Finnlands Versuche einer Neubelebung der Russlandbeziehungen

Seite 4: Schreckgespenster und Ressentiments

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Die Bemühungen der auf Verständigung orientierten Politiker, unter denen der finnische Präsident Sauli Niinistö herausragt, wurden regelmäßig durch russlandfeindliche Medienkampagnen sabotiert. Wer die Version einer machtlüsternen Putin-Clique, die sich mit der Übernahme der Krim nicht begnüge und für die Ostsee-Anrainer eine Bedrohung darstelle, nicht ernst nahm, wurde als naiv und entscheidungsschwach gebrandmarkt.

Ein Schreckensszenario bietet der 2015 erschienene Roman "Jäätävä helvetti" (Eisige Hölle) von Ilkka Remes, einem der meistgelesenen Buchautoren Finnlands, dessen Werke auch ins Deutsche übersetzt sind. Er lässt Russland einen Hybridkrieg führen, bei dem Tausende durch die Lahmlegung des Stromnetzes elendig erfrieren. Trotz klarer Beweislage und westlicher Hilfsangebote erweist sich die finnische Regierung als feige und beugt sich russischen Forderungen nach Stützpunktrechten auf Ahvenanmaa und bei Hanko. Der Autor suggeriert, dass die "Besetzung" der Ostukraine eine russische Expansionsstrategie offenbart hätte, die nun ihre Fortsetzung finde.

Neben den Beinahe-Zusammenstößen von Militärflugzeugen über der Ostsee dienten insbesondere die U-Boot-Sichtungen als Beleg, dass die skandinavischen Länder ins russische Fadenkreuz geraten seien. Als das schwedische Verteidigungsministerium nach mehr als einem Jahr eingestand, dass es sich vielmehr um ein deutsches und um ein schwedisches Objekt gehandelt habe, wurde dies in finnischen Medien nur am Rande erwähnt oder ganz verschwiegen. Inzwischen hatte sich die russophobe Berichterstattung längst neuen Themen zugewandt.

Vielfach werden kulturrassistische Ressentiments aktiviert, deren Wurzeln auf die Zarenherrschaft während des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Aufgrund der geografischen Lage vollzog sich die Aufklärung in Finnland früher und nachhaltiger als im russischen Kernland. Noch heute ist die Überzeugung weit verbreitet, dass Demokratiedefizite, eingeschränkte persönliche Freiheiten und Korruption in der russischen Mentalität begründet seien. Da in den Staaten Mittel-Osteuropas vergleichbare Phänomene existieren, handelt es sich augenscheinlich eher um das Resultat langzeitiger systembedingter Fesseln.