Ekstase mit Bestellschein

Die PS2-Launchparty

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Es gibt Sylvester, es gibt Geburtstage und vielleicht auch noch die Geisterstunde, wenn um Mitternacht alles ganz anders wird. Und dann wäre da noch der Verkaufsstart der Sony-Videospielkonsole PlayStation 2 (PS2), die sich jetzt "Computer Entertainment System" nennt und wie die Rückkehr des Messias angepriesen wist. Der Spiegel titelt "Maschine mit Gefühl" und auch sonst ist sich die Presse ganz sicher, dass die "Wunderkonsole" (Zitat Tomorrow) unser Leben in ganz neue multimediale Gefilde steuern wird. Oder ist das schmale schwarze Etwas eher eine "Fantasie-Prothese", wie der Tagesspiegel erkannt haben will?

Launch mit Heimvorteil im Sony Center Berlin

Um den Verkaufsstart gebührend zu feiern, lud Sony zur Nachtstunde in den Sony Style Store, der auf vier Etagen inmitten des Berliner Sony Centers am Potsdamer Platz als Produktmuseum mit Kaufgarantie funktioniert. Während die geladenen Pressevertreter in der benachbarten Bar ihren Standortvorteil in flüssiger und fester Nahrungsform ausnutzen, wird im Innenraum des Sony Centers ein großer weißer Plakatturm mit Spielszenen der neuen Games angestrahlt. Abwechselnd dazu läuft auch der neue von David Lynch gedrehte PS2-Werbespot, in denen Fische aus Mündern kommen. Thema des Spot, ganz frei aus dem bunten Universum der Eventbegriffe geangelt: The Third Place.

Während dieser dritte Ort bei David Lynch in bester Eraserhead-Manier nicht zu definieren ist, hat die Promoagentur einen weißen Baldachin vor dem Eingang des Style Store zum "Third Place" erkoren. An den Seiten, flankiert von Testkonsolen, daddeln leicht erregte Jugendliche an Starttiteln wie "Tekken Tag Tournament" oder "Fantavision". Die Countdownuhr über dem Eingang zählt indes herunter und ein Fernsehmoderator schnappt sich die drei Gewinner eines Radiowettbewerbes, bei dem es die PS2 mit persönlichem Einsatz zu gewinnen galt. Robert Francis lief dafür im Supermannkostüm über den Kuhdamm, während eine gewisse Ilona Kabetz sich das PlayStation-Logo auf den Allerwertesten tättowieren ließ. Das nennt man Zuneigung...

Gerfagt: Kids, die Journalisten von ihren "Gefühlen" beim Erhalt der PS2 berichten

Um 12 Uhr schließlich fällt der Vorhang, Nebelkanonen befüttern den "Third Place" und Sony-Geschäftsführer Manfred Gerdes darf in Siegerpose dem ersten Käufer zu dem Erwerb der 869DM-Konsole gratulieren. Es folgt leichte Rangelei um den vermeintlichen Glücksritter, während weitere Anwärter mit den Quittungen der "Be1ST_On_2"-Vorverkaufsaktion heranströmen. Zusammen mit einem Wunschspiel dann die blitzlichtgeschwängerte Übergabe. Kaum hatten die glücklichen Neubesitzer ihre blaue Schachtel in der Hand, warteten weniger Meter weiter schon die ersten Kameras, um die ersten Gefühlsregungen einzufangen. Der Reporter der Berliner Zeitung (BZ) fragt ganz investigativ: "Na wie ist das jetzt so, diese neue PlayStation in der Hand zu halten?" Sein Opfer heißt Oliver Kirste, hat seine Freundin im Schlepptau (ist auch ganz glücklich) und will von der BZ am besten gar nicht wissen. "Ich kann Ihnen da gar nichts sagen, weil eigentlich bin ich krank geschrieben und mein Chef darf davon gar nichts wissen!"

Die unauffällige Vermehrung blauer Schachteln

Die Medienwelle rollt gleich weiter. Heiner Bremer vom RTL-Nachtjournal kämpft kurz nach 12 mit dem Wort PlayStation, vernuschelt die Anmoderation zu den top-aktuellen Bildern von glücklichen PS2-Käufern. Dabei erzählt der Bericht etwas von drei Spielen, die inklusive der Konsole enthalten wären. Missinformation in bester Ausführung. Auch zum Thema Onlinezugang scheinen manche Journalisten ihre Hausaufgaben nicht ganz gemacht zu haben: Der Tagesspiegel lässt seine Leser auf der Berlin-Seite davon wissen, dass die PS2 "mit einem Modem gratis Internet-Bilder auf dem Fernseher empfangen kann!" Mehr Mühe gab sich am Vorabend das Pro-7-Magazin Galileo, das immerhin neuartige Spiegelreflexionen in "Ridge Racer 5" erkannte.

Ernüchterung vor dem Spieleregal: nur 11 der versprochenen 33 Starttitel sind derzeit erhältlich

Ein doch recht anderes Bild zeigt sich am heutigen Morgen um kurz vor zehn Uhr im Saturn Kaufhaus am Alexander Platz. Der unter dem Motto "Battle Hard 2" angekündigte Verkaufstart der PS2 ist eher ein leichtes Unterfangen: Bemühte Azubi-Verkäufer stapeln die ersten Geräte von der Palette ins Regal und an einer schmalen blauen Verkaufswand hängen die ersten 11 der versprochenen 33 Starttitel. Warum 22 Mal Fehlanzeige herrscht, kann Verkaufsleiter Jens Krause auch nicht sagen. Drei weitere Electronic Arts-Sporttitel kämen in den nächsten Tagen, aber mehr sei ihm nicht bekannt. Dabei sind Games wie "Silent Scope" oder "Ready 2 Rumble 2" auch für die Dreamcast erhältlich und noch nicht einmal exklusive PS2-Titel.