Extinction Rebellion - Inneneinsichten einer ökopopulistischen Sekte

Seite 2: Erfahrungen

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In den Monaten, die ich bei XR verbracht habe, habe ich eine Menge netter, offener Leute getroffen. Viele positionierten sich im weitesten Sinne irgendwie links. Deutlich waren aber auch esoterische Tendenzen und ein deutlicher Hang zur Emotionalisierung von Politik und Diskurs. Bei XR-Leipzig sind Personen über 30 selten, Personen über 40 noch seltener. Soweit ich es beurteilen kann, nahmen bis auf einen Mann aus einem europäischen Nachbarland keine Menschen mit Migrationshintergrund an den Plena teil (nicht überraschend, dass der Leipziger Mattermost-Kanal "People of Color" fast keine Mitglieder hat - und dort auch nichts gepostet wird; ebenso wie im LGBTQIA+-Kanal). Frauen stellen in der Regel rund zwei Drittel der Anwesenden. Fast alle studierten.

Im Herbst 2019 waren die Leipzig-Plena so groß geworden, dass die drei Stadtteilgruppen West, Ost und Süd geschaffen wurden. Die konstituierende Sitzung des Ost-Plenums, die in den Räumen eines linken Hausprojektes stattfand, stellte den Beginn meiner aktiven Beteiligung an XR dar. Unter einer an der Wand hängenden Fahne der Antifaschistischen Aktion wurde darüber diskutiert, wie die Plena ablaufen sollten. Vor dem Hintergrund der bei XR vorherrschenden politischen und theoretischen Inhaltsleere schlug ich vor, bei jedem Plenum Zeit für inhaltliche Auseinandersetzungen einzuplanen. Wie aus der Pistole geschossen antwortete jemand, dies müsse aber zeitlich begrenzt werden. Um zuverlässig für regelmäßigen Input zu sorgen, gründete ich später mit zwei Gleichgesinnten einen entsprechenden Arbeitskreis.

Problematisch stellte sich die Raumsituation dar: man bräuchte repräsentablere Räumlichkeiten für Treffen, da XR gezielt Personen aus der bürgerlichen Mitte ansprechen wolle. Plena, bei denen man auf dem Fußboden und unter Antifa-Symbolen sitzen muss, könnten in dieser Hinsicht kontraproduktiv wirken.

Meine Beteiligung an XR bestand im Wesentlichen darin, aufklärerische Positionen und Denkweisen einzubringen, eine "Immunisierung" gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus voranzubringen, esoterische und emotionalisierende Ansätze zu problematisieren. An Aktionen unter XR-Fahne wollte ich mich nicht beteiligen, solange den Erklärungen gegen Roger Hallams Holocaust-Relativierungen keine Taten gefolgt waren.

Hallam ist der wohl prominenteste Gründer von XR und galt intern als Chefstratege. Er hatte in einem ZEIT-Interview den Holocaust als "just another fuckery in human history" bezeichnet und gesagt, der Holocaust werde in Deutschland überbewertet. Dies war nicht die erste und nicht die letzte holocaustrelativierende Aussage des Mannes, der wie kein anderer weltweit als Sprecher der Bewegung wahrgenommen wurde. XR Deutschland und einige Ortsgruppen distanzierten sich von den Aussagen, andere hielten dies nicht für nötig. Anstelle eines Ausschlusses Hallams aus der Bewegung begann eine monatelange Mediation, die zum jetzigen Zeitpunkt von manchen Beteiligten als gescheitert angesehen wird, aber nicht zu einem Abschluss gebracht wurde.