Finnlands Versuche einer Neubelebung der Russlandbeziehungen

Seite 2: Revision außenpolitischer Grundsätze und Russland-Bashing

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Das erste Bekenntnis zur westlichen Interessengemeinschaft unter Leugnung der Realitäten wurde Finnland im Jahr 1999 abverlangt. Als die Forensikerin Helena Ranta bei der Untersuchung des "Massakers von Racak" zum Ergebnis gelangte, dass es sich bei den Toten nicht um Dorfbewohner handelte, wurde sie vom Außenministerium ihres Landes zum Schweigen gezwungen. Etwaige Zweifel hätten den Vorwurf massiver Menschenrechtsverletzungen an die jugoslawische Regierung gedämpft und eine Rechtfertigung der späteren Nato-Luftangriffe auf Zivilobjekte erschwert. Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo brach die finnische Regierung neun Jahre später eines ihrer zentralen außenpolitischen Prinzipien, die uneingeschränkte Befolgung von UN-Beschlüssen.

Wie in anderen westlichen Ländern hat Russland-Bashing bereits lange vor dem Ukraine-Konflikt Eingang in die finnischen Medien gefunden. Als im Jahr 2009 der Eurovision Song Contest in Moskau ausgerichtet wurde, berichteten die Hauptnachrichten breit über den Protestmarsch einiger Aktivisten für Homosexuellenrechte, der von der russischen Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Die an demselben Tag veranstalteten Demonstrationen Hunderttausender in mehreren westeuropäischen Großstädten, die sich gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die werktätige Bevölkerung richteten, fanden hingegen keine Erwähnung.

Desgleichen wurde die Winterolympiade Anfang 2014 in Sotschi von denselben Negativschlagzeilen begleitet wie anderswo in Europa. Das vielfach vorgebrachte Argument, angesichts begrenzter eigener Recherchemöglichkeiten auf westliche Nachrichtenquellen zurückgreifen zu müssen, ist in diesen Fällen wenig glaubwürdig, da sich Korrespondenten am Ort befanden.

Im Gegensatz zu den Medien verhielten sich Regierungsvertreter zurückhaltender, insbesondere bei anstehenden Gesprächen und Verhandlungen mit der russischen Seite. Im Ukraine-Konflikt sah man sich jedoch gezwungen, die Position der EU zu übernehmen und den Affront gegen Russland mitzutragen. Da in der finnischen Gesellschaft Positionen, die dem Konsens zuwiderlaufen, allgemein als Störfaktor begriffen werden, gab es weder aus politischen noch aus kulturellen oder wissenschaftlichen Kreisen kritische Gegenstimmen. Nicht einmal moderate und spezifische Einwände, wie sie etwa in Deutschland der Finanzexperte Dirk Müller, der General a.D. Harald Kujat oder der Strafrechtler Reinhard Merkel artikulierten, wären in Finnland akzeptiert worden.

Die Beurteilung des Ukraine-Konflikts unterscheidet sich kaum von den Betrachtungen in Deutschland. Er beginnt laut offizieller Lesart mit der "Annexion" der Krim. Dass diese ohne den gewaltsamen Machtwechsel in Kiew nicht stattgefunden hätte, wird ebenso übergangen wie dessen Begleitumstände. Aus der Ostukraine berichtete die finnische Fernsehkorrespondentin Marja Manninen zu Beginn des bewaffneten Konflikts recht ausgewogen, u.a. verwies sie auf die Unterstützung der Separatisten durch die Bevölkerung. Dies änderte sich bald mit der von Kiew kreierten und von westlichen Medien übernommenen Version eines russischen Stellvertreterkriegs auf ukrainischem Boden. Später wurde Frau Manninen abberufen, offenbar waren ihre Reportagen nicht mainstream-kompatibel.