Fett ist die sechste Geschmacksrichtung

US-Wissenschaftler haben auch bei Menschen zeigen können, dass Varianten eines Gens dafür verantwortlich sind, ob Fette besser oder schlechter im Mund erkannt oder geschmeckt werden können

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Wir schmecken nicht nur süß, sauer, salzig und bitter, sondern auch umami, auch Fleischgeschmack genannt. Der vom Japaner Kikunae Ikeda Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte Umami-Geschmack erkennt vornehmlich Glutaminsäure, die in proteinreichen Nahrungsmitteln wie Fleisch, Käse, Tomaten, Soja oder Milch enthalten ist, gerne aber auch als "Geschmacksverstärker" eingesetzt wird. Zudem wird der Umami-Geschmack von der Asparaginsäure ausgelöst, ein Bestandteil des Süßstoffes Aspartam.

Schon vor einigen Jahren erkannte man bei Mäusen und Ratten, dass es offenbar auch Rezeptoren für Fett geben muss, wir also auch Fett direkt schmecken, was auch das Verlangen danach erklären würde. Allerdings dürften, wie eine andere Studie herausgefunden hat, nicht Menschen, die besonders geschmacklich sensibel auf Fett sind, größere Mengen davon zu sich nehmen, sondern eher diejenigen, die Fett weniger gut durch Schmecken erkennen können.

Nun haben Wissenschaftler der Washington University School of Medicine in St. Louis einen weiteren Hinweis dafür gefunden, dass auch Menschen Fett direkt schmecken können und nicht auf andere Merkmale fetthaltiger Nahrungsmittel wie deren Struktur oder Geruch angewiesen sind. Wie sie in ihrer Studie schreiben, die im Journal of Lipid Research erschienen ist, entdeckten sie, dass das Gen CD36 als Rezeptor beim Schmecken von Fett eine wichtige Rolle spielt. Getestet wurden 21 adipöse Versuchspersonen mit einem BMI von mehr als 30 und drei unterschiedlichen Allelen des Gens. Ihnen wurden mehrmals in Tassen drei Lösungen angeboten, von denen nur eine eine geringe Menge eines fettigen Öls enthielt, die anderen beiden waren ähnlich in der Beschaffenheit, aber fettlos. Versucht wurde, Unterschiede im Aussehen und im Geruch auszuschalten. Beim Versuch ging vornehmlich darum, die kritische Schwelle bei der Erkennung von Fett im Mund in Abhängigkeit zu den Gen-Allelen herauszubekommen.

Je nachdem, welches Allel des Gens ein Mensch besitzt, schmeckt er Fett stärker oder schwächer. Wird mehr CD36-Protein erzeugt, kann besser Fett erkannt werden. Diejenigen, die am meisten CD36-Proteine erzeugen, schmecken um das Achtfache eher das Fett in einer Nahrung als die Menschen mit dem Allel, bei denen die wenigsten CD36-Proteine erzeugt werden. Je höher der BMI der Versuchspersonen war, desto geringer war die Sensibilität für Fett im Mund.

Unter der Hypothese, dass fettleibige Menschen deswegen dick sind, weil sie zu viel Fett aufnehmen und Lebensmittel mit hohem Fettgehalt bevorzugen, könnte die genetische Grundlage für die Fetterkennung bedeuten, dass diese zumindest bei manchen Fettleibigen eine Rolle spielen könnte. Nada A. Abumrad, eine der Autorinnen der Studie, meint denn auch, es könne sein, dass dann, wenn Menschen mehr Fett zu sich nehmen, sie es weniger gut schmecken können, weswegen sie entsprechend mehr essen müssen, um dieselbe Befriedigung zu erfahren. Gibt es eine genetische Komponente für die Geschmackssensibilität, dann könnte man vielleicht Fettleibigkeit besser behandeln. Die Wissenschaftler führen ein anderes "food design" an, man könnte aber auch an Medikamente denken oder schlicht daran, eben weniger fetthaltige Lebensmittel zu essen.

Allerdings geht aus der Studie nicht hervor, ob eine bessere Erkennung des Fetts aufgrund eines Allels auch tatsächlich zu einem steigendem Fettkonsum bei den Betroffenen führt. Bei Mäusen und Ratten, bei denen das CD36-Gen ausgeschaltet wurde, konnte man allerdings beobachten, dass bei ihnen die normale Bevorzugung fetthaltiger Nahrung verschwunden war. Zudem hatten sie auch Schwierigkeiten, Fett zu verdauen. Werden Ratten sehr fetthaltig ernährt, sinkt die Produktion von CD36. So könnte also die Ernährung auch direkt auf das Gen einwirken.

Bei Tierversuchen hat sich gezeigt, dass CD36 durch freie Fettsäuren, aber nicht durch Triglyceride aktiviert wird, während Menschen beides schmecken können. Die Wissenschaftler vermuten, dass ein Enzym namens Lipase im Speichel die Ursache sein könnte. Es bricht die Triglyceride auf und löst die Fettsäuren, zumindest ist dies bei Ratten so. Nach den Wissenschaftlern ist bei Menschen die Rolle von Lipase im Speichel noch nicht klar, aber vermutlich ist das Enzym daran beteiligt, beides schmecken zu können. Das zeigt sich auch daran, dass die Versuchspersonen, wenn den Testlösungen Orlistat, ein Fettblocker, zugefügt wurde, zwar noch Fettsäuren schmecken konnten, aber Triglyceride kaum noch. Orlistat, das zur Behandlung von Adipositas gegeben wird, blockiert die Bildung von Lipase im Mund, im Magen und im Darm. Zwar macht das Medikament also die Erkennung von Fett schwieriger, aber eben nicht für alle Fette.