"Flaschenhals" Ökostrom: Warum Wasserstoff kein Wundermittel ist

Seite 3: Der Klimawandel wartet nicht

Die Temperaturmesswerte zeigen, dass weltweit die Durchschnittstemperatur in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Fast alle Wissenschaftler sind sich einig, dass die Ursache ein Anstieg der Konzentration von Treibhausgasen, vor allem CO2, in der Atmosphäre ist. Mit dieser Klimaveränderung gehen Extremwetterlagen und schnelle Veränderungen der Umweltbedingungen einher. Das gefährdet weltweit die Ökosysteme, denn Tiere und Pflanzen brauchen Zeit, um sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Wenn die Veränderungen zu schnell gehen, kippen die Ökosysteme und brechen zusammen.

Das ist eine große Gefahr für die gesamte Menschheit, denn wir sind auf eine intakte Natur angewiesen. Sie ist unsere Lebensgrundlage; wenn wir sie zerstören, bricht unsere menschliche Zivilisation ebenfalls zusammen. Deshalb müssen wir den Klimawandel stoppen und die Emissionen so schnell wie möglich reduzieren. Aber wir können sie leider nicht einfach per Dekret verbieten. Unsere Gesellschaft ist auf die Verfügbarkeit von ausreichend Energie angewiesen und würde ohne sie ebenfalls zusammenbrechen.

Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft und auf ihr Funktionieren angewiesen. Bei Strafe unseres Untergangs. "Zurück auf die Bäume" geht nicht. So bleibt uns nur die Wahl, die gesamte Energieversorgung so schnell wie möglich auf regenerative Energie umstellen. Aber das ist eine Riesenaufgabe, die alle Bereiche unserer Gesellschaft betrifft. Mit einer Hau-Ruck-Aktion ist es nicht zu schaffen. Es ist eine Aufgabe für mindestens die nächsten 20 Jahre. Dummerweise wartet der Klimawandel nicht. Deshalb müssen wir die Energiewende so schnell wie möglich schaffen.

Der "Flaschenhals" ist die Bereitstellung von genügend Ökostrom, um die fossilen Brennstoffe zu ersetzen. Deshalb müssen wir die regenerative Stromerzeugung schnellstmöglich ausbauen. Und so lange ein Mangel an Ökostrom herrscht, sollten wir ihn da einsetzen, wo die größte CO2-Einsparung pro kWh möglich ist.

Verhüttung von Eisenerz mit Wasserstoff? - Später!

Wer das durchrechnet, kommt zu dem Ergebnis, dass der Stromverbrauch für die elektrolysewasserstoffbasierten Verfahren zu hoch ist und dass man durch Umstellung des Pkw-Verkehrs auf E-Autos und den Ersatz von Strom aus fossilen Brennstoffen mit dem vorhandenen Ökostrom schnell wesentlich mehr CO2 einsparen kann. Die Erzeugung von Synfuel und die Verhüttung von Eisenerz mit Wasserstoff sollten wir uns für später aufheben. Für sehr viel später.

Beispiel: 2017 wurden in Deutschland 9,93 Millionen Tonnen Kerosin von Flugzeugen getankt. Das ergibt etwa 31 Mio t CO2. Aber für die Produktion des benötigten Synfuels, um zehn Millionen Tonnen Kerosin zu ersetzen, wird mehr Strom gebraucht als für die Umstellung des gesamten PKW-Verkehrs auf Strom. Deshalb sollten wir die Flugzeuge zunächst mit Kerosin weiter fliegen lassen und lieber die 132 Millionen Tonnen CO2 aus dem Pkw-Verkehr einsparen. Das Gleiche gilt für die Verhüttung von Eisenerz.

Und noch eine Bemerkung zum Synfuel: Bei der Nutzung einer Tonne Synfuel entsteht genau so viel CO2 wie bei der Verbrennung einer Tonne Kerosin. Das Synfuel ist also dabei genauso klimaschädlich. Der Unterschied liegt nur darin, dass das Synfuel in der CO2-Bilanz nicht auftaucht, weil bei seiner Herstellung die gleiche Menge CO2 aus anderen Quellen verbraucht und so nicht in die Atmosphäre freigesetzt wurde.

Deshalb ist die beste Möglichkeit, im Verkehr was fürs Klima zu tun, nicht der Einsatz von Synfuel, sondern der Verzicht auf nicht unbedingt notwendige Flüge, zum Beispiel durch Umstieg auf die Bahn. So wird nämlich wirklich CO2 gespart. Aber diese Entscheidung muss jeder für sich treffen. Sie durch eine CO2-Steuer erzwingen zu wollen, wird nicht funktionieren. Und CO2-Zertifikate sind nur die moderne Version des Ablasshandels.

Deutschland kann allein nicht die Welt retten? - Vorreiter war es dabei nie

Zum Schluss noch eine Anmerkung zu der in Kommentaren wiederkehrenden Aussage, dass Deutschland nur zwei Prozent der CO2-Emissionen verursacht und dass wir das Klima sowieso nicht retten können, weil unsere Einsparungen durch die anderen Länder überkompensiert würden: Natürlich stimmt es, dass Deutschland alleine nicht die Welt retten kann. Allerdings ist das ein schräges Argument, das nur als Ausrede fürs Nichtstun dient. In Deutschland lebt etwa ein Prozent der Weltbevölkerung - wir verursachen aber etwa zwei Prozent der CO2-Emissionen - also pro Kopf doppelt so viel wie der Durchschnitt der Menschen weltweit. Daher können wir uns nicht hinter anderen verstecken.

Im Übrigen ist Deutschland bisher beim Klimaschutz auch sehr selten als Vorreiter in Erscheinung getreten. Unsere Regierung hat bei den Vorgaben und Klimazielen immer gebremst, so gut sie konnte. Und wenn es sich dann mal gar nicht vermeiden ließ, irgendwelche Ziele festzuschreiben, dann wurden sie eben hinterher nicht erreicht. Schuld ist natürlich niemand - man spricht einfach nicht mehr darüber. Wird man schon vergessen, fertig, aus. So funktioniert die derzeitige deutsche Klimapolitik.

Und wenn jetzt auf EU-Ebene verbindliche Klimaziele vorgegeben werden, heißt das auch noch lange nicht, dass wir sie erreichen. Natürlich drohen der Bundesrepublik bei Nichterfüllung Strafzahlungen. Aber alles halb so schlimm. Die Bundesrepublik ist nämlich größter Nettoeinzahler in der EU. Wenn große Strafzahlungen fällig werden, kann man das sicher durch geschicktes Verhandeln bei den Beitragszahlungen kompensieren, damit alles bleibt, wie es ist. Und auf diese Weise verspielen wir unsere Zukunft. Wir sollten aber nicht vergessen: Die Natur braucht uns nicht, wir brauchen die Natur.

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