Extinction Rebellion - Inneneinsichten einer ökopopulistischen Sekte
Seite 8: Fazit
Ich habe mir XR einige Monate lang von außen und dann von innen angesehen. Dabei hatte ich zunächst die Hoffnung, eine Bewegung gefunden zu haben, in der ich mich politisch engagieren könnte. Schon bald änderte sich meine Motivation dahingehend, dass ich die Notwendigkeit sah, politische Bildung in die Bewegung zu tragen und mich einem Abdriften in Esoterik und Ökofaschismus entgegenzustemmen. Viele derer, die mit ähnlichen Motivationen bei XR aktiv waren, haben aufgegeben.
Im Rückblick erscheint mir der Umgang mit kritischem Denken besonders problematisch: "Wir sind eine lernende Bewegung", aber unsere Kritiker haben alle keine Ahnung, wollen uns nur Böses, hegen "irrationalen Haß" oder wollen "sich über uns stellen". Kritisches Denken als notwendige Zuwendung zu Problemen wird vor allem als Bedrohung und Verunsicherung verstanden und entsprechend abgewiesen. Eine Urteilskraft, die hauptsächlich als Waffe geübt wird, verliert aber ihre konstruktive Funktion als Werkzeug zur eigenen Weiterentwicklung.
XR bleibt mit seinen unausgesprochenen und nicht legitimierten Hierarchien weit hinter dem Standard des Rests der Gesellschaft zurück. Verborgen wird dies unter einer dicken, flauschigen Decke aus demonstrativer Wohlfühlkultur, "Care", "Awareness", "Gewaltfreiheit" etc. Die dahinter tobende Gewalt bricht ungebremst hervor, wenn jemand abweicht. "Bekenne Dich zu den 10 Geboten, pardon, Prinzipien!" Zweifel? Kritik? Ketzer!
Extinction Rebellion ist eine zentral gegründete, dezentrale Bewegung. Und dieser Ur-Widerspruch ist nicht der einzige in dieser Retortenbewegung. XR ist politische Bewegung und Familienersatz versprechende sektenartige Struktur in Einem. Ohne politische Forderungen, mit umso mehr Wohlfühlklimbim. Die Bewegung will "Hierarchien überwinden", unterwirft sich aber dem von Hallam & Co. gestifteten, als sakrosankt geltenden Programm, und bildet durch nichts als durch erhöhtes Aktivitätslevel legitimierte informelle Hierarchien aus. Es gibt weder Wahlen, noch Rechenschaftspflicht. Folgerichtig wendet man sich auch mit Forderungen nicht an die Parlamente, sondern an die Regierungen.
XR wurde "von SozialwissenschaftlerInnen entworfen" , die aber nicht bemerkt haben, dass eine demokratische Bewegung auch über Mechanismen zur Veränderung des Programms verfügen muß, weil es mehr bieten muß als ein Katechismus.5 Das Ergebnis sind unerkannte Selbstwidersprüche.
XR spricht sich gegen Biologismen wie Rassismus oder Sexismus aus, verwendet jedoch für die eigenen Strukturen biologistische Sprache: So ist von der "DNA von XR" die Rede oder vom "Vertrauen als Blut der Bewegung"6. Es gibt eine Bundes-AG (im XR-Sprech: "nationale" AG), "DNA Care", zu Deutsch etwa "AG Erbgutpflege". Die Verwendung des Ausdrucks DNA für eine soziale Bewegung lässt darauf schließen, dass Veränderungen der Programmatik als widernatürlich abgelehnt werden.
Tatsächlich reagierten viele "RebellInnen" mit angstmotivierter Ablehnung auf Überlegungen, die 10 Prinzipien zu verändern. XR möchte Menschen aus allen politischen Lagern sammeln UND sich einheitlich politisch nach außen positionieren. Man möchte "offen für alle" sein, drängt linke KritikerInnen aber raus.
XR will auf Grundlagen der Wissenschaft gestützt agieren, setzt aber gleichzeitig auf Emotionalisierung, ist offen für Esoterik und Verschwörungsgläubige und verweigert sich der Grundlage aller Wissenschaft: dem Diskurs, dem Streit - immer unter Hinweis auf die Dringlichkeit des Anliegens.
XR trägt seine Gewaltfreiheit so sehr wie einen Bauchladen vor sich her, dass andere Gruppen und Bewegungen sich dadurch manchmal als gewalttätig gelabelt sehen; der zugrundeliegende Gewaltbegriff ignoriert jedoch staatliche und ökonomische Gewalt weitgehend und besteht auf "gewaltfreier Kommunikation", während Mobbing und äußerst aggressives Auftreten gegen KritikerInnen zur Normalität gehören.
Meine Erfahrungen in dieser Hinsicht stellen selbstverständlich keinen Einzelfall dar, wie mir aus verschiedenen Ecken der Bundesrepublik berichtet wurde. Man möchte gerne vielfältig sein, fühlt sich in der Einfalt aber wohler: man ist weiß, jung und verfügt über einen recht hohen Grad formaler Bildung. Wer sich nicht einer bestimmten, angelernten Kommunikationsweise bedient, riskiert gemaßregelt zu werden.
Zu anderen Gruppen und Bewegungen pflegt XR ein eher instrumentelles Verhältnis. Man überlegt diese zu unterstützen, nicht in erster Linie, weil man deren Anliegen gut findet, sondern weil man sich dadurch Zulauf zur eigenen Bewegung erhofft.7
Bedenklich ist das krude Verständnis mancher Führungsgestalten von einem Leben in "Selbstaufopferung", dem kaum je widersprochen wird. XR-AktivistInnen wollen "Emotionen [...] zur Grundlage des Handelns machen". Die Kombination aus nicht legitimierten Hierarchien, Sektenartigkeit und gegenaufklärerischen Tendenzen sowie Abgrenzung gegen alles, was "links" wirken könnte, beinhaltet ein großes Potential für das künftige Abdriften in eine ökofaschistische Bewegung.
XR wird nichts zum Verlangsamen des Klimawandels beitragen - eher im Gegenteil, denn XR bindet Kapazitäten und schwächt damit Bewegungen, die einem modernen Anspruch an transparente und demokratische Organisationen sehr viel besser gerecht werden.
* Alle Namen sind frei erfunden