Energie-Partnerschaften und Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030

Seite 2: Kontrastprogramm: Chinesische Partnerschaftskonzepte

Durch das im Wahlprogramm an verschiedenen Stellen festgeschriebene Dogma des Feindbildes China ist man aber bei den Grünen bezüglich China nicht auf der Höhe der Zeit. Das gilt auch für die Agenda 2030 der UNO mit den 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Developement Goals - SDG‘s), die im Grünen-Wahlprogramm nur am Rande erwähnt werden.

Ganz anders hingegen stellt sich eine chinesische Initiative dar, die 2015 als "Global Energy Interconnection" (GEI) von Präsident Xi Jinping initiiert wurde. Mittlerweile hat diese Initiative feste organisatorische Strukturen als "Global Energy Interconnection Development and Cooperation Organization" (GEIDCO), die seit 2018 fest eingebunden ist im "High-Level Political Forum" der UNO.

Der Fokus besteht hierbei auf Lösungen zur Umsetzung der Agenda 2030 bzw. der Sustainable Development Goals (SDG's), die Ende 2015 von allen UN-Mitgliedsstaaten einstimmig beschlossen wurden. Bei dem jüngsten Treffen dieses UN-Forums vom 6. bis 15. Juli 2021 in New York stand die Integration von Energie-, Transport- und Informationsnetzen (ETI) als Vorschlag der GEIDCO im Vordergrund, wie aus deren Homepage zu entnehmen ist.

Während die Nennung der Agenda 2030 in Deutschland meistens nur als schmückendes Beiwerk zu unverbindlichen Absichtsbekundungen zu sehen ist, wurden in diesem Forum "Policy Briefs" vorgelegt, mit verschiedenen Anwendungsszenarien und Fallanalysen, die sich auf die SDG beziehen. Konkret sind dieses das SDG 7 zum universellen Zugang zu Energie, das SDG 9 zur Entwicklung einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Infrastruktur und das SDG 13 zur Bekämpfung des Klimawandels.

Zu sehen ist dieses sicherlich - auch wenn an dieser Stelle nicht explizit benannt - als Bestandteil der "Belt and Road Initiative" bzw. der "Neuen Seidenstraße". Kern dieser Initiative sind schließlich multimodale, globale Transportverbindungen, bei denen der elektrifizierte und mit erneuerbaren Energien gespeiste Schienenverkehr eine zunehmende Rolle spielt. Dieser wiederum ist nur in einem engen Zusammenspiel mit dezentral vorhandener Stromversorgung und digitaler Steuerung von Einspeisung und Abnahme des elektrischen Stroms möglich.

Generell ist in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse afrikanischer Staaten an wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit China festzustellen, was durch diese Initiative noch beschleunigt werden dürfte. Wie bereits erwähnt, ist schließlich ist die fehlende Elektrifizierung eines der größten Entwicklungsprobleme speziell in Afrika.

Doch welches Interesse hätten dann noch afrikanische Länder daran, deutsche Interessen mit deutschen Großprojekten zu bedienen, abgesehen von den o.g. speziellen Interessen Marokkos? Zumal die negativen Erfahrungen speziell in Westafrika mit EU-Freihandelsabkommen sicherlich sehr gegenwärtig sind. Ein erstes Pilotprojekt auf Basis der Nationalen Wasserstoffstrategie wurde bisher erst mit Chile abgeschlossen, das am 29. Juni 2021 von Wirtschaftsminister Altmaier und seinem chilenischen Amtskollegen unterzeichnet wurde.

Die historische Energiepartnerschaft mit Russland

Handelt es sich bei den bisherigen Plänen für eine Energiepartnerschaft mit Nordafrika deshalb eher um Wunschvorstellungen, so muss an dieser Stelle auch die seit 1970 real existierende Energiepartnerschaft mit Russland genannt werden. Damals wurden Erdgaslieferungen auf Basis des Röhren-Erdgas-Geschäftes vereinbart. Dieses geht sogar noch auf die 50er Jahre und entsprechende Bemühungen des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft zurück, scheiterte aber lange an dem heftigen Widerstand der USA, deren strategisches Ziel schon immer darin bestand, eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschlands mit Russland (bzw. der Sowjetunion) zu verhindern.

Auch innenpolitisch gab es in Deutschland im Zeichen des Kalten Krieges dagegen heftige Widerstände. Die Vertragsunterzeichnung kam erst nach der Regierungsübernahme von Willi Brandt zustande und bereitete den Weg für die historische Entspannungspolitik der 70er-Jahre. Als 1982 ein weiteres Großprojekt dieser Art zustande kam, ging diesem erneut ein heftiger Widerstand der USA voraus.

Bei Nordstream 2 reichen die Planungen bereits zurück bis in das Jahr 2013, d.h. noch vor der Ukraine-Krise. Die heftige Kontroverse darüber, die schließlich zu der kürzlichen Einigung zwischen US-Präsident Jo Biden und Angela Merkel führte, entwickelte sich aber erst in jüngster Zeit. So forderten im Kontext der Navalny-Debatte die Grünen mit einem (kommentarlosen!) Antrag vom 15.9.2020 im Bundestag dessen Stopp und starteten einen Unterschriftenappell, in dem es heißt:

Wir brauchen keine neuen Gaspipelines, sondern den Ausbau der Erneuerbaren und mehr Energieeffizienz. Das schützt das Klima und macht uns unabhängiger von Energieimporten und autoritären Regimen.

Richtig ist durchaus, dass Nord­stream 2 ebenso wie andere geplante Pipeline-Projekte für fossile Brennstoffe dem Klimaschutz zuwider läuft, denn in den nächsten 10 bis 20 Jahren muss der Verbrauch fossiler Brennstoffe drastisch gesenkt werden.

Die Entscheidung zum Bau dieser Pipeline bedeutete deshalb eine falsche Weichenstellung, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bei ihrer gerichtlichen Klage gegen Nordstream 2 im letzten Jahr durchaus richtig feststellte. Damals wäre diese Kritik durchaus angebracht gewesen, ist aber im Fahrwasser der derzeit eskalierenden anti-russischen Propaganda unglaubwürdig.

Natürlich lässt sich darüber streiten, inwieweit man Erdgas gegenüber Braunkohle als saubere Energie bezeichnen kann, jedoch sollte man die Gesamtbewertung beachten, wie sie in einem Beitrag des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft anlässlich 50 Jahre Erdgas-Röhren-Vertrag formuliert wurde:

Europa braucht bezahlbare und saubere Energie, Russland braucht Verkaufserlöse. Politisch mag man das als gegenseitige Abhängigkeit betrachten. Aber aus wirtschaftlicher Sicht ist das ganz einfach die Basis für eine verlässliche Partnerschaft. Denn jede gute Partnerschaft basiert auf gegenseitigen Interessen und Bindungen.

Im ersten Teil dieses Beitrages wurde auf die politisch motivierte und energiepolitisch äußerst fragwürdige Energiepartnerschaft mit Marokko hingewiesen. Noch absurder ist es jetzt aber, wenn im Zuge des Deals zwischen Jo Biden und Angela Merkel für die Ukraine quasi als Kompensation eine Energiepartnerschaft zur Lieferung von Wasserstoff propagiert wird. Bernd Müller hat dieses in seinem Telepolis-Artikel vom 24. Juli 2021 ("Die Suche nach dem 'Hebel gegen Russland' und das Klima") eingehend analysiert.

Seine im vorliegenden Kontext relevanten Aussagen sind, dass die Ukraine angesichts einer wirtschaftlich relevanten Stahlproduktion bereits jetzt unter Energiemangel leidet und allenfalls auf Basis von Verstromung in Kohlekraftwerken Export-Wassserstoff erzeugen könnte. Zum Aufbau neuer Anlagen für erneuerbarer Energien fehlen der Ukraine nicht nur potenzielle Investoren angesichts eines dramatischen Schuldenberges, sondern auch das politische Umfeld.