Finishing Fallujah
Irak: Häuserkampf in der "Stadt der Rebellen"
Sie sind in der Stadt. Der irakische Premierminister Allawi hat den amerikanischen und irakischen Verbänden das lang erwartete "Go!" gegeben: Zur Hölle sollen sie gehen, die "Killer", die sich in Falludscha verschanzt haben, sagte Allawi irakischen Soldaten bei einem Frontbesuch kurz vor Beginn der Operation Phantom Fury.
Zuvor hatte der Übergangsregierungschef einen 60tägigen Notstand für Teile des Landes ausgerufen. Er habe alle politischen Mittel ausgeschöpft, um einen militärischen Angriff zu verhindern, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass die Aufständischen in Falludscha an keiner friedlichen Lösung interessiert seien, teilte Allawi der Presse mit.
Das ist nur die halbe Wahrheit. Das Wenige, was von den Verhandlungen zu einer friedlichen Lösung im Vorfeld des lange angekündigten Militärschlags (vgl. Der "zweite Krieg" im Irak) an die Öffentlichkeit durchgedrungen ist und bisweilen in den unzähligen Berichten über Falludscha am Rande erwähnt wird, deutet daraufhin, dass die Kernbedingung der anderen Seite lautete, dass die Stadt ihre Angelegenheiten in eigener Regie regeln wolle, also ohne amerikanische Präsenz in Falludscha. Die letzte Friedensofferte einer sunnitischen Initiative (vgl. The Assault) bekräftigt diese Forderung noch einmal.
Eine für die Amerikaner unakzeptable Lösung. Auf die sunnitische Initiative reagierten sie gar nicht erst. Der Entschluss, gewaltsam in die Stadt einzudringen, stand unbeirrbar fest. Das Symbol des Widerstands im Irak soll fallen und eine verheerende Signalwirkung auf den gesamte Widerstand im Land ausüben, so das strategische Kalkül, das mit einigem Risiko (vgl. Die Fliege macht sich davon und das Pferd stirbt) behaftet ist, etwa dem Ausbruch eines Bürgerkrieges.
Indes gibt es auf amerikanischer Seite die ersten militärischen Erfolgsmeldungen: Gestern wurde das zentrale Krankenhaus eingenommen, zwei Brücken besetzt, heute morgen eine Bresche zum Bahnhof geschlagen. 4 000 Mann starke Marines-Einheiten rücken in das Julan-Viertel, im Nordwesten der Stadt vor, eine "bekannte Basis" der Aufständischen, die seit Monaten heftigen Luftbombardements ausgesetzt ist. Im Nordosten sollen sich weitere 4000 Truppen den Weg ins Askari-Viertel bahnen.
Der Widerstand, wird heute morgen gemeldet, sei leichter zu brechen als erwartet; eine Meldung, die irgendwie bekannt klingt. Wie zu den Hauptkampfhandlungen im letzten Jahr verhalten sich die Gegner der amerikanischen Truppen so, dass sie einer direkten Konfrontation ausweichen. Sie setzen auf andere taktische Möglichkeiten.
Nach Angaben eines Reporters der Times, der sich selbst als einziger westlicher Journalist in Falludscha bezeichnet, sollen 118 Autos, die mit Sprengstoff beladen sind, in der Stadt bereitstehen, 300 Männer sollen sich nach Informationen eines "Rebellenführers" zu Selbstmordanschlägen bereit erklärt haben, ganze Gebäude und Straßenzüge seien vermint. Inwieweit diese Angaben glaubwürdig sind, ist nicht verifizierbar. Informationen aus Falludscha gibt es so gut wie keine. Die "andere Seite" taucht in der Berichterstattung meist nicht auf. Man kann sich nur ein ungefähres Bild von den Zuständen in der Stadt machen, die seit Wochen einem zermürbenden Bombardement ausgesetzt ist, so gut wie keine Stromversorgung mehr hat, wo Wasser und Essen knapp geworden sind. Dass man sich das Krankenhaus als eines der ersten militärischen Ziele ausgesucht hat, ist nach Meinung vieler auch der "Informationspolitik" geschuldet: Man will verhindern, dass, wie beim Angriff der Marines auf Falludscha im April diesen Jahres, Meldungen über zivile Tote dazwischen funken und politische Interferenzen die Operation stören.