Energiewende à la Silicon Valley: Big Tech setzt auf Kernkraft

Atomfass vor US-Fahne

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Technologieriesen investieren in Kernkraft. Amazon und Google sichern sich Ressourcen und Rohstoffe. Was soll da noch der Staat?

Weltweit wird die Sicherung von Ressourcen zunehmend wichtig für die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit von Konzernen und ganzen Nationen. Offensichtlich ist, dass das Vertrauen in Regierungen schwindet.

Das zeigt sich nun auch an den Entscheidungen zwei bedeutender globaler Akteure, die die Kontrolle über die Versorgung mit Schlüsselmaterialien selbst in die Hand nehmen. Dies könnte weitreichende Folgen für Kostenstrukturen und Produktionsabläufe haben. Ein Indiz für die schleichende Erosion der staatlichen Ordnung?

Amazon steigt in die Kernenergie ein

Beispiel 1: Der US-amerikanische Versandhändler Amazon hat jüngst eine Vereinbarung mit dem regionalen Energieversorger Energy Northwest im US-Bundesstaat Washington geschlossen, um in die Entwicklung von vier Small Modular Reactors (SMR) am Columbia Generating Station in Richland zu investieren.

Die SMR sollen zunächst etwa 320 Megawatt liefern, später möglicherweise auf bis zu zwölf Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 960 Megawatt ausgebaut werden. Dies würde ausreichen, um 770.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.

Konzernstrom ins Netz

Der von den SMR erzeugte Strom soll in das Netz eingespeist werden und auch die Rechenzentren von Amazon Web Services (AWS) versorgen. AWS gehört zu den weltweit führenden Cloud-Computing-Anbietern und verzeichnet einen steigenden Energiebedarf, insbesondere durch den vermehrten Einsatz von KI-Anwendungen.

Amazon investierte außerdem über seinen Climate Pledge Fund 500 Millionen US-Dollar in das Unternehmen X-energy, das auf die Entwicklung von SMR und Kernbrennstoffen spezialisiert ist. X-energy soll die Reaktoren für das Projekt mit Energy Northwest entwerfen und bauen. Ziel ist es, in den nächsten 15 Jahren mehr als fünf Gigawatt an neuen Kernenergieprojekten ans Netz zu bringen.

Kleine Kraftwerke

SMR haben im Vergleich zu herkömmlichen Kernkraftwerken einen kleineren Platzbedarf, müssen aber noch wirtschaftliche und regulatorische Hürden überwinden. Amazon hat zudem eine Absichtserklärung unterzeichnet, um ein SMR-Projekt am Kernkraftwerk North Anna von Dominion Energy in Virginia zu prüfen, das mindestens 300 Megawatt Strom liefern soll.

Die Ankündigungen von Amazon verdeutlichen das wachsende Interesse an SMR, um den steigenden Energiebedarf von Rechenzentren, Elektrofahrzeugen und der Elektrifizierung von Häusern und Unternehmen zu decken, ohne die Klimaziele zu gefährden. Laut der US-Presse könnte die KI-bezogene Stromnachfrage der Rechenzentren in den USA bis 2028 um bis zu 26 Prozent steigen.

General Motors und das Lithium

Einen ähnlichen Schritt zur Ressourcensicherung hat auch der Automobilkonzern General Motors (GM) gemacht. Das Unternehmen hat mit Lithium Americas Corp. eine Partnerschaft begonnen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, das Lithiumkarbonatprojekt Thacker Pass in Humboldt County, Nevada, zu finanzieren, zu entwickeln und zu betreiben.

Nach einer Ankündigung Mitte dieser Woche möchte GM insgesamt 625 Millionen US-Dollar in Geldressourcen und Kreditbriefen in das gemeinsame Vorhaben einbringen. Zusätzlich besteht eine bedingte Zusage für ein Darlehen des US-Energieministeriums in Höhe von 2,3 Milliarden US-Dollar.

40.000 Tonnen batterietaugliches Lithiumkarbonat

GM wird für diese Investition einen Eigentumsanteil von 38 Prozent am Thacker Pass erwerben. Dies ersetzt eine frühere Zusage von GM über eine Eigenkapitalinvestition in Höhe von 330 Millionen US-Dollar.

Mit der neuen Vereinbarung vermeidet Lithium Americas eine Verwässerung des Stammaktienkapitals. Die Partnerschaft baut auf einer bereits bestehenden Beziehung auf, wobei die ursprüngliche Offtake-Vereinbarung von GM für Phase 1 des Projekts auf 20 Jahre verlängert wird. Zudem wird GM eine weitere Offtake-Vereinbarung für bis zu 38 Prozent der Produktionsvolumina aus Phase 2 des Projekts eingehen.

Lithium Americas, das bereits rund 376 Millionen US-Dollar an Barmitteln und Äquivalenten besitzt, wird 387 Millionen US-Dollar zur Finanzierung seines 62-prozentigen Anteils am Projekt beisteuern.

Das Unternehmen verfolgt das Ziel, die erste Produktionsphase des Projekts mit einer Kapazität von jährlich 40.000 Tonnen batterietaugliches Lithiumkarbonat voranzutreiben. Der Bau wird voraussichtlich 1.800 direkte Arbeitsplätze schaffen.

Googles und Microsofts Energieprojekte

Amazon und GM sind nicht die einzigen Unternehmen, die auf innovative Energiequellen setzen. Google hat kürzlich einen Deal zum Energiebezug von SMRs bekannt gegeben, die das Start-up Kairos Power bis 2030 in Betrieb nehmen will.

Microsoft und Constellation Energy haben letzten Monat einen Vertrag über den Energiebezug abgeschlossen, der die Wiederinbetriebnahme eines Kernreaktors auf Three Mile Island in Pennsylvania ermöglicht.

Die strategische Bedeutung

Diese Entwicklungen sind Ausdruck einer strategischen Neuausrichtung der genannten Unternehmen und stehen womöglich für einen grundlegenden Trend. Für Amazon bedeutet dies direkte Beteiligungen an Unternehmen der nächsten Generation von Kernenergie, wie Tyler Norris von der Duke University gegenüber dem US-Portal Axios erläuterte.

GM hingegen scheint eine Strategie zu verfolgen, die an die Zeit erinnert, als Ford vor 100 Jahren Reifenmaterialien durch den Aufbau von Kautschukplantagen in Brasilien sicherte.