Frankreich: Was macht überhaupt… die Linke?

Vor den Präsidentschaftswahlen: Wie es um die Konkurrenz links von Macron steht

Die französische Präsidentschaftswahl beginnt in knapp zwei Monaten. Die beiden Durchgänge der wichtigsten Wahl im politischen System des Landes, das in diesem Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft innehat, finden am 10. April und am 24. April 2022 statt.

Dabei hat der bisherige Favorit der Wahl, der Amtsinhaber im Elysée-Palast und aktuelle europäische Ratspräsident Emmanuel Macron, seine Kandidatur bislang noch gar nicht offiziell angekündigt – auch wenn seine Mitbewerberinnen und -bewerber sich zum Teil bitterlich darüber beschweren, wie Marine Le Pen, die eine, ihr zufolge, Nichteinhaltung der Spielregeln beklagt.

Allerdings erklärten frühere Präsidenten, wie François Mitterrand im Jahr 1988, ihre Kandidatur für eine Wiederwahl oft zu einem ziemlich späten Zeitpunkt. Emmanuel Macron, der sich bei seinen Reisen am Montag und Dienstag vergangener Woche nach Russland und in die Ukraine ostentativ in internationalem Krisenmanagement übte, setzt unterdessen auf die Überzeugungskraft der Aussage, er sei "bei der Arbeit", und demonstrative Betriebsamkeit im Amt.

Bislang steht Macron in den Umfragen, mit einem prognostizierten Stimmenanteil von rund 25 Prozent, stetig vorne. Allerdings ist die Wahl noch nicht gelaufen, und er täte Unrecht darin, würde er das Ergebnis bereits als gegeben voraussetzen.

Kürzlich wurde eine Umfrage veröffentlicht, der zufolge Macron in den Befragungen zum Wahlabschluss – in denen Französinnen und Franzosen nicht danach befragt werden, wen sie wählen würden oder sich selbst als Gewinner wünschen, sondern danach, wem sie unabhängig vom eigenen Standpunkt einen Wahlsieg zutrauen – mit nur noch 21 Prozent abschneidet; einen Monat zuvor waren es noch 27 Prozent.

An zweiter Stelle steht demnach Marine Le Pen mit 14 Prozent Siegesprognosen (unverändert), und ihr ebenfalls rechtsextremer Konkurrent Eric Zemmour landet auf dem dritten Platz mit 11 Prozent (einen Monat zuvor: 7 Prozent). Achtzehn Prozent erklären sich demnach "unentschieden".

Als wichtigste politische Blöcke bei der Präsidentschaftswahl schälen sich demnach in den Augen der Mehrzahl der Befragten das Lager der Unterstützer/innen des wirtschaftsliberalen französischen Staatspräsidenten einerseits und die (in diesem Jahr in zwei Hälften gespaltene) extreme Rechte andererseits heraus.

Doch was ist unterdessen mit der politischen Linken in Frankreich los? Werfen wir einen Blick in ihre Richtung.

Zur historischen Schwäche der Sozialdemokratie

Die gute Nachricht für die Partei zuerst: Erstmals seit dem Präsidentschaftswahlkampf 1969 zeichnet sich ab, dass das Stimmergebnis für die Französische Kommunistische Partei – dem PCF – bei der Wahl im April dieses Jahres an das der französischen Sozialdemokratie heranreichen oder es gar übertreffen könnte. Dies mutmaßt jedenfalls der liberale Print- und Fernsehjournalist sowie politische Kommentator Laurent Neumann.

Nun die schlechte Nachricht: Damals, vor fünfzig Jahren, überflügelte die französische KP regelmäßig die Zwanzig-Prozent-Marke. Im Wahlkampf 1969 schien ihr Kandidat Jacques Duclos zunächst mit dem Bewerber der SFIO, der damaligen Vorläuferpartei des jetzigen Parti Socialiste (PS), Gaston Defferre, gleichauf zu liegen.

Doch im Laufe der Monate brach der Marseiller Oberbürgermeister Defferre ein und erhielt am Ende nur fünf Prozent der Stimmen, Duclos hingegen gut 21 Prozent. Nichts daran ist mit der heutigen Situation zu vergleichen – mit Ausnahme einer katastrophalen Lage des PS, einer Partei, die in ihrer heutigen Form just in Reaktion auf die Wahlkatastrophe unter Defferre 1971 gegründet wurde.

Es ist also lediglich die Schwäche der früheren Regierungspartei unter François Mitterrand und François Hollande, die ihren Rivalen bei der französischen KP heute Chancen auf ein Gleichziehen verleiht. Derzeit sagen die Umfragen dem KP-Kandidaten, dem früheren Journalisten Fabien Roussel, zwei bis höchstens vier Prozent Wähleranteil voraus.

Auch bürgerliche Medien wie der wirtschaftsliberale Sender BFM TV berichten eher ausgesprochen wohlwollend über ihn. Neben einer Erhöhung von Löhnen und Pensionen fordert er auch einen Ausbau der Atomenergienutzung bis 2050, als angeblich klimafreundliche Option, neben dem erneuerbarer Energien.

Anne Hidalgo. Bild: Jacques Paquier / CC-BY-2.0

Doch die Präsidentschaftskandidatin des PS, die Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo, kann sich laut Umfragen ebenfalls nur rund drei Prozent versprechen, zuletzt blieben gar nur noch rund zwei Prozent der Stimmen übrig. Am gestrigen Freitag zeigte ihr eine Umfrage anderthalb Prozent an.

Ihre Kandidatur spricht vor allem urbane, besserverdienende und – durch ihre Politik der spürbaren Reduktion des Automobilverkehrs in der Hauptstadt begünstigt – ökologisch sensibilisierte Mittelklassen sowie höher gebildete Schichten an. Hingegen lässt sie die Lohnabhängigen weitgehend kalt; mittlerweile auch Staatsbedienstete wie Lehrkräfte und Krankenhausbedienstete, die zuletzt noch zu den Kernschichten der sozialdemokratischen Wählerschaft zählten.

Die abhängig Beschäftigten in der Privatwirtschaft, wo der gewerkschaftlichen Organisationsgrad – von Großunternehmen abgesehen – im Vergleich zum Staatsdienst gering ausfällt, kehrten ihr schon zuvor mehrheitlich den Rücken, gingen überhaupt nicht mehr wählten oder stimmten, leider, oftmals rechtsextrem.

Volksnähe übers gute Essen

Fabien Roussel seinerseits versucht sich tunlichst "volksnah" zu geben und zog bis dato vor allem dadurch die Aufmerksamkeit auf sich, dass er das Steak von französischen Rindern, französischen Käse und französischen Wein mit einigem Öffentlichkeitsrummel verteidigte.

Das schockierte grün wählende Veganer/innen und einen Teil der Ökopartei (vgl. Beefsteak und Pommes sind jetzt "politisch rechts"), war allerdings vor allem als Statement für die Kaufkraft von Lohnabhängigen, die sich gastronomische Genüsse erst leisten können müssen, konzipiert.

Dem lebensfreundlichen Zug daran kann man durchaus sympathische Züge abgewinnen – wohinter die allzu berechtigte Kritik an der bestehenden Massentierhaltung nicht zurückstehen darf. Roussel plädierte allerdings auch für die Qualität landwirtschaftlicher Erzeugnisse, was gegen Zuchtbatterien spricht –, allerdings fällt es oft schwer, noch Spurenelemente an Marxismus in den Äußerungen des nominal kommunistischen Kandidaten auszumachen.

Die Bezeichnung der dazugehörigen Partei benutzt er auf seinen Wahlplakaten eher nicht, diese tragen lediglich seinen Namen. In der Vergangenheit wies der PCF eine poststalinistische Bilanz auf, an der durchaus einiges kritikwürdig erschien (von den 1930er-Jahren bis zum Zusammenbruch der UdSSR 1991 verteidigte die Parteiführung im Kern die sowjetische Ordnung), bevor sie ab circa 1994 zur linkssozialdemokratischen Reformpartei wurde, deren separate Existenz neben der französischen Sozialdemokratie sich vielen Betrachter/inne/n allerdings nicht mehr so richtig erschloss.

Historische Schwächesituation

Die in Parteiform auf- oder zu Wahlen antretende politische Linke, sei es die etablierte, die unkonventionell wirkende oder auch die radikale, steht derzeit in einer als zu historisch zu bezeichnenden Schwächesituation. Ihre voraussichtlich sieben Kandidaturen vereinigen nur zwischen 20 und maximal 25 Prozent der Stimmabsichten auf sich.

In der Öffentlichkeit wird die Linke deswegen oft als zerstritten wahrgenommen und diese "Zerrissenheit" wiederum als Grund für ihre derzeitige Einflusslosigkeit dargestellt. In Wirklichkeit dürfte jedoch eher das Gegenteil zutreffen, und der Fernsehjournalist Neumann hat insofern recht, wenn er kurz und knapp postuliert:

Die Linke ist nicht schwach, weil sie gespalten; sondern sie ist gespalten, weil sie schwach ist.