"Flaschenhals" Ökostrom: Warum Wasserstoff kein Wundermittel ist

Seite 2: Welche Speichermöglichkeiten gibt es für Wasserstoff?

1. Druckgasflaschen - Eine 20-Liter-Druckgasflasche speichert bei Raumtemperatur und 600 bar Druck etwa ein Kilo Wasserstoff. Zur Speicherung derselben Energiemenge in Form von Benzin der Diesel wird nur ein Drei-Liter-Tank benötigt.

2. Kryowasserstoff - Wasserstoff siedet bei Normaldruck bei -252,9°C. Wenn man das Gas unter diese Temperatur abkühlt, wird es flüssig. Allerdings wird für das Verflüssigen ungefähr 1/3 der Energie des eingesetzten Gases verbraucht. Außerdem stellt eine Kryospeicherung bei unter -250°C einige materialtechnische Anforderungen sowohl an das Behälter- wie auch das Isolationsmaterial. Dazu kommt der unvermeidliche boil off, da etwas Flüssiggas auch bei bester Isolation immer verdampft. Dieses Gas muss entweder sofort verbraucht oder abgefackelt werden, da sich sonst explosive Knallgasgemische bilden können.

3. Speicherung in der vorhandenen Erdgasinfrastruktur - Ist sofort möglich, solange der Wasserstoffanteil unter 20 % bleibt. Allerdings hat das Mischgas einen geringeren Brennwert als Erdgas und ist für viele Zwecke ungeeignet, da kein reiner Stoff.

4. Metallhydridspeicher - Metallhydride sind Metall-Wasserstoff-Verbindungen. Sie können als Wasserstoffspeicher genutzt werden. Dabei gibt es 2 Möglichkeiten: Entweder man verwendet Metallhydride, die beim Erwärmen in Metall und Wasserstoff zerfallen und später dann mit Druckwasserstoff wieder regeneriert werden können. Derartige MH-Speicher werden z.B. in U-Booten eingesetzt. Sie sind schwer, teuer und geheim. Die andere Variante ist, salzartige Metallhydride, zum Beispiel NaH, mit Wasser umzusetzen.

Dabei erhält man dann die doppelte Menge des im Metallhydrid gespeicherten Wasserstoff und das Metallhydroxid bzw. -oxid. Nachteil dieses Verfahrens ist, dass das Metallhydroxid nicht einfach zum Hydrid regeneriert werden kann, denn zur Herstellung des Hydrids geht man vom Metall aus. Im Fall von NaH muss man also erst Natrium durch Schmelzflusselektrolyse herstellen und dieses dann zu Natriumhydrid umsetzen. Alles sehr energieaufwändig und teuer. Als Speicher nicht praktikabel. Dazu kommt, dass Metallhydride gegenüber Wasserstoff ein relativ hohes Gewicht haben und als Gefahrstoffe auch nicht ganz einfach zu handhaben sind.

Fazit: Die Speicherung von Wasserstoff ist nicht ideal, sondern schwierig, teuer und riskant. Um die Nachteile des Wasserstoffs bei Speicherung und Handhabung zu umgehen liegt die Überlegung nahe, aus ihm besser handhabbare Energieträger herzustellen.

Die gleichen Schwachpunkte

In diesem Zusammenhang werden hauptsächlich genannt: Methan (PtG, Sabatierprozess), Synfuel (PtL, synthetischer Treibstoff nach Fischer-Tropsch), Methylformiat, Methanol und Ammoniak. Alle diese Verfahren sind bekannt, ausgereift und großtechnisch beherrschbar. Und die Produkte sind wesentlich leichter handhabbar als Wasserstoff. Allerdings haben sie alle auch die gleichen Schwachpunkte: sehr hoher Elektroenergieverbrauch bei der Herstellung, Verringerung des Gesamtwirkungsgrades durch exotherme Bildungsreaktionen und schlechter Wirkungsgrad bei der Rückgewinnung der mechanischen bzw. elektrischen Energie.

Beginnen wir mit "Power to Gas", also der Methansynthese und Synfuel. Ausgangsstoffe sind Wasser und CO2. Aus dem Wasser wird durch Elektrolyse Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt, damit das CO2 zu Kohlenmonoxid reduziert und dann im Sabatierprozess Methan und Wasser bzw. nach Fischer-Tropsch flüssiger Treibstoff und CO2 erzeugt.

Leider funktioniert das Ganze so nicht. Man kann CO2 nämlich nicht einfach mit Wasserstoff zu CO reduzieren. Dafür muss man es zunächst mit Wasserstoff und Methanol hydrierend in Methylformiat umwandeln. Das kann man dann in Kohlenmonoxid und Methanol spalten und das Kohlenmonoxid mit weiterem Wasserstoff zu Methan oder Fischer-Tropsch-Treibstoff umsetzen. Mit einem Wirkungsgrad der Wasserelektrolyse von 66 Prozent energetisch der blanke Wahnsinn. Allerdings gibt es ein besseres Verfahren zur elektrolytischen Synthesegaserzeugung.

Die Firma Sunfire aus Dresden hat ein Membranverfahren zur Erzeugung von Synthesegas aus Wasser und Kohlendioxid entwickelt. Das Verfahren arbeitet mit sauerstoffionenleitfähigen Zirkonoxidmembranen bei 850°C und kann Synthesegas mit einem gewünschten, einstellbaren Kohlenmonoxid-Wasserstoff-Verhältnis liefern. Für das Verfahren wird ein Elektrolysewirkungsgrad von 83 Prozent angegeben. Das ist dadurch möglich, dass ein Teil der bei der Wasserelektrolyse erzeugten Wärme bei der Reduktion des Kohlendioxids genutzt wird.

Aber egal ob das Synthesegas mit 83 Prozent Wirkungsgrad erzeugt wird oder der Wasserstoff mit nur 66 Prozent, das sind nur Zwischenprodukte, die anschießend zum gewünschten Endprodukt umgesetzt werden müssen. Und egal, ob wir Methan herstellen (PtG) oder Synfuel (PtL), die Synthesen sind stark exotherm und die freigesetzte Wärme fehlt dann im Endprodukt als chemisch gespeicherte Energie. Der erste Hauptsatz lässt sich nun mal nicht überlisten.

Das Gleiche gilt für die Methanolsynthese. Da kann man von Methylformiat und Wasserstoff ausgehen, aber die Umsetzung ist ebenfalls exotherm, energetisch also ein Verlustgeschäft. Derzeit entsteht in Norwegen eine Fabrik, in der auf der Basis des Sunfire-Verfahrens ab 2023 jährlich zehn Millionen Liter Synfuel hergestellt werden sollen.

Bleibt die Ammoniaksynthese. Hier wird ein Synthesegas aus Stickstoff und Wasserstoff im Haber-Bosch-Verfahren exotherm zu NH3 umgesetzt. Den eingesetzten Stickstoff erhält man normalerweise, indem man der Luft durch Verbrennen von Erdgas den Sauerstoff entzieht und das resultierende Gas reinigt. Der benötigte Wasserstoff wird gewöhnlich durch partielle Oxidation von Erdgas bei hohen Temperaturen gewonnen.

Man kann natürlich auch den Stickstoff aus Luftzerlegungsanlagen mit Elektrolysewasserstoff umsetzen, aber das ist wegen der Wasserelektrolyse wieder extrem energieaufwändig. Es gibt zwar zumindest im Labor (und evtl. im Technikumsmaßstab?) ein mit der Ammoniaksynthese gekoppeltes effektiveres Elektrolseverfahren mit protonenleitenden keramischen Membranen (SSAS-Verfahren), bei dem Wasser und Stickstoff aus Luftzerlegungsanlagen eingesetzt werden. Damit lässt sich der Energieverbrauch stark verringern, aber auch diese Ammoniaksynthese bleibt energetisch ein Zuschussgeschäft.

Geringer Wirkungsgrad in der Praxis

Dazu kommt der geringe Wirkungsgrad bei der Energierückgewinnung, wenn wir die erzeugten Substanzen dann als Energieträger nutzen wollen. Hierfür stehen entweder Wärmekraftmaschinen (Verbrennungsmotoren, Gasturbinen) oder Brennstoffzellen zur Verfügung. Der Wirkungsgrad der Wärmekraftmaschinen wird durch den Carnotprozess auf etwa 40 Prozent begrenzt (bei GuD-Kraftwerken knapp 60 Prozent). Und die Brennstoffzellen sind auch nicht besser. In der Literatur finden sich zwar höhere Werte, aber da muss man auf die Randbedingungen schauen. Wenn ich eine Brennstoffzelle nur sehr gering belaste, quasi im Leerlauf betreibe, kann ich sehr gute Wirkungsgrade messen. In der Praxis will ich aber Leistung erzeugen.

Und in dem Moment, wo ordentlich Strom erzeugt wird, fällt Verlustleistung über den Innenwiderstand der Zelle ab und der Wirkungsgrad sinkt rapide. Die Brennstoffzelle bringt gegenüber dem Gasmotor in der Praxis meist keine Vorteile beim Wirkungsgrad und konnte sich deshalb kaum durchsetzen. Ihr Einsatz ist bisher auf einige wenige Spezialanwendungen beschränkt. Unterm Strich ergibt sich bei allen Varianten ein maximaler Over-All-Wirkungsgrad unter 25 Prozent (realistisch eher 16 bis 20 Prozent). Wir benötigen also durch diese Verfahren die vier- bis sechsfache Menge regenerativen Strom.

Das ist natürlich kein Grund, all diese Verfahren generell abzulehnen. Es gibt Einsatzgebiete, wo wir auf flüssige Treibstoffe auch in Zukunft nicht verzichten können. Beispielsweise die Luftfahrt. Flüssige Treibstoffe haben auf das Gewicht bezogen die zehn- bis 20-fache Energiespeicherdichte wie Akkus. Da muss man den schlechten Wirkungsgrad der Turbinen bei Flugzeugen eben in Kauf nehmen.

Auch Eisenerz kann man nicht rein elektrisch verhütten. Zur Reduktion des Eisenoxids benötigt man ein Reduktionsmittel. Und wenn man keine fossilen Brennstoffe einsetzen will, muss man dies Reduktionsmittel unter Einsatz von regenerativ erzeugtem Strom herstellen. Natürlich ist fraglich, ob Elektrolysewasserstoff hier das Mittel der Wahl ist? Da die Synthesegaserzeugung nach dem Sunfire-Verfahren einen besseren Wirkungsgrad hat, sollte man hier den Einsatz von Synthesegas statt Wasserstoff erwägen.

Und Ammoniak wird man in Zukunft auch brauchen - zum Beispiel als Ausgangsstoff für Stickstoffdünger. Natürlich muss man den Einsatz von Kunstdünger reduzieren, da heute viele Felder katastrophal überdüngt sind, aber auch in Zukunft wird man Stickstoffdünger in sinnvollem Maße benötigen.

Deshalb wird man alle diese Technologien in Zukunft in begrenztem Umfang sicher brauchen. Aber nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Denn was wollen wir erreichen? - Klimaschutz! Aber warum und wie?

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