Folter im Irak und im Iran

Wo Ideologen das Zepter in der Hand halten, haben es die Menschenrechte schwer

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Während noch die amerikanische Besatzungsmacht im Kreuzfeuer der Kritik der wegen der Folterung irakischer und anderer Gefangener steht, ist nun auch der Iran, von Bush zur "Achse des Bösen" gerechnet und wichtiger Machtfaktor auch für den Irak, wieder einmal in den Brennpunkt gerückt. Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wurden Schriftsteller, Studenten und politische Aktivisten in Geheimgefaängnisse gesperrt und dort auch gefoltert.

Wandbild des irakischen Künstlers Salaheddin Sallat in Sadr City

Man wird sehen müssen, wie die "souveräne", aber nicht demokratisch legitimierte irakische Regierung, die ab 30. Juni im Amt sein wird, mit den Gefangenen umgehen wird, die als Widerstandskämpfer verdächtigt werden. Welche Befugnisse sie gegenüber den Besatzungstruppen haben wird, dürfte sich erst in der Realität erweisen. Zwar unterstehen ihr Polizei und irakisches Militär, aber die US-Regierung hat bereits verlauten lassen, weiterhin die Gefangenen betreuen zu wollen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen. Es sollen auch irakische Polizisten an Misshandlungen beteiligt gewesen sein, viele arabische Länder sind nicht gerade wegen ihrer peniblen Einhaltung der Menschenrechte bekannt - und nun hat die Besatzungsmacht auch unrühmliche Vorbilder gesetzt. Die irakische Übergangsregierung hat zudem bereits angekündigt, die Todesstrafe wieder einführen zu wollen.

In der irakischen Bevölkerung steht aber wohl noch die Kritik an den Amerikanern wegen der Misshandlungen im Vordergrund. So haben letzten Sonntag 20 irakische Künstler eine allerdings temporäre, nämlich zweistündige Ausstellung in einer Straßen von Bagdad veranstaltet, in der sie ihre Verarbeitung des Folterskandals von Abu Ghraib in Form von Bildern und Skulpturen zeigten. Angeblich haben sie aus Furcht vor Repressionen eine derart flüchtige Ausstellung durchgeführt.

Die irakischen Künstler erheben ihre Stimme gegen die Demütigung, Folterung und Vergewaltigung on irakischen Gefangenen im Abu Ghraib-Gefängnis. Wir Künstler beschäftigen uns mit Gefühlen und Gesichtsausdrücken, was uns hilft, das Ausmaß der Brutalität zu erfassen, wenn eine amerikanische Soldatin vor dem Körper eines gefolterten irakischen Gefangenen grinst.

Ghazwan Al-Mukhtar vom Verband der irakischen Bilderhauer
Exponat der temporären Ausstellung in Bagdad

Die Menschenrechtsorganisation HRW, der man Einseitigkeit nicht vorwerfen kann, kritisiert in ihrem Bericht: "Wie Tote in ihren Särgen: Folter, Gefängnis und die Zerschlagung der Oposition im Iran", dass die Verletzungen der Menschenrechte in dem muslimischen Land wieder zunehmen. Mehr als zuvor hätten Journalisten, Intellektuelle und Aktivisten Angst, Kritik zu äußern. Das Parlament habe zwar im Mai noch ein Gesetz gegen Folter verabschiedet, aber es bliebe ohne wirkliche Umsetzung ein Papiertiger. Das aber sei wahrscheinlich, weil die Rechtsprechung fest in der Hand der Konservativen und Fundamentalisten unter der Führung von Ajatolla Ali Khamenei ist.

Der Bericht gibt einen Einblick in die Behandlung politischer Gefangener ab dem Jahr 2000, als die Regierung massiv gegen die Oppositionellen und Reformisten vorging. 2001 hatte zwar der reformorientierte Mohammad Khatami das zweite Mal die Wahl gewonnen, aber nicht verhindern können, dass die Konservativen eingeleitete Reformen wieder zurücknahmen, Dutzende von Zeitungen verboten, Tausende von protestierenden Studenten festnahmen und viele Oppositionelle in das Evin-Gefängnis in Teheran oder in geheime Gefängnisse um die Hauptstadt herum wie das Gefängnis 59 eingesperrt wurden. Dabei spielen "Parallelsicherheitskräfte" in Zivilkleidung offenbar eine wichtige Rolle.

Die Menschenrechtsorganisation stellte in zahlreichen Fällen willkürliche Festnahmen, Gefängnisstrafe ohne Prozess, Folter zur Geständniserzwingung, lange Einzelhaft und körperlichen oder psychischen Missbrauch fest. In den letzten vier Jahren hätten es die iranischen Behörden erreicht, so HRW, "die politische Opposition praktisch innerhalb des Landes durch systematischen Einsatz von unbegrenzter Isolationshaft von politischen Gefangnen, körperlicher Folter von Studenten und der Verweigerung grundlegender Prozessrechte zum Schwiegen zu bringen".

Exponat der temporären Ausstellung in Bagdad

Nach Aussagen von Intellektuellen, Journalisten und Studenten, die die Misshandlungen über sich ergehen lassen mussten, werden Gefangene - wie in Abu Ghraib - am Sehen gehindert, geschlagen, in schmerzhafte Stellungen gezwungen, an Armen und Beinen aufgehängt, mit unbegrenzter Isolationshaft oder Exekution bedroht. "Weiße Folter" wird die wochenlange Haft in winzigen, Tag und Nacht beleuchteten Zellen genannt, wodurch Gefangene gebrochen werden sollen. Richter wohnen solchen Verhören manchmal bei, bedrohen sie ebenfalls und zwingen sie, falsche Geständnisse zu unterzeichnen.

Unerfreuliche Tendenzen gibt es aber auch in anderen arabischen Staaten. So wurden letzten Samstag in Ägypten Buchhandlungen und -stände durchsucht und Hunderte von Publikationen beschlagnahmt, die angeblich nicht im Einklang mit der muslimischen Lehre stehen. Der Justizminister Faruq Seif al-Nasr hatte der Al-Azar-Universität, der wichtigsten Hochschule und theologischen Autorität des sunnitischen Islam, weitreichende Macht gegeben, um Publikationen zu verbieten und zu beschlagnahmen, die das Islamische Forschungszentrum der Universität als anti-muslimisch betrachtet. Konfisziert wurden offenbar nicht nur Romane, sondern auch nicht genehme Versionen des Korans. Bürgerrechtsorganisationen warnen vor weiteren Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die durch die Entscheidung zu befürchten seien, Al-Azar Publikationen verbieten zu lassen.

Ebenso wie im Iran ist die mangelnde Trennung von religiösen Institutionen und Staat eines der großen Probleme der muslimischen Länder, die auf der anderen Seite unter dem Druck der Islamisten stehen, weiter in Richtung eines Gottesstaats zu gehen. Wohin das führen kann, ließ sich deutlich am Taliban-Afghanistan mitsamt Religionspolizei, Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung der Frauen, Verbot der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit und Willkürjustiz sehen. Die amerikanische Besetzung des Irak, der Folterskandal und jetzt die Einsetzung einer angeblich souveränen Regierung, die doch das letzte Wort nicht haben wird, dürften den längst überfälligen Reformprozess von unten in den arabischen Ländern eher erschwert haben, auch wenn manche arabische Länder wie Saudi-Arabien - wohl vor allem aus Gründen der Selbsterhaltung - kleine Schritte in Richtung Liberalisierung gehen.