Evolutionsbiologin: Warum Imane Khelif die Kraft eines Mannes hat
Intersexuelle Athleten können im Frauensport einen entscheidenden Vorteil haben. Evolutionsbiologin erklärt, warum der Kampf unfair war. Hier ihre Erklärung.
In der Debatte um den Boxkampf zwischen der intersexuellen Algerierin Imane Khelif und der Italienerin Angela Carini hat sich nun eine der weltweit renommiertesten Evolutionsbiologinnen zu Wort gemeldet.
Carole Hooven, ehemalige Co-Direktorin des Department of Human Evolutionary Biology an der US-Eliteuniversität Harvard, kritisierte indirekt die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, Intersexuelle zu den Frauenwettkämpfen zuzulassen. Sie begründete dies ausführlich aus fachlicher Sicht.
Biologischer Hintergrund der Intersexualität
Zunächst erläuterte Hooven in einem Statement, das sie erneut auf dem Kurznachrichtendienst X veröffentlichte, die Hintergründe. Khelif, die mit weiblich erscheinenden Genitalien geboren wurde, habe einen Steroid-5α-Reduktase-Mangel, einen männlichen Chromosomensatz (XY) und männliche Testosteronwerte. Ihre Ausweisdokumente weisen sie als Frau aus.
Der Steroid-5α-Reduktase-Mangel ist eine Störung der Geschlechtsentwicklung (Difference of Sex Development, DSD), bei der das Enzym zur Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) fehlt. DHT wird für die Entwicklung der männlichen äußeren Geschlechtsorgane benötigt.
Wenn DHT fehlt, entwickeln XY-Personen weiblich erscheinende Genitalien, was dazu führen kann, dass sie als Mädchen aufgezogen werden. Im Gegensatz zu Frauen (XX) durchlaufen Intersexuelle mit 5-ARD jedoch eine männliche Pubertät mit Zunahme der Muskelmasse und der Knochendichte, was zu Vorteilen bei Kraft und Schnelligkeit führt.
Hoovens Einschätzung des Kampfes
Hooven erklärt, dass es aus biologischer Sicht korrekt ist, Intersexuelle mit 5-ARD als männlich zu klassifizieren, da sie die körperlichen Vorteile einer männlichen Pubertät haben. Die Forderung, dass diese Athleten ihren Testosteronspiegel auf weibliche Werte senken müssen, um in der Frauenklasse starten zu können, sei daher gerechtfertigt.
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Carini, Khelif und der neue Kampf der Geschlechter im Sport
Sie verwies auf Studien des Forschers Shalendar Bhasin, wonach das Fehlen von DHT keinen Einfluss auf die anabole Wirkung von Testosteron habe. Intersexuelle mit 5-ARD profitieren demnach genauso vom pubertären Testosteronanstieg wie XY-Männer.
Diskussion um Sicherheit und Fairness
Der Kampf zwischen Khelif und Carini hat die Debatte um die Startberechtigung intersexueller Athleten im Frauensport neu entfacht. Kritiker argumentieren, dass ihre körperlichen Vorteile die Sicherheit der Konkurrentinnen gefährden und einen fairen Wettkampf unmöglich machen.
Befürworter der Inklusion intersexueller Menschen betonen hingegen, dass ein Ausschluss aufgrund der Geschlechtsidentität diskriminierend sei. Die Debatte ist politisch aufgeladen. So hatte sich nach dem abgebrochenen Kampf zwischen Carini und Khelif die rechtsgerichtete italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni umgehend zu Wort gemeldet und das Internationale Olympische Komitee (IOC) kritisiert.
Das IOC hatte im Vorfeld der Spiele Regeln für die Teilnahme von Intersexuellen am Sport erlassen. Demnach müssen diese ihren Testosteronspiegel für mindestens zwölf Monate unter 5 nmol/l senken, um in Frauenwettbewerben starten zu dürfen. Khelif erfüllte diese Bedingung.