Enteignung durch Exportverbot?

Maler, Galeristen und Sammler befürchten, dass sie künftig deutlich geringere Preise für Bilder erzielen, wenn "besonders bedeutsame Werke" nicht mehr ins Ausland verkauft werden dürfen

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Aus dem deutschen Kulturstaatsministerium leakte letzte Woche ein Entwurf für ein Kulturschutzgesetz, der bei Malern, Galeristen und Sammlern die Befürchtung weckte, dass sie für viele Bilder künftig deutlich niedrigere Preise erzielen, wenn "besonders bedeutende Kunstwerke" nicht mehr ins Ausland verkauft werden dürfen. Solch ein Exportverbot sollte dem Entwurf zufolge unter anderem dann gelten, wenn Leihgaben in den "Bestand einer Einrichtung eingegliedert" werden.

Georg Baselitz, einer der teuersten deutschen Maler, verlangte nach dem Bekanntwerden der Novelle zehn Dauerleihgaben von der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und fünf Gemälde von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zurück. Und Gerhard Richter, dessen Bilder noch höhere Preise erzielen als die von Baselitz, verlautbarte öffentlich, er werde seine Bilder ebenfalls "aus den Museen holen und verkloppen", bevor der Entwurf Gesetz wird.

Arno Breker und Albert Speer beim Anfertigen von nationalem Kulturgut. Der Zensurbalken musste hier nicht wegen verbotener Symbole, sondern aus urheberrechtlichen Gründen eingefügt werden.

Das Kulturstaatsministerium präsentierte darauf hin gestern Mittag einen leicht entschärften Entwurf, der Telepolis vorliegt, aber immer noch nicht öffentlich ist. Er erweitert die Leihvertragsfreiheit mit Museen und legt fest, dass der Kulturgutsschutz von Leihgaben an Museen mit der Kündigung oder dem Auslaufen des Leihvertrags endet. Auch ein Passus, der Staatsvertretern ein umfassendes Zutrittsrecht zu privaten Sammlungen gewährt hätte, wurde gestrichen. Problematische Formulierungen wie die in § 8 Absatz 1 b, nach denen unter anderem "besonders bedeutsame Werke" in das Kulturgutverzeichnis eingetragen werden, sind in diesem Entwurf jedoch weiter enthalten.

Im Kulturstaatsministerium heißt es, man setze doch nur EU-Vorschriften und den Koalitionsvertrag um, in dem der "Schutz von nationalem Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland" stehe. Außerdem befinde sich der Gesetzesentwurf noch in der internen Ressortabstimmung der Bundesregierung und werde erst im August im Bundeskabinett beraten. Länder, kommunale Spitzenverbände, Fachkreise und Verbände könnten dann noch einmal eine Stellungnahme abgeben.

Geäußerte Befürchtungen seien teilweise "Fehlinterpretationen" und "Missverständnisse": So bedeute eine Ausfuhrgenehmigungspflicht (die unter andere für alle Werke gelten soll, die älter als 50 Jahre sind und auf mehr als 150.000 Euro geschätzt werden) nicht automatisch auch ein Verbot der Ausfuhr. Dieser Ausfuhrgenehmigungspflicht eröffne dem Staat lediglich die Möglichkeit, zu prüfen, ob es sich bei einem Werk um "nationales Kulturgut" handelt. Diese Prüfung werde nicht willkürlich vorgenommen, sondern unter Hinzuziehung von Experten und Gutachten. Und Maler und Sammler könnten den Rechtsweg beschreiten, wenn sie mit einer Einstufung nicht einverstanden sind.

Auf die unter anderem vom Berliner Kunstexperten Peter Raue vorgebrachte Kritik, dass das geplante Gesetz durch einen massiven Ausbau der bürokratischen Anforderungen dem Kunsthandelsplatz Deutschland schadet, reagiert man mit einem Verweis auf Italien, wo angeblich noch viel schärfere Vorschriften gelten, die jährlich 9.000 Ausfuhrgenehmigungen nicht verhindern würden.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters verteidigte ihre Entwürfe in einem Streitgespräch mit dem Galeristen Kristian Jarmuschek mit dem Argument, "nationale Identität" erwachse "zuallererst aus dem Kulturleben eines Landes", weshalb es für wertvolle Kunstwerke eine Ausfuhrgenehmigungspflicht geben müsse. Für einige besonders bedeutende Ausnahmekunstwerke gibt es eine solche Genehmigungspflicht seit fast Hundert Jahren. Die Formulierungen im aktuellen Entwurf lassen aber befürchten, dass es zukünftig eine ähnliche Entwicklung wie im Denkmalschutz gibt - und dass die Ausnahme zur Regel wird, wenn man massenhaft Werke "prüft".