Elektrischer Stuhl: Als der Tod modern werden sollte

Altes Foto vpm eletrischen Stuhl "OldSparky" in Gebrauch von 1926 bis 48

"Old Sparky". Elektrischer Stuhl im Bundesstaat Arkansas, USA. Bild: www.adc.arkansas.gov

Humanität, Strom und Fortschritt: Ein Zahnarzt aus Buffalo hatte 1881 eine vermeintlich humane Idee. Was folgte, war ein grausames Kapitel der Geschichte.

1924 markiert ein wichtiges Datum in der Geschichte des elektrischen Stuhls. In diesem Jahr wurde der erste elektrische Stuhl in Texas, bekannt als "Old Sparky", von einem zum Tode verurteilten Häftling gebaut und in Betrieb genommen. Diese Entwicklung markierte einen bedeutenden Schritt in der Verwendung des elektrischen Stuhls als Methode der Hinrichtung in den USA.

Die Elektrokution wurde vom Zahnarzt Dr. Alfred Southwick aus Buffalo erfunden, der eine humanere Hinrichtungsmethode propagieren wollte und sich zur Durchsetzung seiner Idee den Widerstreit zwischen den Verfechtern von Gleich- und Wechselstrom zunutze machte.

Die Geschichte staatlichen Tötens definiert sich als eine Geschichte moderner Errungenschaften. So galt auch die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl einst als ein Zeichen der modernen Zivilisation. Die New York Times schwärmte damals sogar von einer humanen Sterbehilfe durch Elektrizität, die sicher, sanft und schmerzlos sei.

Nach über 130 Jahren erlauben die Gesetze einiger US-Staaten noch immer Hinrichtungen auf dem elektrischen Stuhl, zuletzt am 20. Februar 2020 in Tennessee.

Vom Unfall zur Hinrichtungsmethode

Dr. Alfred Southwick war 1881 zufällig Zeuge, wie ein betrunkener Mann einen elektrischen Generator berührte und danach starb. Derartige Unfälle waren zu Zeiten der Einführung der Elektrizität durchaus an der Tagesordnung.

Ein tödlicher Stromschlag erschien dem Arzt als schneller und relativ schmerzloser Tod, zumindest verglichen mit alternativen Hinrichtungsmethoden wie dem Erhängen. Deshalb begann Southwick, sich für diese Hinrichtungsmethode starkzumachen.

Medizinischer Fortschrittsglaube und Profilierung als Humanisten

Da Southwick nicht über das elektrotechnische Fachwissen für die Entwicklung eines sicher erscheinenden elektrischen Stuhls verfügte, wurde der elektrische Stuhl schließlich von Mitarbeitern des Glühbirnen-Erfinders Thomas Alva Edison entwickelt.

Man hatte in diesem Zusammenhang im Labor von Thomas A. Edison zahlreiche Versuche mit Gleich- und Wechselstrom an Hunden, Pferden und Kälbern durchgeführt und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse praktische Empfehlungen für die Umsetzung der elektrischen Hinrichtung gegeben.

Die öffentliche Exekution eines Neufundländers im Juli 1888 sorgte für blankes Entsetzen in der Presse, weil der Hund zunächst mit Gleichstrom malträtiert wurde, woraufhin er grässliche Schmerzen erlitt, aber noch nicht starb.

Durchgeführt wurden die Experimente von dem Edison-Vertrauten Harold P. Brown und dem Psychiater Frederick Peterson, die seither, gemeinsam mit dem Ideengeber Southwick, als Erfinder des elektrischen Stuhls gelten.

Die Elektrizität wurde damals nicht nur als legales Instrument der staatlichen Strafverfolgung eingesetzt, sondern auch in der psychiatrischen Elektrotherapie.

So diente die Elektrizität als Mittel gegen psychische Auffälligkeit. Stromstöße von beinah tödlicher, jedenfalls hochgradig schmerzhafter Qualität wurden etwa Melancholikern zur Heilung von ihren Depressionen verabreicht und trinkenden Landstreichern zur Beseitigung ihrer Aggressionen.

Die Entwicklung der elektrischen Tötungsmaschine erfolgte somit in einem Zusammenspiel aus medizinischem Fortschrittsglauben, dem Wunsch politischer Akteure, sich als Humanisten profilieren zu können sowie aus unternehmerischem Gewinnstreben im Systemstreit zwischen Gleich- und Wechselstrom.

Hinrichtung sollte perfektioniert werden

Die neuartige Hinrichtungsmethode schien die Verantwortlichen zu überzeugen und so beschloss die gesetzgebende Versammlung des Staates New York im Jahre 1888 mit 87 zu acht Stimmen, die elektrische Hinrichtung einzuführen. David B. Hill, seit 1885 Gouverneur von New York, war daran gelegen, den Strafvollzug zu modernisieren, wohl auch um seinen Fortschrittsgeist als Politiker der Demokratischen Partei zu illustrieren.

Thomas A. Edison war einer der führenden Verfechter der Elektrifizierung und bevorzugte die Gleichstromtechnik. Das Geschäft von George Westinghouse, dem anderen großen Elektrounternehmer der Anfangsjahre der Elektrizität, beruhte auf Wechselstrom.

Edison nutzte die Gelegenheit, sein Gleichstromsystem als das weniger gefährliche zu propagieren, konnte sich bei der Elektrifizierung damals nicht durchsetzen. Erst heutzutage erscheint es aufgrund der Zunahme der auf Gleichstrom basierenden Solaranlagen sinnvoll, das Wechselstromnetz auf Gleichstrom umzustellen.

Premiere der Elektrokution

Am Morgen des 6. August 1890 erfolgte die erste Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl.

Eigens für dieses Ereignis hatte die Western Union ein temporäres Telegrafenamt am Bahnhof eröffnet. William Kemmler, der seine Lebensgefährtin im Rausch mit einer Axt erschlagen hatte, wurde verkabelt und bekam eine schwarze Maske über sein Gesicht gelegt.

Was den Verurteilten schneller und schmerzloser ins Jenseits schicken sollte, lief jedoch schon bei der Premiere gründlich schief. Der Stromerzeuger schien nicht reibungslos zu laufen und auf dem Gesicht des Hinzurichtenden zeigte sich Blut, das ihm wie Schweiß auf dem Gesicht stand, berichteten Zeitzeugen. Dennoch wurde auch danach in den USA Strom durch die Körper von Tausenden Menschen geleitet, bis sie starben.

Zur Vorbereitung der Hinrichtung werden zunächst der Kopf und ein Teil des Beins rasiert, um an beiden Stellen Elektroden anbringen zu können. Dann wird für etwa 30 Sekunden ein Stromstoß zwischen 500 und 2000 Volt durch den Körper geleitet. Wenn das Herz des Verurteilten dann noch schlägt, wird die Prozedur wiederholt.

Statt zu einer "euthanasia by electricity" zu kommen, wie es der humanistischen Idee der New Yorker Politiker entsprach, die den mittelalterlichen Galgen hatten abschaffen wollen, gerieten die ersten Hinrichtungen auf dem "elektrischen Stuhl" zu grausamen Inszenierungen der Staatsgewalt: Wiederholte Stromstöße waren vonnöten, verkochtes und verbranntes Fleisch die Folge, Tötungsgeräte fielen aus.

Die Öffentlichkeit erfuhr trotz einer eigens etablierten Maulkorb-Vorschrift durch empörte Zeitungsleute vom neuen Ritual des Tötens. Entsprechend wurde politisch nachgebessert, allerdings nur auf dem Gebiet der Rhetorik: Statt der Humanisierung sollte die Tötung durch Strom nun der besseren Abschreckung dienen.

Martin Rath, Legal Tribune Online

Nach gut 130 Jahren gilt die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl weder für die Politik noch für die Elektrizitätswirtschaft als hervorragendes Beispiel für Humanität und Modernität und kommt in manchen Bundesstaaten nur noch zur Anwendung, wenn es der Verurteilte wünscht.

Davon abgesehen gilt die Todesstrafe in zunehmendem Maße als Machtdemonstration und Rache-Instrument.