Europäischer Gerichtshof beendet Diskriminierung von Hausangestellten
Schallende Ohrfeige für die spanische Regierung, die sich rühmt, besonders für Frauenrechte einzutreten, aber Hausangestellten den Zugang zur Arbeitslosenversicherung verwehrt
Ein hochnotpeinlicher Vorgang für die sozialdemokratische Regierung in Spanien ist am Donnerstag von der russischen Invasion in der Ukraine verdeckt worden. Der Kriegslärm aus Osteuropa hat die schallende Ohrfeige vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) aus Luxemburg übertönt, die eine Regierung, die sich Frauenrechte besonders auf die Fahnen geschrieben hat, für die Diskriminierung von Frauen erhalten hat.
Die Koalition aus Sozialdemokraten (PSOE) und die Linkskoalition Unidas Podemos (UP) will sich ihrem Anspruch nach besonders für die Gleichstellung von Frauen einsetzen. In der Regierung sitzen nach der letzten Kabinettsumbildung nun sogar fast zwei Drittel Frauen.
Für das Gleichstellungsministerium, das von der UP-Ministerin Irene Montero geführt wird, müsste die Ohrfeige vom EuGH besonders schmerzhaft gewesen sein. Denn in Luxemburg wurde festgestellt, dass Spanien etwa eine halbe Million Hausangestellte stark diskriminiert, da ihnen unter anderem der Zugang zur Arbeitslosenversicherung verweigert wird.
Klare Geschlechterdiskriminierung
Das ist eine klare Geschlechterdiskriminierung, weil es sich bei Hausangestellten "fast ausschließlich um Frauen" handelt, stellt der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache C-389/20 in einer Presseerklärung fest. Nach spanischer Schätzung sind etwa 95 Prozent der Hausangestellten Frauen.
Die Ausgrenzung stelle "eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar und ist nicht durch legitime Ziele gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben", erklärt der EuGH. Der EuGH stellt fest, dass die EU-Richtlinie "zur Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit einer nationalen Bestimmung entgegensteht".
Durch die spanische Regelung werden Hausangestellte "von einem gesetzlichen System der sozialen Sicherheit" und damit von "Leistungen bei Arbeitslosigkeit" ausgeschlossen. Die spanische Regelung sei nicht mit EU-Recht vereinbar, wenn sie nicht durch nichtdiskriminierende Gründe gerechtfertigt werde.
Geklagt hatte eine Haushaltshilfe im nordwestspanischen Vigo. Ihr Anwalt Javier de Cominges hatte von einem "klaren Beispiel von Diskriminierung" gesprochen. Der Klägerin war der Zugang zur Sozialversicherungskasse (TGSS) verweigert worden, obwohl ihr "Arbeitgeber" sogar bereit war, die zusätzliche Kosten zu übernehmen.
Doch die TGSS lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Sonderregelung im Sozialversicherungssystem für Hausangestellte keinen Schutz bei Arbeitslosigkeit vorsehe. Die Frau aus Vigo klagte vor dem Verwaltungsgericht der galicischen Stadt und machte geltend, dass Hausangestellte, die ihre Anstellung unverschuldet verlören, in eine soziale Notlage gerieten. Sie hätten nicht nur keinen Zugang zu Arbeitslosengeld, sondern auch keinen Anspruch auf andere Hilfen, die damit in Zusammenhang stehen.
Denn für Hausangestellte werden zum Beispiel auch keine Beiträge in den Fonds zur Absicherung von Gehältern eingezahlt. Der springt ein, wenn Arbeitgeber ausstehende Löhne nicht mehr bezahlen können. Auch in dieser Frage werden die "Chachas", wie sie oft abfällig in Spanien genannt werden, benachteiligt.
So kann etwa der zu pflegende "Arbeitgeber" plötzlich versterben, womit Lohnzahlungen offenbleiben und Arbeitslosigkeit entsteht, in die die Frauen bisher völlig ungeschützt fallen. Ohnehin ist der Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung für Hausangestellte nur unwesentlich niedriger, statt 23,6 nur 22,1 Prozent. Aus fast gleichen Beitragssätzen entstehen aber sehr unterschiedliche Rechte.
Die Anwälte Spaniens hatten vor dem EuGH für eine Sonderregelung argumentiert, schließlich handele es sich im Fall der Hausangestellten um keine "gewerbsmäßigen Arbeitgeber". Begründet wurde die Sonderregelung auch mit der Vermutung eines hohen Betrugsaufkommens beim Zugang zu Sozialleistungen.
Rassistische Komponente
Diese Argumentation hat auch eine rassistische Komponente, denn es handelt sich bei Hausangestellten oft um Einwanderer. Argumentiert wurde die Ablehnung darüber hinaus mit der Gefahr einer Zunahme der Schattenwirtschaft aufgrund der höheren Beitragskosten, die der Zugang zur Arbeitslosigkeit mit sich bringen würde.
Das ist angesichts der geringen Zusatzkosten unwahrscheinlich. Wer Sozialabgaben sparen will, meldet die Angestellten schlicht nicht an. Der EuGH hält die Bekämpfung von Sozialbetrug zwar für legitim, stellt aber fest, "dass die spanische Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht geeignet ist, da sie im Hinblick auf diese Ziele nicht kohärent und systematisch angewandt wird". Hingewiesen wird darauf, dass andere ähnliche Berufsgruppen nicht unter die Sonderregelung fallen. Sie gilt allein für Hausangestellte.
Glücklicherweise legte das Gericht in Vigo den Fall dem EuGH in Luxemburg vor, womit der Gerichtsweg stark verkürzt wurde. Die 2. Kammer hatte eine Auslegung des Falls in Bezug auf die Richtlinie zur Gleichbehandlung erbeten, da schon in Galicien eine Geschlechterdiskriminierung angenommen wurde. Ansonsten hätte der spanische Klageweg bis zu höchsten Gerichten eine Entscheidung um viele Jahre verschoben.
Jetzt muss infolge des Urteils aus Luxemburg das zuständige Gericht in Vigo erneut entscheiden. Da das Verwaltungsgericht an die Rechtsauslegung des EuGHs gebunden ist, ist mit einer positiven Entscheidung für die Klägerin zu rechnen.
Die progressivste Regierung, die Spanien je hatte
Die Frage ist, ob die selbsternannte "progressivste" Regierung Spaniens nun endlich handelt und diese Diskriminierung endlich per Gesetz abstellt. Oder werden die Frauen jeweils einzeln auf einen langen Klageweg geschickt? Zwar ist die Regelung auf dem Mist der rechten Vorgänger gewachsen, doch statt sie abzuschaffen, wurde sie in Luxemburg verteidigt.
Was die Umsetzung ihrer Versprechen angeht, ist die Regierung sehr zurückhaltend, wie sich zuletzt auch an der Arbeitsmarktreform zeigte. Statt sie wie versprochen zu streichen, wurde die Reform der rechten Vorgänger zu 95 Prozent bestätigt und wäre ohne Abstimmungsfehler im Kongress durchgefallen.
Zwar setzt sich die Gleichstellungsministerin Irene Montero sonst auch per Twitter gerne für Hausangestellte ein, doch ihr Schweigen seit dem Urteil ist dröhnend laut und vielsagend. Wenigstens könnte ihre Linkskoalition UP nun mit dem EuGH-Urteil Druck auf die stets auf der Bremse stehenden Sozialdemokraten machen.
Nach diversen nationalen Urteilen wurde zum Beispiel im Fall der Lieferdienstfahrer (Rider) endlich eine gesetzliche Regelung gefunden, um den Ridern den individuellen Klageweg zu ersparen. Letztendlich war aber auch das Gesetz – wie die Arbeitsmarktreform - eine Niederlage der Linkskoalition und ihr neues Aushängeschild Yolanda Díaz.
Die Frau, die ein neues linkes und feministisches Projekt starten will, wird immer unglaubwürdiger. Díaz hatte eigentlich eine umfassende Regulierung von digitalen Plattformen versprochen hatte, doch herauskam auch dabei – wie bei der Arbeitsmarktreform – auf Druck der Arbeitgeber nur ein auf die Rider begrenztes Gesetz.