Energiesanktionen zu umgehen. Im Zentrum steht eine Schattenflotte mit ausgeklügelten Methoden. Das Versteckspiel birgt Risiken.
In einer unscheinbaren Wohnung am Rande von Mumbai spielt sich ein faszinierendes Schauspiel ab: Hinter Kinderspielzeug und schlichter Einrichtung verbirgt sich ein Knotenpunkt in Russlands Bemühungen, die westlichen Energiesanktionen zu umgehen.
Die Wohnung dient laut Bloomberg als Adresse für Ocean Speedstar Solutions, eine Firma, die eine Schlüsselrolle in Russlands verdecktem LNG-Handel spielt. Der Bewohner, ein Fotojournalist ohne Erfahrung in der Energiebranche, sei unwissentlich Teil eines globalen Netzwerks geworden, das von Dubai über Indien bis nach China reiche. Er hatte sich von einem Freund überreden lassen, sich als alleiniger Direktor der Firma im indischen Register eintragen zu lassen.
Putins Arctic LNG 2: Ein 21-Milliarden-Dollar-Prestigeprojekt unter Druck
Dieses Netzwerk hat ein klares Ziel: den Export von Flüssiggas aus der 21 Milliarden US-Dollar teuren Anlage Arctic LNG 2 zu sichern – ein Prestigeprojekt des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
"Komplizieren, verwirren und verzögern", beschreibt Kjell Eikland, ein erfahrener Branchenexperte, die russische Strategie gegenüber Bloomberg. Das Land hat ein Netzwerk von Kontakten und Firmen aufgebaut, um den Handel trotz Sanktionen am Laufen zu halten.
Im Zentrum steht eine Schattenflotte von Öltankern, die mit ausgeklügelten Methoden operiert. Satellitenbilder und Schiffsverfolgungsdaten zeigen, wie diese Schiffe ihre Position fälschen und wie Geisterschiffe durch die Arktis gleiten.
Ein Beispiel ist der Tanker "Pioneer". Nach offiziellen Angaben kreuzte er vor der norwegischen Küste. Tatsächlich befand er sich aber in der Nähe der Arctic LNG 2-Anlage, wie Satellitenbilder belegen. Dieses sogenannte "Spoofing" ist typisch für die Schattenflotte.
Wettlauf gegen die Zeit: Russlands LNG-Exporte vor Herausforderungen
Im Hintergrund agieren Firmen wie Nur Global Shipping aus Dubai, die alte Tanker zu überhöhten Preisen aufkaufen. Die Schiffe werden dann an Firmen wie Ocean Speedstar weitergegeben, deren Büros oft leer stehen.
Doch das Versteckspiel ist riskant: Neben den drohenden US-Sanktionen drängt auch die Zeit. Die Schattenflotte ist nur noch bis Oktober eistauglich – danach wird die Durchfahrt unmöglich. Russland versucht eilig, eigene Eisbrecher zu beschaffen, doch ob das rechtzeitig gelingt, ist fraglich. Auch potenzielle Käufer scheuen trotz Preisnachlässen von 40 Prozent das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen, da viele auch LNG aus den USA beziehen.
Dennoch treibt Putin das Projekt unbeirrt voran. Erst kürzlich bekräftigte er seine Entschlossenheit, das LNG-Geschäft trotz aller Schwierigkeiten auszubauen. Für potenzielle Abnehmer wie China und Indien hat das verschleierte System Vorteile: Sie können russisches LNG importieren, ohne offen gegen Sanktionen zu verstoßen.