Falken und Masterpläne
Was soll die Syrer nach dem, was vor 2011 war und dem, was seither ist, wieder zusammenschweißen?
Die Neusortierung der syrischen Rebellenszene ist ein relativ junges Phänomen - angetrieben von Kräften im Golf, die Syrien zur Hauptarena ihres Kampfs gegen den Schiismus machen wollten. Ein entsprechender Masterplan liegt laut arabischen Medien bereits vor. Eine wichtige Rolle in diesem Szenario dürfte Ahmad Abu Issa, Chef von Suqur al-Sham und der Syrisch Islamischen Befreiungsfront (SILF) zufallen - einem Falken mit der Aura eines Täubchens. Sind er und Syriens andere Top-Rebellen (siehe: "Kaum Schlimmes an dem Begriff 'islamisch'" und Die Antwort heißt "syrischer Salafismus"?) eine Art "hausgemachter Al-Qaida"?
Mit 150 Mann gründeten im September 2011 acht Einheimische aus der Provinz Idlib Suqur al-Sham (Bridade der Falken Syriens). Zu den Ursprungsgründern zählt Ahmad Abu Issa (manchmal wird auch der andere Name Ahmed al-Sheikh genannt), der heute den zivilen Flügel der Brigade leitet und somit für Medienkontakte sowie für die Beschaffung von Militärequipment und Lebensmitteln zuständig ist. Der militärische Flügel agiert laut Angaben der Brigaden-Webseite unabhängig, jedoch in Absprache mit Issa.
Ideologisches Konglomerat
Die zwischen Hama und Idlib kämpfenden Falken schlossen sich von Anfang an der Freien Syrischen Armee (FSA) an, jedoch formierte sich im September 2012 die Syrisch Islamische Befreiungsfront (SILF) , ein Dachverband mit rund 20 Milizen und rund 40.000 Kämpfern, der völlig unabhängig vom Zentralkommando der FSA agiert.
Obgleich Issa die SILF anführt, beschreibt sie der schwedische Journalist Aaron Lund als einen Zusammenschluß vieler Kämpfer mit wenigen Führern - in Kontrast zur FSA, die viele Führer, aber wenig Kämpfer aufweise. Gemeint ist, dass die SILF keiner scharf profilierten Ideologie unterliegt.
So finden sich allein in den Reihen der Falken auch Säkulare oder Moderate, obgleich die Gruppierung insgesamt einen unverkennbar islamistischen Charakter trägt und Issa manchen als ausgemachter Salafist gilt.
Allerdings bemüht sich die Gruppierung diesen Begriff mit neuen Inhalten zu füllen, indem sie sich wie Hassan Abboud vom globalen Dschihadismus al-Qaidas distanziert und einen quasi-nationalen Salafismus schaffen will. Zu dessen Untermauerung verzichten die Falken ebenso wie die Ahrar al-Sham beispielsweise auf al-Qaida-typische Selbstmordattentate.
Stattdessen lässt Issa die Angriffe auf Armeecheckpoints, mit denen seine Brigade regelrechte Berühmtheit erlangte, durch Kriegsgefangene und via Fernzündungen erfolgen .
Angeblicher Masterplan für die Rebellenszene
Wie Zahran Alloush oder Hassan Abboud versteht sich Issa als eine der Führungsfiguren, die die politische Opposition ersetzen können. Entsprechend unterzeichneten die Falken die "islamische Allianz", die der Syrischen Nationalen Koalition im Herbst letzten Jahres die politische Tür wies.
Dass sie der von Zahran Alloush ausgerufenen Armee des Islam indes fernblieben, begründete Ende vergangenen Jahres die saudisch finanzierte Tageszeitung Al-Hayat gleichfalls mit einem neuen, großangelegten Entwurf für Syriens Rebellenszene. Diese soll demnach mithilfe "regionaler Mächte" in zwei große Blöcke umstrukturiert werden - in die "Armee des Islam" im Süden und in die "Armee Mohammads" im Norden.
Nachdem Issas Falken im Norden aktiv sind, macht es also Sinn, dass sie nicht dem Südblock beitraten. Weniger Sinn macht indes, dass die gleichfalls im Norden kämpfende "Liwa‘ al-Tawhid" dies sehr wohl tat, was wohl - abermals - mit den noch nicht abgeschlossenen Dynamiken zu erklären ist.
Seit al-Hayats Bericht vom Oktober 2013 hat sich einiges geändert. Suqur al-Sham spielen nun eine größere Rolle in der Islamischen Front, die sich bis dato als der schlagkräftigste Zusammenschluss von Rebellengruppen erweist. Derzeit weckt die islamische Front mit Kämpfen im Norden des Landes gegen ISIS die internationale Aufmerksamkeit für das syrische Kriegstheater neu.
Geballte Reaktion auf drei Rückschläge
Grundsätzlich müssen die gegenwärtigen Entwicklungen vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten sechs Monate gelesen werden: Dass die schiitische Hizbollah im Früsommer dem Regime zu einem entscheidenden Sieg in Kuseir verhalf, erschütterte das konfessionell aufgeheizte Sunnitenlager bis ins Mark.
Hinzu kamen die Signale, die die Syrische Nationale Koalition aussandte: Ahmed Tohme, der vom Westen abgesegnete Ministerpräsident der derzeitigen syrischen Übergangsregierung, proklamierte, dass nicht islamische, sondern säkulare Gesetze in Syrien herrschen sollten. Ein Affront - errichteten die Rebellen doch in den von ihnen eroberten Gebieten als Erstes Gerichtshöfe, die auf der Scharia basieren.
Der dritte und größte Paukenschlag erfolgte schließlich seitens der USA und Russlands: Beide einigten sich im September auf einen Plan zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen und holten damit Präsident Baschar al-Assad ins Boot zurück. Er, für dessen Deligitimierung alle revoltierenden Syrer - wie auch die Golfstaaten - seit dem März 2011 kämpfen, wurde wieder zum Verhandlungspartner auf Augenhöhe erhoben und als solcher für seine Kooperationsbereitschaft von US-Außenminister John Kerry auch noch gelobt.