Eskalation Nahost: Warum Iraner wenig jubeln und China, Russland profitieren

Iraner:innen gehen in der Imam Khomeini Straße in Teherans Zentrum, im Hintergrund Graffiti auf einer Hauswand

Iraner:innen gehen in der Imam Khomeini Straße in Teherans Zentrum, im Hintergrund Graffiti auf einer Hauswand. Bild: Mansoreh / Shutterstock.com

Stimmung im Iran ist angespannt. Moskau und Beijing werden Teheran nicht helfen, sagt Politologe Amir Chahaki im Interview. Warum der Konflikt für sie günstig ist.

Telepolis-Interview mit Amir Chahaki. Chahaki ist ein iranischer Politikwissenschaftler. Er lebte lange Zeit in Russland und Belarus, jetzt in Berlin. Er ist zur iranischen Außenpolitik und den russisch-iranischen Beziehungen häufiger Gesprächspartner in persischsprachigen Medien.

Was waren die Gründe, warum sich die iranische Führung zu einem Angriff auf Israel entschloss?

Amir Chahaki: Der direkte Angriff war tatsächlich eine sehr riskante Entscheidung. Andererseits setzte die israelische Führung selbst bewusst auf Eskalation, als sie am 1. April das iranische Konsulat in Damaskus angriff, bei dem sieben iranische Bürger getötet wurden. Netanyahu machte deutlich, dass er den Angriff proiranischer Gruppen als Angriff des Iran auffasst.

Teheran stand vor der Wahl: entweder hier die Augen zu verschließen oder zu reagieren und den eigenen Ruf zu wahren.

Gegenreaktion könnte Eskalation auslösen

War das ein Angriff mit voller Kraft?

Amir Chahaki: Nein, der Iran tat alles, um sicherzustellen, dass die Folgen seines Angriffs nicht zu groß wurden. Zunächst informierte er Israel über seinen Partner Türkei 72 Stunden im Voraus über den Angriff. Zweitens waren Raketen und Drohnen so ausgerichtet, dass der Schaden für den jüdischen Staat nicht zu groß wurde.

Dennoch reichte all das aus, um Unruhe zu verursachen. Nun betont die iranische Führung, dass mit ihrer Reaktion "die Angelegenheit geklärt" sei. Sie warnen jedoch scharf davor, dass Gegenreaktionen Israels nicht unbeantwortet bleiben.

Hier gibt es ja den Ausspruch der "zehnfachen Rache" für eine mögliche israelische Reaktion. Wie könnte das ausschauen? Ein großer Krieg – oder war das doch nur Säbelrasseln?

Amir Chahaki: Jetzt hängt alles von den Gesprächen zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und US-Präsident Joe Biden ab. Wir wissen, es gibt seit dem Kriegsausbruch in Gaza Differenzen zwischen ihnen. Dem Weißen Haus wird nicht einfach bei allem gehorcht, wenn es Tel Aviv von Vergeltungsmaßnahmen abhalten will.

Ich denke aber, dass ein eventueller israelischer Gegenschlag ebenfalls nur minimale Folgen für den Iran haben wird. Doch all das können Schritte zu einer Eskalation sein, wenn niemand Druck auf den Iran ausübt. All dies könnte durchaus zu einem umfassenden Krieg mit unvorhersehbaren Folgen für die Region eskalieren.

Keine breite Unterstützung für iranische Führung

Wir sehen viele Bilder von Menschen im Iran, die nach dem Angriff auf Israel jubelten und tanzten. Unterstützt die iranische Bevölkerung tatsächlich entschieden diese harte Politik ihrer Regierung gegenüber dem jüdischen Staat?

Amir Chahaki: Nein, diese Unterstützung kann nicht als wirklich breit bezeichnet werden. Die Regierung in Teheran ist im eigenen Land sehr unpopulär. Um sich davon zu überzeugen, reicht es, sich die Parlamentswahlen vom 1. März anzuschauen.

Sie hatten die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte – 40 Prozent. Von denen, die kamen, haben viele absichtlich ungültig gewählt.

Darüber hinaus gibt es in der Islamischen Republik keine breite Unterstützung für die Palästinenser. Im vergangenen Herbst kam es im ganzen Iran zu einer Welle von Protesten gegen Teherans Eingreifen in den Krieg zwischen Israel und der Hamas. Der Slogan war sehr populär: "Kein Gaza, kein Libanon, ich gebe mein Leben nur für den Iran".