FDP hält sich für unverzichtbar im Kampf gegen linken Absolutismus und Feudalismus

Während Rösler seiner Partei Mut zuspricht, scheitert im Saarland die Koalition an der FDP

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Eigentlich sollte das traditionelle Dreikönigstreffen der FDP ein Befreiungsschlag für die schwächelnde FDP werden. Vom Parteivorsitzenden Philipp Rösler war ein Befreiungsschlag erwartet worden. Doch die FDP-Spitze zeigt auf ihrer jährlichen Kundgebung, dass sie nicht einmal in der Lage ist, die Probleme im Land wahrzunehmen. Lösungen sind von den Liberalen erst recht nicht zu erwarten. Mitten in den Versuch eines erneuten Neuanfangs platzen dann jedoch schlechte Nachrichten aus dem Saarland herein.

Schon im Vorfeld der Dreikönigs-Kundgebung wurden die Liberalen mit einem neuen Negativrekord konfrontiert: um ein weiteres Prozent rutscht die Partei in der Wählergunst ab. Der ARD-Deutschlandtrend sieht die FDP bei nur noch zwei Prozent. Nur noch 15 Prozent der Befragten halten die Liberalen für glaubwürdig. Auch Philipp Rösler wird von den Befragten bereits abgeschrieben. Nur noch ein Drittel glaubt, dass er zum Jahresende noch FDP-Chef sein wird. Mit einer Zustimmung von 20 Prozent liegt er auf der Beliebtheitsskala deutlich hinter Guido Westerwelle und Rainer Brüderle, die immerhin 25 und 27 Prozent der Befragten überzeugen können.

In seiner einstündigen Rede gibt sich Rösler alle Mühe deutlich zu machen, warum die meisten Wähler die FDP mittlerweile für verzichtbar halten. Immer mehr Arbeitslose rutschten direkt in Hartz IV, die Frührente werde zur Regel und die Deutschen hätten Angst vor der Krise, so zitiert der FDP-Chef einige Schlagzeilen der letzten Tage. Doch anstatt für diese Probleme Lösungsangebote zu liefern, qualifiziert Rösler sie als realitätsfern ab. Mit den Worten "nun zu den wirklichen Fakten" präsentiert er Erfolgszahlen.

In Röslers Welt brummt die Wirtschaft, haben immer mehr Menschen einen Arbeitsplatz. 76 Prozent der Deutschen seien sehr zufrieden, das sei die deutsche Wirklichkeit, so Rösler. Deutschland gehe es gut, und wer das auch so sehe, der habe keine getrübte Wahrnehmung. Wer die wirtschaftliche Lage in Deutschland nicht durch die rosarote FDP-Brille sehen will, offenbar schon. Dass insbesondere Geringverdiener massive Verluste im Bruttoerwerbseinkommen zu beklagen haben, ist für die FDP kein Thema.

Zwischen 2005 und 2010 liegt die Zahl der armutsgefährdeten Erwerbstätigen konstant bei 2,7 bis 2,9 Millionen, wie die Bundesregierung erst kürzlich auf eine Anfrage der Linken hin einräumen musste. Das entspricht einem Anteil von 7,1 bis 7,5 Prozent aller Erwerbstätigen. Eine Strategie, wie diese Armut bekämpft werden kann, bietet Rösler nicht an. Stattdessen polemisiert er gegen den Mindestlohn. Der wäre Rösler zufolge eingeführt worden, hätten SPD, Grüne und Linke 2009 die Regierungsverantwortung übernommen. Zehntausende hätten dann ihre Arbeitsplätze verloren, ist der FDP-Chef überzeugt. Wege zu einem menschenwürdigen Lohnwachstum kann Rösler nicht anbieten.

Dabei ist Wachstum sein zentrales Thema. Es ist unmöglich zu zählen, wie oft der FDP-Vorsitzende dieses Wort in seiner Rede benutzt hat. Nachdem die FDP versucht, sich von den Steuersenkungen als alleinigem Thema zu verabschieden, soll offenbar der Kampf für mehr Wachstum zum neuen Wahlkampfschlager werden. Kritiker dieser Wachstumsideologie, insbesondere der Club of Rome, erinnern ihn an die Zeugen Jehovas: Wenn die Welt morgen nicht untergeht, dann eben übermorgen.

Die Endlichkeit der Ölvorräte auf der Erde vermag Rösler nicht anzuerkennen. Er sieht vielmehr Gegner der Marktwirtschaft am Werk, "Pessimisten, Gutmenschen und Miesmacher", die das Wachstum verteufelten, um die Marktwirtschaft zu schwächen. Zwar kritisiert Rösler im Zusammenhang mit seinem Plädoyer für Wachstum auch die Verantwortungslosigkeit der Finanzmärkte, die die Grundfesten der Demokratie zu zerstören drohten, doch insgesamt ist dieser Aspekt in der Rede eine Randnotiz, eine lästige Bemerkung, die gemacht werden muss, um nicht vollkommen unglaubwürdig zu wirken.

Und so ist es kaum glaubwürdig, wenn der neue Generalsekretär Patrick Döring behauptet, die FDP habe aus den vergangenen zwei Jahren gelernt. Auch er betont vor allem, dass die FDP viel erreicht habe: Die Zahl der Arbeitsplätze sei auf einem Allzeithoch, und die Liberalen hätten eine Stabilitätsunion in Europa durchgekämpft. Wenn etwas schief läuft, dann ist jedenfalls nicht die FDP schuld, so muss man Döring wohl verstehen. Denn trotz der angeblichen Erfolge der FDP muss er eingestehen, dass nicht "die Freiheit", für die die Liberalen gerne stehen wollen, derzeit in Deutschland regiere, sondern "Angst und Miesmacherei". Angst und Miesmacherei sind für Döring ein Werk der Opposition, der Linken. Die Finanz- und Schuldenkrise werde von SPD und Grünen für eine Renaissance von Ideen der 68er missbraucht, es gebe keine Steuerschraube, an der sie nicht drehen wollten.

Ganz ohne Steuerpopulismus kommt die FDP immer noch nicht aus. Auch Döring lässt konkrete politische Ideen vermissen, vielmehr konzentriert er sich darauf, den politischen Gegner lautstark anzugreifen. Die SPD glaube wieder an den starken paternalistischen Staat, da sie sich von der Rente mit 67 verabschiede. Für Döring ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters eine absolute Notwendigkeit. Dabei ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters alles andere als demographisch unvermeidlich, wie der Statistiker Gerd Bosbach erst jüngst vorgerechnet hat.

Die Grünen wollen nach Dörings Ansicht Deutschland sogar umerziehen, von einer sozialen Marktwirtschaft hin zu einer grünen Planwirtschaft. Das koste erst Geld und dann den Arbeitsplatz, malt er ein Horrorszenario an die Wand - ohne dabei zu bedenken, dass eine Modernisierung der Wirtschaft durchaus auch Arbeitsplätze schaffen kann. Jedoch hält die FDP lieber an alten, überkommenen Industrien fest. So forderte Rösler auf dem Dreikönigstreffen den vermehrten Einsatz von fossilen Brennstoffen zur Energiegewinnung.

Selbst die Union ist den Liberalen zu links. Immerhin beschäftigt sie sich seit ihrem letzten Bundesparteitag auch mit dem Thema Mindestlohn. Döring macht keinen Hehl daraus, dass ihn selbst die bloße Diskussion über dieses Thema stört. Wichtig sei, dass es noch eine Kraft gebe, die gegen Linksprogramme eintritt, mahnt Döring.

Tatsächlich ist der Kampf gegen Links das zweite große Thema bei den Liberalen. Und linke Ideen finden die FDP-Spitzenpolitiker in allen Parteien, die derzeit im Bundestag vertreten sind, von der CSU bis hin zur Linkspartei. Die FDP versucht, sich als letztes Bollwerk gegen die vermeintliche Sozialdemokratisierung der Bundesrepublik darzustellen. "Die Liberalen sind als Gegenbewegung zu Absolutismus und Feudalismus entstanden. Sie bilden die große Emanzipationsbewegung des verantwortungsbereiten Einzelnen. Diese Mission ist noch nicht erfüllt. Absolutismus und Feudalismus kleiden sich heute anders", behauptet Entwicklungsminister Dirk Niebel.

Absolutisten und Feudalisten, das sind für Niebel unter anderem jene Bürger, die gegen Stuttgart 21 auf die Straße gegangen sind. "Lautstarke Minderheiten" nennt er sie, die sich über das Gesetz stellen würden. Gemeint sind jedoch wohl alle, die Protest anmelden gegen die Projekte, die schwarz-gelb durchzusetzen versucht. Eine derartige Position ist jedoch unpassend für eine Partei, die sich selbst liberal nennt.

Prüfen kann man dies auch an Niebels Entwicklungspolitik selbst. "Unsere Entwicklungspolitik fördert die Entfaltung von Chancen von Demokratie und Rechtsstaat gerade auch in der arabischen Welt und Nahost", erklärt der Minister vollmundig. Dabei billigt er ausdrücklich die Lieferung von Panzern nach Saudi-Arabien, welches im März vergangenen Jahres keine Probleme damit hatte, Bahrain bei der Niederschlagung von Protesten gegen die dortige Regierung zu helfen. Niebels Entwicklungspolitik hat den Ruf, vor allem den Interessen der deutschen Wirtschaft zu dienen. Wenn Niebel behauptet, Liberale stellten bei der Entwicklungspolitik die Menschenrechte ganz nach vorne, dann hat das mit seiner praktischen Politik eher wenig zu tun. Ähnlich realitätsnah ist Niebels Behauptung, die Deutschen seien das beliebteste Volk der Erde, weil wir Westerwelle als Außenminister hätten. Sie zeigt aber, wie schwer es der FDP derzeit fällt, ihre eigene Politik zu verkaufen und wie wenig sie den Menschen in der Krise anzubieten weiß.

Dabei betonten die Redner auf Dreikönig beständig, wie "unverzichtbar" sie doch sei. Doch just dann, wenn der Parteivorsitzende spricht, beweist die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer das exakte Gegenteil. Sie beendet die Jamaikakoalition im Saarland. Nicht etwa wegen der Grünen, auf die die Liberalen derzeit so gern einschlagen. Sondern wegen der FDP. Die saarländische FDP-Fraktion fällt vor allem durch Personalquerelen auf. Seit über zwei Wochen hat die Fraktion nicht einmal mehr einen Vorsitzenden. Nun steht im Saarland die Bildung einer Großen Koalition an, Kramp-Karrenbauer hat der SPD bereits Gespräche angeboten. Für Niebel ist das Vorgehen der Ministerpräsidentin schlicht ein "sehr unfreundlicher Akt". Er zeigte sich verärgert, dass Kramp-Karrenbauer ausgerechnet zur traditionellen Dreikönigskundgebung die Koalition beendet.

Die Frage, ob diese FDP gebraucht wird, ist damit aber wohl beantwortet: eher nicht. Die Liberalen, das zeigt der gestrige Tag deutlich, sind in einem außerordentlich desolaten Zustand. Ein wirklicher Neustart rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl ist nicht in Sicht.

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