Enthauptungsvideo aus dem Ukraine-Krieg: Was für die Echtheit spricht

Das Hauptquartier der tatverdächtigen Söldnertruppe PMC Wagner in St. Petersburg. Foto: FITY CC / CC-BY-SA-4.0

Ein furchtbares Video von der Tötung eines gefangenen ukrainischen Soldaten macht Schlagzeilen. Seine Echtheit ist nicht bestätigt. Doch es gibt dafür starke Indizien.

Die Hinrichtung von Kriegsgefangenen ist ein Kriegsverbrechen, das die UNO beiden Seiten im Ukraine-Krieg vorwirft – eine Folge der Entmenschlichung von Soldaten in brutalsten Kriegshandlungen in Kombination mit der Straflosigkeit solcher Verbrechen in den eigenen Strukturen.

Großer Hass und Ideologisierung führen zu einer Steigerung solcher Verbrechen. Auf der russischen Seite fällt in jüngster Zeit auf, dass einige besonders brutale mutmaßliche Hinrichtungen von russischen Soldaten dokumentiert werden. Erst vor wenigen Wochen die Erschießung des inzwischen namentlich bekannten gefangenen ukrainischen Soldaten Timofej Schadura gleich an der Front. Nun ist ein besonders brutales Hinrichtungsvideo aufgetaucht, das der Autor dieser Zeilen selbst gesehen hat, aber aus ethischen Gründen keinesfalls verlinken will.

Extremste Gewalt als virales Webvideo

Dort wird einem mutmaßlichen ukrainischen Kriegsgefangenen, der vor Schmerz schreit, bei lebendigem Leib der Kopf abgetrennt. Es tauchte laut der exilrussischen, regimekritischen Onlinezeitung The Insider zuerst auf dem Telegram-Channel des kriegsunterstützenden und chauvinistischen Bloggers Wladislaw Posdnjakow auf und ist mittlerweile in russischen und ukrainischen Online-Netzwerken auf zahlreichen Kanälen zu finden.

Posdnjakow legt dabei Wert darauf, dass er nicht selbst die Quelle des Videos ist. Verbreitet wird es dabei sowohl von sogenannten russischen Z-Fluencern, die den Krieg gegen das Nachbarland unterstützen, als auch von der ukrainischen Seite und ihren Unterstützern, um das Feindbild des russischen "Untermenschen" zu schärfen.

Rund um die Szene sind Soldaten zu hören, die den Täter anfeuern. Das Opfer trägt die gelbe Armbinde, die die Ukrainer zur Unterscheidung von russischen Truppen nutzen, der Täter ein weißes Beinband, das von den russischen Truppen und ihren Unterstützern verwendet wird.

Das Geschehen ist laut der zu sehenden Vegetation nicht aktuell, sondern wurde wahrscheinlich in der wärmeren Jahreshälfte 2022 aufgenommen. Es fällt auf, dass ein Teil der Z-Fluencer die eigene Verbreitung des Videos ablehnt, jedoch eine Verurteilung des Geschehens durch wichtige radikale Kriegsbefürworter bisher nicht dokumentiert ist.

PMC Wagner als mutmaßliche Quelle

Wer das Video genau gefilmt hat, ist gemäß der exilrussischen Onlinezeitung Meduza weiter unbekannt. Auch die Echtheit der Aufnahmen ist für Meduza nicht bestätigt. Es gibt jedoch Indizien, die für eine solche Authentizität sprechen und die nicht aus den Reihen der ukrainischen Kriegsgegner kommen.

So soll ein nach Norwegen geflüchteter früherer Kämpfer der Söldnertruppe PMC Wagner die Beteiligten als Söldner der Militärfirma identifiziert haben. Er schließt deren Täterschaft aus dem im Hintergrund zu hörenden Funkverkehr und dort verwendeten, ihm bekannten Rufzeichen.

Ähnlich brutale Gewalttaten von PMC-Wagner-Kämpfern wurden bereits aus dem Syrien-Krieg gemeldet. Der US-Sender CNN hatte zudem von weiteren Videoaufnahmen von enthaupteten Ukrainern durch PMC-Wagner-Söldner berichtet.

Nicht zu vergessen, dass Wagner im Ukraine-Krieg ehemalige Strafgefangene in großem Umfang eingesetzt hat. Als Kreml-Sprecher Dmitri Peskow um einen Kommentar zu den Aufnahmen gebeten wurde, erwiderte er laut der Nachrichtenagentur Interfax, dass man erst die Echtheit der Aufnahmen überprüfen müsse. Man lebe "in einer Welt der Fälschungen". Allerdings bezeichnete er selbst die Aufnahmen, die ihm wohl schon bekannt waren, als "schrecklich".

Radikale Z-Fluencer genießen vergleichsweise große Freiheiten

Das engere Umfeld der Z-Fluencer - und das ist das erschreckende - sieht das teilweise nicht so, auch wenn es in der Szene Diskussionen gibt, ob es taktisch klug sei, solche Aufnahmen öffentlich zu verbreiten. Hierbei fühlt man sich an die Worte des russischen Soziologen Lew Gudkow, Chef des Lewada-Zentrums erinnert, der kürzlich zum aktuellen Zustand seines Landes meinte "Der Eindruck ist, dass jetzt Schufte und Halunken an die Oberfläche kommen und den Ton angeben".

Im Gegensatz zu allen Kriegsgegnern, die auch in Russland von derartigen Aufnahmen entsetzt und angewidert sind, ist es den radikalen Z-Fluecern im russischen Netz weiterhin möglich, sich relativ frei zu äußern. Zu einer Verurteilung übermäßiger Gewalt der eigenen Seite nutzen sie diese Freiheit bisher nicht.

Da vor allem die fehlende Ahndung solcher Verbrechen zu weiteren animiert, ist besonders bedenklich, was die UNO-Vertreterin Matilda Bogner festhält: dass es in fünf Fällen ukrainischer Hinrichtungen von insgesamt 22 russischen Kriegsgefangenen bisher noch keine Verurteilung von Tätern gegeben hat. Bei elf von 15 Hinrichtungen ukrainischer Soldaten nach ihrer Gefangennahme durch die russische Armee ebenfalls die Söldnergruppe PMC Wagner verdächtig. Russland gewährt laut Bogner der UNO keinen Zugang zu den gefangenen Ukrainern, was die Aufklärung solcher Taten zusätzlich erschwert.