"Eure Schwestern und Brüder in der digitalen Welt stehen neben euch auf dem Platz"
Anonymous legt aus Protest Websites der ägyptischen Regierung lahm und will offenbar zu einer globalen politischen Online-Bewegung werden
Anonymous versucht, sich weiter in die Politik einzumischen und mit DDoS-Aktionen Befreiungsbewegungen zu unterstützen. Nach dem Auftakt zur Unterstützung von Wikileaks durch Blockaden der US-Firmen, die auf Druck der Regierung ihre Geschäftsbeziehungen mit Wikileaks abbrachen, griffen die Hacktivisten nach dem Aufflammen der Proteste in Tunesien die Websites der Regierung an (Revolte via Internet in der arabischen Welt?). Jetzt wenden sie sich Ägypten zu.
Nachdem sich die Protestbewegungen im ganzen Nahen Osten verbreitet haben, wurde angekündigt, die Online-Proteste auf die ganze Region auszudehnen. Jetzt haben die Anonymous-Hacktivisten die Websites von Mubarak und des ägyptischen Innenministeriums seit gestern unzugänglich gemacht. Auch jetzt konnten sie noch nicht aufgerufen werden. Nach Auskunft von Gregg Housh, der "Mitglied" von Anonymous ist, beteiligen sich um die 500 Menschen an der Aktion.
Nach der Ansprache von Mubarak, in der er zwar ankündigte, nicht zur nächsten Wahl anzutreten, aber sich auch weigerte abzutreten, schrieb die Gruppe oder wer auch immer in deren Namen auftritt, am 1. Februar einen Brief an den ägyptischen Präsidenten, indem sie seine Verbrechen und die von ihm ausgehende Repression brandmarkten. Sie solidarisierten sie sich mit dem ägyptischen Volk und versprachen, diesem zu helfen, Mubarak zu stürzen, wenn dieser nicht freiwillig jetzt zurücktritt. Der Brief sollte als Warnung verstanden werden. Schon zuvor hatte man sich bei dem Sender al-Jazeera für seine wichtige Berichterstattung über die Geschehnisse in Ägypten bedankt.
Am 2. Februar schrieb Anonymous einen weiteren Brief an die Menschen, die trotz der brutalen Angriffe von Mubaraks Schlägerbanden und Polizisten in Zivil sich nicht vom Tahrir-Platz vertreiben ließen und Widerstand leisteten. Man würde sie gerne vor Ort unterstützen und sei bei mit allen Gedanken und Hoffnungen bei ihnen. Der Kampf der Ägypter sei ein Zeichen und Ermutigung für die Menschen auf der ganzen Welt, die nach Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden streben: "Während unsere Regierungen zögern, eine entschlossene Unterstützung für eure Aktionen zu zeigen, sollt ihr wissen, dass eure Schwestern und Brüder in der digitalen Welt neben euch auf dem Platz stehen. Wir lassen euch nicht allein, wir sind für euch da. Eure Stimme wird gehört. Ihr kämpft heute nicht nur für Ägypten. Ihr kämpft für die Menschheit. Und die Menschheit steht hinter euch. Wir sind ihr, ihr seid wir. Zusammen sind wir Anonymous."
In den USA und in Großbritanien werden Anonymous-Aktivisten strafrechtlich verfolgt. In Großbritannien wurden 5 Personen kurzfristig festgenommen, vor wenigen Tagen durchsuchte das FBI in den USA 40 Häuser und Wohnungen, die Beschuldigten müssen vor einer Grand Jury erscheinen, um zu entscheiden, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird. Anonymous weist darauf hin, dass mit dem Programm LOIC, mit dem Websites automatisch wiederholt aufgerufen werden, nur deren Zugänglichkeit vorübergehend gestört wird. Diese "Angriffe" würden öffentlich durchgeführt, jeder könne daran teilnehmen, ihr Zweck sei Protest und das Wecken von Aufmerksamkeit, es werden aber keine Computernetzwerke gehackt oder in sie eingedrungen. Man habe eine neue Form des "digitalen Sit-in" gestartet: "Es ist nun Zeit, diese neue und sichtbar wirksame Protestform zu verteidigen, wie dies Menschen auf der ganzen Welt zuvor mit ihren Protestformen getan haben."
Siehe dazu auch:
- Sollten alle DDoS-Aktionen als Computersabotage bestraft werden?
- "Ein virtuelles Sit-in ist auch nach deutschem Recht möglich"
- Online-Widerstand, Wireless Communities und die Macht von Diskursen
- Legitimer Protest oder Cyberterror?
- Hacktivismus
- Ziviler Ungehorsam im Netz
- Die Umwandlung des Widerstands der Maschinenstürmer in einen virtuellen Widerstand