Euthanasie-Massaker in Japan

Ex-Angestellter eines Pflegeheims ersticht 19 Behinderte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Tsukui-Yamayurien-Pflegeheim im etwa 40 Kilometer von Tokio entfernten Bergstädtchen Sagamihara hat gestern der ehemalige Angestellte Satoshi U. mindestens 19 der insgesamt 149 Insassen mit einem Messer getötet und weitere 26 verletzt, 13 davon schwer. Von den Todesopfern sind neun männlichen und zehn weiblichen Geschlechts. Ihr Alter reichte von 18 bis 70.

Japanische Medien spekulieren über Euthanasie-Brief

Der 26-Jährige, der ausgebildeter Lehrer und von 2012 bis zum Februar 2016 in der Einrichtung beschäftigt war, schlug nach Angaben der Sicherheitsbehörden der Präfektur Kanagawa gegen zwei Uhr morgens ein Fenster ein, um an seinen ehemaligen Arbeitsplatz zu gelangen und dort reihenweise Behinderte umzubringen. Nachdem ein Angestellter, der Nachtdienst hatte, den Vorfall bei der Polizei meldete, ergab sich der von Nachbarn übereinstimmend als freundlich und kinderlieb geschilderte U. gegen drei Uhr morgens blutüberströmt und mit dem Tatmesser in der Hand der Polizei.

NHK-Bericht über das Massaker

Über U.s Motiv für die Tat wird noch gerätselt: Regierungssprecher Yoshihide Suga gab bislang nur bekannt, dass es keine Verbindung zur salafistischen Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) gebe. Japanischen Medienberichten nach soll der Täter Tadanori Oshima, dem Vorsitzenden des japanischen Unterhauses, im Februar einen Brief geschrieben haben, in dem er sich angeblich für Euthanasie ausspricht. Am 19. Februar sei er zwangsweise in eine psychiatrische Klink eingewiesen worden, die ihn am 2. März wieder entließ.

Das mit 160 Pflegeplätzen ausgestattete Tsukui-Yamayurien-Pflegeheim war nicht überbelegt und mit insgesamt 222 Angestellten ausgestattet. Neun davon hatten in der Tatnacht Nachtdienst, darunter ein Wachmann.

Massaker mit Messern, Gas, LKW und Flugzeug

In Japan gilt ein relativ strenges Waffenrecht, weshalb Massenmörder hier meist zu anderen Mitteln als zu Schusswaffen greifen, wie sie in den USA üblich sind: Im Juni 2008 überfuhr ein Mann im Tokioter Unterhaltungselektronikeinkaufsviertel Akihabara fünf Menschen mit einem Zweitonner und stach danach auf 12 weitere ein, bis er von der Polizei gestellt wurde. Bei der Attacke kamen drei Menschen durch den LKW und vier weitere durch die Messerstiche ums Leben. Der Täter war der Sohn eines Top-Managers, der in der Schule und am Arbeitsplatz gemobbt wurde.

Sieben Jahre davor erstach der ehemalige Hausmeister der Ikeda-Grundschule in der Präfektur Osaka acht Kinder mit einem Küchenmesser, mit dem er 13 weitere Schüler und zwei Lehrer schwer verletzte. Ärzte diagnostizierten beim Täter eine Borderline-Störung, eine antisoziale Persönlichkeitsstörung und Paranoia. Am 14. September 2005 wurde das gegen ihn verhängte Urteil "Tod durch den Strang vollstreckt.

1995 töteten Mitglieder der Aum-Sekte 13 Menschen durch einen Anschlag in der Tokioter U-Bahn, für den sie des Giftgas Sarin verwendeten. Etwa 5.500 Fahrgäste wurden dabei verletzt. Später kam heraus, dass die Religionsgemeinschaft bereits im Jahr zuvor sieben Mitarbeiter einer Justizbehörde mit Sarin umgebracht hatte. Sektenführer Shoko Asahara wurde 2004 zum Tode verurteilt, seine Hinrichtung steht noch aus.

Die bislang meisten Toten im Japan der Nachkriegszeit verursachte am 9. Februar 1982 ein Pilot, der mit einer mit 174 Personen besetzten Douglas DC-8 einen extrem erweiterten Selbstmord begehen wollte. Trotz des Eingreifens des Kopiloten starben bei der Bruchlandung in der Bucht von Tokio 24 Menschen.

Lesen Sie dazu auch: Blick in den Abgrund

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.