Energiekrise in Osteuropa: Ungarn und Slowakei im Konflikt mit der EU und der Ukraine

Symbolische Darstellung des Boykotts gegen russisches Erdöl.

Ungarn und Slowakei drohen wegen Ölsanktionen. Firmen sehen keine Engpässe. Steckt mehr hinter dem politischen Säbelrasseln als nur die Sorge um Energiesicherheit?

Bereits im Juni setzte die Ukraine die russische Ölgesellschaft Lukoil auf die Sanktionsliste. Erst mehrere Wochen danach begannen Regierungsspitzen in Ungarn und in der Slowakei wegen vermeintlich rückläufiger Öllieferungen über die Druschba-Pipeline in der Ukraine ganz im Sinn des Kremls einen Trommelwirbel gegen die Europäische Union. Auf Unternehmensebene fallen verbale Feuergefechte indes weniger impulsiv aus. Es gilt offenbar, das entfachte politische Feuer zu löschen.

Slowakischer Premier droht Ukraine mit Dieselstopp

Wie heißt es noch bei Thomas Hobbes: "Das Wort ist die Trompete zum Aufruhr." Ganz nach dieser Machart drohte der slowakische Premier Robert Fico in einer Video-Ansprache auf Facebook am 29. Juli: "Wenn der Transit russischen Öls durch die Ukraine nicht so schnell wie möglich wieder aufgenommen wird, wird Slovnaft die Ukraine nicht weiter mit Diesel versorgen." Über dem besagten Video steht: "Es ist auch gut, dass keine Progressiven an der Macht sind, denn sie würden der Slowakei zum Wohle der Ukraine den letzten Tropfen Öl wegnehmen."

Zusammen mit Ungarn will Fico die EU zum Einlenken bewegen, damit sie die Ukraine anweist, den Bann gegen Lukoil wieder aufzuheben. Beim Dieselvolumen, das die Ukraine aus beiden Ländern erhält, geht es um einen Verbrauchsanteil von je zehn Prozent.

Premier Fico habe mit seiner Lieferstopp-Drohung der Ukraine einen Energiekrieg erklärt, berichteten hierzu Medien jüngst im August. Dadurch, dass Russland viele Kraftwerke zerstört habe, seien mehr Dieselgeneratoren im Einsatz. Sollten am Ende die zehn Prozent aus der Slowakei fehlen, könnte dies die Ukraine im Extremfall vor die fatale Wahl stellen: Diesel für die Front oder Krankenhäuser.

Chef der ungarischen MOL-Gruppe wiegelte Engpässe ab

Ungarn werde aufgrund der Entscheidung der Ukraine, den Transit des Rohöls von Lukoil zu blockieren, keinen Mangel an Öl erleiden, wiegelte Zsolt Hernadi, Vorstandsvorsitzender des ungarischen Mineralölkonzerns und Raffineriebetreiber MOL Nyrt ab. "Lassen Sie uns keine Panik auslösen", sagte diesen Medienberichten zufolge in einer Konferenzaufzeichnung der MOL-Gruppe am 2. August. "Ich glaube nicht, dass dies zu einem tatsächlichen Mangel führen wird."

Ungarn verfüge über strategische Reserven für 90 Tage und könne russisches Rohöl auch über Kroatien beziehen, sagte Hernadi. Das Land sei besser dran, wenn es über mehr Optionen für den Import von Rohöl verfüge. Im März 2023 hatte die MOL-Gruppe über den Diversifizierungsmeilenstein berichtet, wie Rohöl aus Aserbaidschan über die Türkei und über die Adria-Pipeline vom kroatischen Terminal Omisalj zu Raffinerien in Ungarn und in die Slowakei gelangt.

Außenminister Szijjártó verunglimpft Lieferalternative Kroatien

Dem Vorschlag vom Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis, jetzt mehr Öl über Kroatien zu importieren, erteilte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó auf Facebook indes eine Absage und verunglimpfte das Nachbarland und EU-Mitglied.

Kroatien sei kein zuverlässiger Partner, da es seit Kriegsausbruch in der Ukraine die Transitgebühren auf ein Vielfaches des europäischen Marktdurchschnittsangehoben habe. Möglicherweise sei das Ganze letztlich eine Idee der Europäischen Kommission, um zwei Länder, die für Frieden eintreten, zu erpressen, weil diese gegen Waffenlieferungen an die Ukraine votiert hatten, verstieg sich Szijjártó.

Der ukrainische Premier Denys Shmyhal machte Anfang August indes im Telefonat mit Dombrovskis klar, dass die von der Ukraine verhängten Sanktionen nicht gegen das Assoziierungsabkommen mit der EU verstießen. Die Reaktionen der slowakischen und ungarischen Seite seien stark politisiert und manipulativ. "Die Ukraine ist immer offen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit EU-Mitgliedstaaten, darunter Ungarn und die Slowakei". Die wahre Bedrohung für diese Länder gehe von Russland aus.

Naftogaz und Adria-Pipeline-Betreiber JANAF stellen richtig

Zugleich geht es in der Ukraine nicht um einen kompletten Transitstopp von russischem Öl, sondern um einen Transportstopp für Öl von Lukoil. "Lukoil unterliegt Sanktionen, und das bedeutet, dass Ukrtransnafta dessen Öl nicht transportiert. Die Transitmengen bleiben im Juli nach Inkrafttreten der Sanktionen jedoch unverändert.

Dies deutet darauf hin, dass kein Öl von Lukoil kommt, aber Öl von anderen Eigentümern", sagte der Vorstandsvorsitzende von der Muttergesellschaft Naftogaz Ukrainy, Oleksiy Chernyshov, am Rande einer Diskussion über Energieprobleme in der Ukraine gegenüber Interfax–Ukraine im Juli. Ukrtransnafta werde den Öltransit im Einklang mit den getroffenen Entscheidungen fortsetzen. Chernyshov hofft, dass die Mengen ohne das Lukoil-Öl künftig gleich bleiben.

Wenn nicht, steht die kroatische Lieferoption bereit. Das erklärte offiziell JANAF auf die Vorwürfe des ungarischen Außenministers und stellte einige Aussagen von ihm richtig. So habe JANAF kontinuierlich in die Wartung und Sicherheit seines Transport- und Lagersystems investiert.

"Im Februar 2023 haben wir zusammen mit mehreren Vertretern der MOL-Gruppe die Transportkapazitäten der Pipeline im Abschnitt zur ungarischen Grenze getestet und festgestellt, dass sie eine Transportkapazität von 1,2 Millionen Tonnen Rohöl pro Monat hat. Daher ist JANAF in der Lage, den Rohölbedarf der Raffinerien der MOL-Gruppe in Bratislava und Budapest in vollem Umfang zu decken." Die Aussage, dass JANAF die Gebühren in den vergangenen drei Jahren erhöht habe, sei vollkommen falsch.