Exil für Saddam

Die US-Regierung freundet sich angesichts wachsender Probleme mit einer "Lösung" des Konflikts an, die wahrscheinlich fataler als ein Krieg wäre

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Wenn Saddam Hussein und seine Regierungsmannschaft abtreten und ins Exil gehen würde, so wäre dies für die US-Regierung eine zunächst elegante Lösung des Konflikts, der sich vermutlich aufgrund der ablehnenden Haltung der meisten Staaten gegenüber einer Invasion als weitaus schwieriger als vorgesehen erwiesen hat (Rumsfeld und der Gottesbeweis). Aber das Zeichen, das von dieser "Lösung" ausgehen würde, wäre fatal - auch für die Rechtfertigung der US-amerikanischen Politik gegenüber Terroristen, "Schurkenstaaten" und ihren Diktatoren.

Kaum verhüllt hatte die US-Regierung schon kurz nach dem 11.9. auf eine militärische Intervention im Irak und auf den "Regimewechsel" gesetzt. Nach der Episode in Afghanistan sah man sich allerdings damit konfrontiert, dass es keine überzeugende Verbindung zwischen dem irakischen Regime und al-Qaida-Terroristen gab. Um wegen Willkürlichkeit und der offenkundigen Verfolgung eigener nationaler Interessen nicht ganz isoliert zu werden, suchte die US-Regierung, offenbar vorwiegend auf Betreiber von Außenminister Powell, die UN mit mehr oder weniger erpresserischen Mitteln mit ins Boot zu holen, was aber nur unter dem Deckmantel der Abrüstung der Massenvernichtungswaffen gelingen konnte.

Allerdings muss mit der Einschaltung des Sicherheitsrats nun ein Beweis für eine schwerwiegende Verletzung der Resolution vorliegen, ein Alleingang ohne einen überzeugenden, nicht an den Haaren herbeigezogenen Beweis wäre hingegen nur möglich, wenn die US-Regierung riskiert, noch stärker an Ansehen und Glaubwürdigkeit zu verlieren. Doch mittlerweile kann US-Präsident Bush nach der gezeigten Entschlossenheit, dem rhetorischen Aufwand und der bereits am Persischen Golf aufgebotenen Truppenpräsenz auch nicht mehr wirklich zurück, ohne innenpolitisch und gegenüber der Weltöffentlichkeit sein Gesicht zu verlieren. Zudem muss bald eine "Lösung" gefunden werden. Dafür ist nicht das "Kriegsfenster" alleine entscheidend, das sich Anfang März zu schließen beginnt. Eine Haltung, die sich als permanente Ankündigungspolitik erweist, verfällt und löst sich von innen heraus auf.

Die ganze Situation würde gelöst werden, wenn Saddam Hussein und alle um ihn, die wie er denken - seine Söhne, die Führungsschicht des Regimes -, das Land verlassen würden. Wenn dies geschehen würde, dann wäre dies aus meiner Perspektive schön.

Außenminister Powell

Der schlimmste Fall für die US-Regierung wäre wohl tatsächlich, dass sich die Inspektionen weiter dahinschleppen, dass es im UN-Sicherheitsrat schließlich keine Mehrheit für eine militärische Intervention geben würde und dass Hussein an der Macht bliebe. Möglicherweise aber wäre auch die Alternative, Hussein nach einem Sieg vor ein selbst zusammen gesetztes Tribunal stellen zu müssen, nicht wirklich erwünscht, da er dem Diktator eine Bühne bieten würde, während ihm ein fairer Prozess gemacht werden müsste - und dabei beispielsweise auch die Beihilfe der USA zum Aufbau des "Schurken" zur Sprache kommen könnte (Der Irak, die USA und die Massenvernichtungswaffen). Zu den Problemen muss man sich nur den Prozess gegen Milosevic ansehen (Wird Saddam Hussein der Prozess gemacht?).

Da sich offenbar im Irak bislang keine Revolte entzünden ließ, um den Diktator zu stürzen, scheint die US-Regierung nun Gefallen an der vermutlich von arabischen Staaten ausgehenden Initiative daran zu finden, Hussein durch Exil zu entsorgen. Bush selbst äußert sich sicherheitshalber dazu noch nicht, sondern schickt Verteidigungsminister Rumsfeld, Außenminister Powell und Sicherheitsberaterin Rice vor ins diplomatische Minenfeld. Schließlich könnte Hussein trotz aller Kriegsbedrohung dennoch das Ansinnen ausschlagen, mit großem Tross und reichlich Geld in irgendein Land auszuwandern, das ihn aufnimmt.

"Ich denke, Krieg ist die letzte Lösung. Ich wäre sehr erfreut, wenn Saddam Hussein das Handtuch schmeißt und sagt: 'Das Spiel ist aus, die Internationale Gemeinschaft hat mich erwischt und ich werde jetzt einfach gehen.' ... Ich würde persönlich empfehlen, dass man Vorkehrungen trifft, so dass der Führungsschicht des Landes und ihren Familien eine Zuflucht in einem anderen Land angeboten werden kann. Ich glaube, dies würde ein fairer Handel sein, um einen Krieg zu vermeiden.

Verteidigungsminister Rumsfeld im ABC-Interview

Auch wenn man in der US-Regierung weiter drängt, dass nach dem Bericht am 27. Januar schnell eine Entscheidung getroffen werden müsse, so scheint die koordinierte Wochenendeaktion doch dafür zu sprechen, dass man diesen Ausgang vorziehen würde. Natürlich sind solche Angebote für Hussein ein Zeichen, dass es für ihn noch Chancen gibt. Je länger er den Schritt zu Verhandlungen hinauszieht, desto bessere Konditionen könnte er womöglich aushandeln, falls sich überhaupt irgendein Land finden ließe, das bereit wäre, ihn aufzunehmen. Dazu müsste vermutlich einiges an Geld und anderen Gaben aufgeboten werden, zumal Hussein auch nur dann ein solches Angebot annehmen dürfte, wenn er ziemlich sicher ist, nicht später doch ausgeliefert oder verfolgt zu werden.

Falls es tatsächlich zu einem Auszug von Hussein und seinen Gefolgsleuten aus dem Irak käme, wäre das Pulverfass Irak noch keineswegs entschärft, sondern stünden womöglich Bürgerkriege bevor, die die Region erschüttern könnten. Doch wieder einmal einen "Schurken", den gerade die US-Regierung wieder zum Weltbösen Nr. 1 stilisiert hatte, nachdem die Jagd auf Usama bin Ladin keinen Erfolg zeitigte, Straffreiheit zuzusichern, könnte der Sache der globalen Gerechtigkeit womöglich einen größeren Schaden bereiten als ein Einmarsch der Amerikaner in den Irak, sofern dieser schnell und mit relativ wenig Opfern gelänge und Hussein und Co. gerichtlich zur Verantwortung gezogen würden.

Präsident Bush hatte immer wieder auf Hussein als Inkarnation dieses zur "Achse des Bösen" gerechneten Regimes gezeigt, der sich Massenvernichtungswaffen besorgt und sie auch eingesetzt hat, der fortwährend lügt und täuscht, andere Staaten bedroht und das irakische Volk unterdrückt, und der auch versucht hat, seinen Vater umzubringen. Wenn nun dieser "Outlaw" im "Krieg gegen den internationalen Terrorismus" in Freiheit davonziehen und in Saus und Braus irgendwo unter Billigung der US-Regierung leben dürfte, wäre zwar ein Krieg vermieden worden, den die US-Regierung in diesem Fall überdies selbst ins Spiel gebracht hat. Gleichzeitig aber könnte man nicht deutlicher machen, dass es der US-Regierung einzig um die Durchsetzung ihrer Interessen geht.

Die Bekämpfung des Internationalen Strafgerichtshofs würde dann auch noch einmal in einem anderen Licht erscheinen (USA und Israel boykottieren den Internationalen Gerichtshof). Die US-Regierung will nicht nur die eigenen Bürger und die von Alliierten vor jedem rechtlichen Zugriff sicher stellen, sondern auch willkürlich darüber entscheiden, welchen "Schurken" ein Prozess gemacht wird und welche frei ausgehen, unabhängig davon, was sie gemacht haben. Milosevic und Co. dürften dann in der Tat davon ausgehen, dass es sich bei ihnen nur um eine Willkürjustiz gehandelt hat, und dass sie nur nicht stark oder gefährlich genug waren, um einen profitablen Deal zu machen.