Elon Musk erklärt die Menschlichkeit zum Gegner der USA

Bild Elon Musk: KI-Generiert / Grafik: TP
Der reichste Mann der Welt sieht Empathie als Gefahr. Tesla-Chef fordert mehr Härte in der US-Politik. Was das über die Trump-Regierung sagt.
Soziale Empathie als Einfühlungsvermögen schien bisher eine Grundvoraussetzung menschlicher Kommunikation und eine zivilisatorische Leistung zu sein. Der Multimilliardär Elon Musk, Gründer von Tesla, SpaceX, Starlink und Neuralink, plädiert im Gegensatz hierzu für mehr rücksichtsloses Durchgreifen, um die US-Gesellschaft zu retten.
Mit Rücksichtslosigkeit zur Empathie
Elon Musk, bekannt für seine Innovationen in der Elektromobilität mit Tesla und in der Raumfahrt mit SpaceX, äußerte sich unlängst in einem Interview (28.2.25) u. a. zur destruktiven Rolle der Empathie in einer Gesellschaft – so Musk "Die grundlegende Schwäche der westlichen Zivilisation ist Empathie, die Ausbeutung von Empathie." Und weiter: "Dort wird ein Fehler in der westlichen Zivilisation ausgenutzt, nämlich die Empathie-Reaktion."
Zwar halte er Empathie im Allgemeinen für wichtig, aber die US-amerikanische Gesellschaft würde es mit der Empathie übertreiben und dies würde sie zerstören: "Wir haben es mit zivilisatorischer selbstmörderischer Empathie zu tun."
Wie aus seiner Sicht Empathie aussieht – so der US-amerikanische Journalist Zachary B. Wolf am 5.3.25 in CNN Politics – könne man an seinem Umgang mit Mitarbeitern bei Tesla, dem Vorreiter der Elektromobilität, X (ehemals Twitter) und SpaceX, dem führenden Unternehmen der privaten Raumfahrt mit dem Ziel der Besiedelung des Mars, erkennen, wo er autoritär herrsche und Mitarbeiter ohne Hemmungen im großen Stil feuere.
Musk, der auch mit seinen Innovationen wie Starlink, Neuralink, Hyperloop und SolarCity für Aufsehen sorgt, sei im Rahmen seiner gegenwärtigen Mission für die US-Regierung überzeugt, dass er Schaden für einzelne Gruppen in Kauf nehmen müsse, um die USA zu retten – so Wolf:
Musk, der Visionär hinter Tesla und SpaceX, sieht sich immer noch als Superheld, der Risiken eingeht; er erzählte (…) wiederholt von seiner Angst, getötet zu werden. Jetzt glaubt er, dass er nicht die Menschheit rettet, sondern die US-Regierung, indem er die Ausgaben um Milliarden Dollar kürzt, auch wenn dies Auswirkungen auf das tägliche Leben vieler Amerikaner hat – indem es sie ihre Arbeitsplätze kostet oder die staatlichen Dienstleistungen einschränkt.
Zachary B. Wolf
Empathie als zivilisatorische Leistung
Empathie soll hier als die kognitive, affektive und soziale Fähigkeit eines Menschen gesehen werden, sich in die Lage und die Perspektiven eines anderen Menschen hineinzuversetzen. Empathie ist eine grundlegende Qualifikation des Rollenhandelns und identitätsgeleiteter Kommunikation.
Der US-amerikanische Ökonom und Publizist Jeremy Rifkin sieht in der Empathie die herausragende zivilisatorische Leistung der Menschheit, die auch die Voraussetzung für die Unterstützung des gesellschaftlich schwächer Gestellten ist1:
Ein gesteigertes empathisches Empfinden ermöglicht es auch einer zunehmend individualisierten Bevölkerung, sich in stärker voneinander abhängigen, erweiterten und integrierten sozialen Organismen miteinander zu verbinden.
Dies ist der Prozess, der das kennzeichnet, was wir Zivilisation nennen. Zivilisation ist die Enttribalisierung von Blutsbanden und die Resozialisierung einzelner Individuen auf der Grundlage von Assoziationsbindungen. Empathische Erweiterung ist der psychologische Mechanismus, der die Konversion und den Übergang ermöglicht. Wenn wir sagen, zivilisieren, meinen wir empathisieren.
Jeremy Rifkin
Eine empathische Zivilisation
Empathie ist sicherlich eine zentrale psychosoziale Fähigkeit und eine grundlegende Voraussetzung menschlicher Zivilisation.
Das Einfühlungsvermögen in emotionaler und kognitiver Hinsicht gegenüber einem Kommunikationspartner ist die psychosoziale Voraussetzung für soziale Verständigung und Gemeinschaftserfahrungen, die zur zivilisatorischen Weiterentwicklung beitragen können.
Lesen Sie auch
Was Doge für die Welt – und auch Deutschland bedeutet
Starlink-Streit: Musk droht Polen, US-Außenminister springt bei
Plattformregulierung: Breites Bündnis fordert stärkere Kontrolle sozialer Medien
Showdown mit Elon Musk: Doge nimmt sich Pentagon vor
DOGE und Trump: Wie Elon Musk den US-Staat umkrempeln will
Jeremy Rifkin setzt den Empathiebegriff als so bedeutend an, dass er von der Empathic Civilization als der notwendigen gesellschaftlichen Zukunftsform spricht, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich ein Mensch in einen anderen Menschen hineinversetzt, ihn zu verstehen sucht und anhand dieses Eindrucks sein eigenes Denken, Fühlen und Handeln ergebnisoffen überprüft.
Rifkin ist davon überzeugt – und führt dies an zahlreichen menschheitsgeschichtlichen Beispielen aus – dass der Mensch nicht nur egozentrisch, aggressiv und machtbetont sei, sondern auch von seiner Natur her eine Fähigkeit zur Empathie besitze2:
Was sagt uns das über die menschliche Natur? Es ist möglich, dass Menschen nicht von Natur aus böse oder von Natur aus eigennützig und materialistisch sind, sondern von einer ganz anderen Natur – einer empathischen – und dass alle anderen Triebe, die wir als primär angesehen haben – Aggression, Gewalt, egoistisches Verhalten, Habgier – in Wirklichkeit sekundäre Triebe sind, die aus der Unterdrückung oder Verleugnung unseres grundlegendsten Instinkts resultieren?
Jeremy Rifkin
Nun ist allerdings festzustellen, dass es eine Wechselwirkung zwischen gesellschaftlich dominanten Entwicklungen und psychischen Auswirkungen auf die Menschen in einer Gesellschaft gibt. Gesellschaftliche Strukturen, ökonomische Entwicklungen, Pandemien, ökologische Katastrophen, Migrationsbewegungen und Flucht oder militärische Bedrohungen verändern das Denken und Fühlen der hiervon betroffenen Menschen.
Es ist zurzeit zu beobachten – und die Aussagen des weltweit vermögendsten Mannes, der mit Tesla die Elektromobilität revolutioniert und mit SpaceX die private Raumfahrt vorantreibt, sind Ausdruck hiervon – wie die Fähigkeiten des Menschen zu empathischer Gemeinschaftserfahrung abgewertet und letztlich als Ursache für zivilisatorische Fehlentwicklungen gesehen werden.
Hiergegen setzt er dann seine Politik der Rücksichtslosigkeit und Härte gegenüber einzelnen Gruppen, wie z.B. Migranten oder öffentlichen Bediensteten, die er dann sogar als Empathie für die Gesamtgesellschaft tarnt. Hiermit betreibt er einen radikalen Missbrauch des Begriffs der Empathie und steht im Widerspruch zu wichtigen Überlegungen und Theorieansätzen der Philosophie, Sozialpsychologie und Soziologie.
Barbarei der Rücksichtslosigkeit versus gebildeter Widerständigkeit
Bereits Immanuel Kant erkannte weitsichtig die Notwendigkeit der inneren Zivilisierung und moralischen Kultivierung des Menschen, da nur hierauf aufbauend Friedfertigkeit und friedliche Zusammenarbeit im internationalen Zusammenhang entstehen könne3:
So lange aber Staaten alle ihre Kräfte auf ihre eiteln und gewaltsamen Erweiterungsabsichten verwenden, und so die langsame Bemühung der inneren Bildung der Denkungsart ihrer Bürger unaufhörlich hemmen, ihnen selbst auch alle Unterstützung in dieser Absicht entziehen, ist nichts von dieser Art zu erwarten; weil dazu eine lange innere Bearbeitung jedes gemeinen Wesens zur Bildung seiner Bürger erfordert wird.
Alles Gute aber, das nicht auf moralisch-gute Gesinnung gepfropft ist, ist nichts als lauter Schein und schimmerndes Elend. In diesem Zustande wird wohl das menschliche Geschlecht verbleiben, bis es sich, auf die Art wie ich gesagt habe, aus dem chaotischen Zustande seiner Staatsverhältnisse herausgearbeitet haben wird.
Immanuel Kant
Innere Zivilisierung bedeutet das Durcharbeiten der eigenen Ego-Strukturen, die Reflexion und kritische Überprüfung der vorhandenen Feindbilder und des damit verbundenen Verhaltens. Empathie spielt hier eine Schlüsselrolle.
Erst wenn ein Mensch, eine gesellschaftliche Gruppe oder eine Regierung versucht sich in das gesellschaftliche Gegenüber hineinzuversetzen, dessen Perspektiven, dessen Emotionen und zentrale Gedanken zu verstehen, erst dann ist die Möglichkeit einer Verständigung, einer Kompromisssuche und zu einem gesellschaftlichen Spannungsabbau gegeben.
Erst dann ist es möglich, gruppenbezogene Menschlichkeit, das rigide Bestehen auf Einheimischenvorrechten, Vorurteile gegenüber dem Anderen und Stigmatisierungen von ganzen Völkern abzubauen.
Die Entwicklung sozialer Empathie ist an Sozialisationsprozesse und auch Bildungsprozesse in den gesellschaftlichen Institutionen wie Familien und anderen Lebensgemeinschaften, Kindergärten, Schulen und weiteren Bildungsgängen gebunden. Die Fähigkeit zu sozialer Empathie ist die Voraussetzung zur Entwicklung gesellschaftlicher Friedfertigkeit.
Wenn die Rücksichtslosigkeit von Milliardären vom Schlage eines Elon Musk, der mit Tesla die Elektromobilität und mit SpaceX die Raumfahrt vorantreibt, oder Marc Zuckerberg zum gesellschaftlichen Vorbild erhoben werden, dann droht in der Tat das Ende einer verantwortungsvollen gesellschaftlichen Zivilisation.
Das Ziel von Bildungsprozessen liegt jedoch in der Befreiung von Tendenzen der Unterwerfung und aggressiver Destruktion – so Theodor W. Adorno bereits vor gut einem halben Jahrhundert und heute noch genauso aktuell4:
Die These, die ich gern mit Ihnen diskutiert hätte, ist die, dass die Entbarbarisierung heute die vordringlichste Frage aller Erziehung ist. Das Problem, das sich dabei aufdrängt, ist, ob an der Barbarei durch Erziehung etwas Entscheidendes geändert werden kann.
Ich meine dabei mit Barbarei etwas ganz Einfaches, daß nämlich im Zustand der höchstentwickelten technischen Zivilisation die Menschen in einer merkwürdig ungeformten Weise hinter ihrer eigenen Zivilisation zurückgeblieben sind – nicht nur, dass sie in ihrer überwältigenden Mehrheit nicht die Formung erfahren haben, die dem Begriff der Zivilisation entspricht, sondern dass sie erfüllt sind von einem primitiven Angriffswillen, einem primitiven Haß oder, wie man das gebildet nennt, Destruktionstrieb, der noch das Seine dazu beiträgt, die Gefahr zu steigern, dass diese ganze Zivilisation, wozu sie von sich aus schon tendiert, in die Luft geht.
Ich halte das zu verändern allerdings für so vordringlich, dass ich dem alle anderen spezifischen Erziehungsideale nachordnen würde.
Theodor W. Adorno
Der Weltkriegsgefahr und der Selbstvernichtung durch die Klimazerstörung scheinen wir in der Tat immer näher zu kommen. Die Weltuntergangsuhr (Doomsday Clock), u.a. von Albert Einstein begründet, ist seit Januar 2025 auf um 89 Sekunden vor dem Zustand globaler Disruption vorgerückt.
Die 1947 eingeführte Uhr war damals sieben Minuten vor der globalen Destruktion eingestellt. Sie berücksichtigt u.a. die Gefahren von Atomwaffen, des Missbrauchs biologischer Forschung, ökologischer Katastrophen und der Fehlentwicklung künstlicher Intelligenz.
Aber auch wenn die Probleme, die weiterhin z.B. durch die Existenz von Feindbildern und sozialer Rücksichtslosigkeit bestehen, nicht psychologisch und pädagogisch aufgearbeitet werden, wird nach einem Krieg allenfalls ein Waffenstillstand für eine gewisse Zeit andauern, bevor sich die immer noch gewalttätigen psychischen Strukturen wieder ihren Weg zu einem erneuten Ausbruch gesellschaftlicher Gewalt bahnen.
Das Absterben einer zerstörerischen Zivilisation
Die Welt ist derzeit durch eine Vielzahl an Kriegen und asymmetrischen militärischen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Der Krieg in der Ukraine, die brutalen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis, der Bürgerkrieg im Sudan oder der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo sind Ausdruck einer wieder zunehmenden Herrschaft der Gewalttätigkeit und der Empathielosigkeit gegenüber dem Mitmenschen.
Lesen Sie auch von Klaus Moegling:
Toxische Männlichkeit: Die unterschätzte Gefahr für den Weltfrieden
Homo oeconomicus: Wenn die Psyche zur Profitmaschine wird
Auch die herannahende Klimakatastrophe hängt mit der mangelnden Empathie gegenüber der natürlichen Mitwelt zusammen. Der Mensch missachtet die Reproduktionsmöglichkeiten der Natur und setzt sich rücksichtslos über sie hinweg.
Er verbraucht mehr Natur als diese in der Lage ist zu regenerieren. Der Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day) lag im Jahr 2024 beim 1. August. Ab diesem Zeitpunkt verbrauchten die Menschen mehr als die Erde zum Leben anbieten kann. Sie beanspruchten 2024 die Erde so, als ob sie 1,7 Erden zur Verfügung hätten. Ökologische Empathie sieht anders aus.
Der US-amerikanische Journalist und Buchautor Roy Scranton fordert daher, dass die menschliche Zivilisation, die durch Naturzerstörung und Kriege gekennzeichnet ist, zu sterben lernen müsse5:
Wir können unserem Schicksal nicht entkommen. Unsere Zukunft wird davon abhängen, ob wir ihr nicht mit Panik, Empörung oder Verleugnung begegnen, sondern mit Geduld, Besonnenheit und Liebe.
Wir haben eine klare Wahl. Wir können weiterhin so tun, als wäre morgen wie gestern, und uns immer weniger auf jede neue Katastrophe vorbereiten, die auf uns zukommt, und uns immer verzweifelter in ein Leben verstricken, das wir nicht aufrechterhalten können. Oder wir können lernen, jeden Tag als den Tod dessen zu betrachten, was vorher war, und uns befreien, um mit den Problemen der Gegenwart ohne Anhaftung oder Angst umzugehen. Wenn wir lernen wollen, im Anthropozän zu leben, müssen wir zuerst lernen, wie man stirbt.
Roy Scranton
Das Sterben einer zerstörerischen Zivilisation bedeutet natürlich auch, dass die einzelnen Menschen die vernichtende Zivilisation in sich sterben lassen und offen für eine neue Vision des Humanen werden sollten, in der die soziale Empathie in Form von Hilfsbereitschaft, gegenseitiger Unterstützung und Solidarität eine zentrale Rolle spielen könnte.
Ohne die personale Transformation vieler sich weltweit vereinigender Menschen wird es keinen gelebten Frieden in und mit der Biosphäre und zwischen Gesellschaften geben.
Positiver Frieden und die verschiedenen Ebenen der Gewalt
Der norwegische Konflikt- und Friedensforscher Johan Galtung vertrat im Rahmen seiner Konzeption des positiven Friedens die Auffassung, dass Frieden nicht nur als Abwesenheit von Krieg zwischen Gesellschaften zu begreifen ist. Positiver Frieden ist umfassender und vertritt einen als holistisch zu bezeichnenden Ansatz. Dieses Friedensverständnis bezieht sich sowohl auf zwischenstaatliche Konflikte als auch auf innergesellschaftliche Auseinandersetzungen.
Hierbei ist es ihm wichtig zu betonen, dass Konflikte zwischen zwei gegnerischen Parteien in der Regel mit Konflikten innerhalb dieser Parteien und natürlich auch mit psychosozialen Problemen der daran beteiligten Menschen in einer Beziehung stehen – so Galtung (1998, 12):
So müssen Frieden und Gewalt in ihrer Totalität gesehen werden, auf allen Stufen der Organisation des Lebens (und nicht allein des menschlichen Lebens). Zwischenstaatliche Gewalt ist wichtig, wichtiger noch die zwischen den Geschlechtern und den Generationen. Nicht zu vergessen die innerpersönliche Gewalt, als geistige (z.B. als Unterdrückung der Gefühle) sowohl wie als körperliche (Krebs z.B.).
Johan Galtung
Wenn die Probleme, die weiterhin, z.B. durch die Existenz von Feindbildern oder nicht bearbeiteter Kriegsverbrechen, bestehen, nicht politisch, psychologisch, rechtlich und pädagogisch aufgearbeitet würden, werde nach einem Krieg allenfalls ein Waffenstillstand für eine gewisse Zeit andauern, bevor sich die vorhandenen destruktiv gebliebenen mentalen Muster wieder ihren Weg zu einem erneuten Ausbruch der Gewalt bahnen.
Zentral für diese Aufarbeitung ist die Entwicklung sozialer Empathie, denn nicht Empathie ist die Ursache zivilisatorischen Zerfalls, sondern Rücksichtslosigkeit und Gewalttätigkeit, die zu Unterdrückung Anderer und zu kriegerisch ausgetragenen und unbearbeiteten Konflikten führen.
Gesellschaftliche Neuordnung und Menschlichkeit
Das Selbst ist in gesellschaftliche Strukturen und Mechanismen eingebunden und in seiner Wechselbeziehung zwischen System, Struktur und Persönlichkeit zu betrachten – so der Mitbegründer der Kritischen Theorie Max Horkheimer bereits vor fast neun Jahrzehnten6:
Je reiner die bürgerliche Gesellschaft zur Herrschaft kommt, je uneingeschränkter sie sich auswirkt, desto gleichgültiger und feindseliger stehen sich die Menschen als Individuen, Familien, Wirtschaftsgruppen, Nationen und Klassen gegenüber, desto mehr gewinnt das ursprünglich fortschrittliche Prinzip des freien Wettbewerbs auf der Grundlage sich verschärfender ökonomischer und sozialer Gegensätze den Charakter des dauernden Kriegszustands nach innen und außen. Alle, die in diese Welt hineingezogen werden, bilden die egoistischen, ausschließenden, feindseligen Seiten ihres Wesens aus, um sich in dieser harten Wirklichkeit zu erhalten.
Max Horkheimer
Dies bedeutet, wenn man Horkheimer – und auch Galtung - folgen will, dass die freundliche und empathische Seite unseres Wesens auch an die Bearbeitung und Veränderung von Gesellschaftsstrukturen bzw. struktureller Gewalt gebunden ist. Letztendlich ist es die konkurrenzorientierte Geldgesellschaft in ihrer ungeheuren Gier nach Wirtschaftswachstum und Steigerungen der privatwirtschaftlichen Renditen, die man Kapitalismus nennt, und die immer wieder soziale Rücksichtslosigkeit und strukturelle Gewalt erzeugt.
Ohne eine grundlegende gesellschaftliche Neuordnung bleiben die Menschen weiterhin in konkurrenzorientierter Abgrenzung und fehlender Empathie zueinander. Wenn das kulturelle Pendel in und zwischen den Gesellschaften vor allem über den zivilgesellschaftlichen Widerstand solidarischer Initiativen und politischem Engagement in den gesellschaftlichen Institutionen sich wieder in die andere Richtung bewegt, dann können sich auch wieder Bedingungen entwickeln, die Empathie und verantwortungsvolles Umgehen mit der Gesellschaft und der natürlichen Mitwelt eher fördern als hemmen.
Jetzt aber gilt es wohl leider zunächst den zu erwartenden Schaden zu begrenzen, den in den nächsten Jahren eine von rücksichtslosen Milliardären gestützte US-Regierung mit einem nur für sich empathischen US-Präsidenten sowie einem russischen Herrscher, dem Menschenleben gleich sind, über die Welt bringen werden.
Klaus Moegling, Jg. 1952, ist habilitierter Politikwissenschaftler, i.R., er lehrte an verschiedenen Universitäten und Institutionen der Lehrerbildung, zuletzt an der Universität Kassel als apl. Professor im Fb Gesellschaftswissenschaften. Er engagiert sich in der Friedens- und Umweltbewegung sowie in Bildungsinitiativen.
Er ist Autor des Buches "Neuordnung. Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (noch) möglich" in der inzwischen 6. aktualisierten und frei lesbaren Auflage. Er ist mit Barbara Moegling verheiratet und hat mit ihr ihre drei inzwischen erwachsenen Kinder begleitet und versucht auf die Welt vorzubereiten.