Fallen, die mit Forderungen nach Gerechtigkeit verbunden sind

Seite 3: Der Stellenwert des privaten Luxus der Reichen

Es greift zu kurz, die Mehrwertproduktion als Mittel für den Saus und Braus der Reichen aufzufassen. Gewiss gibt es bei Reichen Luxuskonsum.

Die Umverteilung der dafür verwendeten Finanzmittel auf die Armen würde jedoch wenig verändern. Denn den Metropolen-Kapitalismus zeichnet der Vorrang der Re-Investition von Gewinnen vor deren privater Konsumtion aus.

Die Milliardenvermögen der Flicks, Mohns und Gettys (stecken) zum allergrößten Teil in ihren Unternehmen […]. Privat leben viele von ihnen vergleichsweise bescheiden, anders als manche Pop- und Fußballstars, denen wir ihren Wohlstand meist viel weniger neiden.

Hank 2008, 287

Kapital existiert nur, indem es sich vermehrt. Kapitalakkumulation ist Produktion von Mehrwert um der Anlage des Mehrwerts in Mehrwert produzierender Produktion willen. Die Konsumtion (ob nun der Armen oder der Reichen) bildet nicht den Zweck der kapitalistischen Produktion.

Kapitalismuskritik unterscheidet sich von Kritik an Kapitalisten.

Wird mit der Enteignung der Reichen und selbstverwalteten Betrieben alles gut?

Viele Linke meinen, das Geld für umfangreiche Reformvorhaben (z. B. gemeinnütziger Wohnungsbau, ein gutes Schul- und Gesundheitswesen) sei doch vorhanden. Er liege nur gegenwärtig an der falschen Stelle – bei den Reichen.

Für den privat konsumierten Reichtum gilt vielleicht die Vorstellung von Tolstoi:

"Mit den Reichtümern ist es wie mit dem Mist: sie stinken, wenn man sie auf einen Haufen wirft, während sie auseinandergestreut den Boden düngen."

Nur mit genau diesem großen "Haufen" an Reichtum aber lassen sich die für die moderne Produktion notwendigen teuren Materialien, Maschinen und Gebäude finanzieren. Sie bilden die Voraussetzung dafür, dass Arbeitskräfte produktiv sind im Produzieren von Mehrwert.

Einfach umzuverteilen ist nur der privat konsumierte Reichtum. Wer dessen stärkere Besteuerung vorschlägt, gibt noch keine Antwort auf die Frage, wie es möglich sein soll, ein Wirtschaftssystem ohne Privateigentum, Konkurrenz und den Zwang zur Kapitalverwertung zu organisieren.

Stellen wir uns vor, die Kapitalisten sind enteignet von ihren Produktionsmitteln. Nehmen wir an, letztere sind nun im kollektiven Besitz der jeweiligen Belegschaft. Stellen wir uns also einen "Selbstverwaltungssozialismus" im Unterschied zu einem "Staatssozialismus" vor.

In einer Marktwirtschaft enthalten jedoch selbst Betriebe, die im Eigentum ihrer Belegschaften sind, einen Kapital-Arbeit-Gegensatz.

Will eine Belegschaft mit ihrem selbstverwalteten Betrieb nicht untergehen, muss sie den Standpunkt des Betriebskapitals einnehmen, das sich nur durch Erfolg in der Konkurrenz mit anderen Kapitalen um die bessere Verwertung erhalten kann.

Dieses Erfordernis haben diejenigen, die ihren Betrieb in der Marktwirtschaft selbst verwalten, im Zweifelsfall auch gegen ihre Interessen an höherem Lohn oder an besseren Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Die sich selbst verwaltende Belegschaft kann Chefs nur abschaffen, indem sie selbst deren Funktion übernimmt. Auch in selbstverwalteten Betriebe werden, "sobald der Markt zum ökonomischen 'Zuchtmeister' oder 'Regulator' wird", "vertikale Klassenbeziehungen neu entstehen".

"Ebenso wie die Marktimperative die unmittelbaren Produzenten in der Frühzeit des Kapitalismus expropriiert (enteignet, Einf. d.A..) haben, könnten sie im 'Marktsozialismus' eine gleichartige Wirkung haben" (Wood 1999, 14f.).

Und es bleibt bei einer Ökonomie, in der höchst zweifelhafte Produkte produziert werden, nur damit Gewinn entsteht und die Wirtschaft nicht ins Stocken gerät (vgl. Creydt 2021).

Die entscheidende Frage ist dann nicht, welche Produkte und Dienstleistungen für die menschlichen Vermögen förderlich sind, sondern ob erstere dazu beitragen, dass "die Wirtschaft läuft".

Manche meinen: "Die Unternehmer sowie die Reichen haben das Sagen und nicht die Bevölkerung. Das ist ungerecht."

Faktisch bleiben jedoch die Unternehmer und die Reichen von Konstellationen der Konjunktur und der Krise abhängig. Auch für die Kapitalisten gilt, dass der kapitalistische Reichtum sich gegenüber ihrem Willen verselbständigt, sie also nicht der Souverän dieses Reichtums sind.