Französische Justiz-Farce gegen junge Nürnberger im dritten Akt
Auch die zweite Instanz hat die absurden Verurteilungen im Eilverfahren gegen drei junge Leute bestätigt, die statt zum G7-Gipfel unterwegs in den Urlaub waren
Immer wieder hatte Telepolis über das absurde Vorgehen Frankreichs im Umfeld des G7-Gipfels im französisch-baskischen Biarritz geschrieben. Besonders stach die Inhaftierung und Verurteilung wegen angeblich geplanter Gewalt noch vor Beginn des Gipfels heraus, mit der ganz offensichtlich ein Exempel statuiert werden sollte. Es wurde faktisch ein nicht erklärter Ausnahmezustand geschaffen, der mit angeblich geplanter Gewalt begründet wurde. Nur gab es diese Gewalt auch nicht auf einer Großdemonstration mit mehr als 15.000 Demonstranten.
Doch zu diesem Zeitpunkt, bevor der Gipfel überhaupt begonnen hatte, saßen die drei jungen Leute zwischen 18 und 23 Jahre längst schon verurteilt im Gefängnis, obwohl sie sogar im Eilverfahren von "Waffenbesitz" freigesprochen wurden. Die angeblichen Tränengasgranaten und Eispickel gab es aber nicht und so wurde ein gefährliches Präventivurteil allein auf Grund von linker Literatur und Aufklebern gefällt. In einem Rechtstaat sollten nur kriminelle Akte verurteilt werden und keine vermuteten Vorhaben.
Dass nach der zweiten Instanz nun am Donnerstag auch die dritte Instanz das Urteil von zwei und drei Monaten Haft (die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden) bestätigte, wirft ein ungutes Licht auch auf die französische Justiz.
Die hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, ließ die Wahlverteidiger im Eilverfahren nicht zu und auch keinerlei Kontakte zu den Eltern bis zum Berufungsverfahren - nicht einmal das übliche Telefongespräch. Die jungen Leute verschwanden einfach in einer Polizeikontrolle auf der Autobahn und niemand wusste über Tage, wo sie sind, was die Eltern zur Verzweiflung trieb. Erst ein - zweimal - illegal festgenommener und abgeschobener deutscher Journalist informierte Telepolis über die Anwesenheit anderer "Deutscher" im Gefängnis von Hendaye.
Rechtstaatlichkeit und eine Garantie von Grundrechten sieht anders aus. Es gibt zudem viele glaubhafte Hinweise, dass die drei jungen Leute nicht zum G7-Gipfel wollten, um ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit auszuüben, das Frankreich ebenfalls praktisch fast komplett ausgehebelt hat, sondern auf dem Weg in den Urlaub ins spanisch-baskische Lekeitio waren. Dort warteten Freunde, die die Eltern alarmierten, da sie nicht wie vereinbart eingetroffen waren. Dafür sprechen auch die Chat-Verläufe auf den Handys.
"Unzählige Verfahrensfehler"
Doch offensichtlich kommt die französische Justiz nicht mehr von dem Esel herunter, auf den sie sich im Sinne der Staatsräson gesetzt hat. Für die Anwälte handelt es sich um einen katastrophalen Präzedenzfall. Fatal ist, dass sogar das fünfjährige Aufenthaltsverbot bestätigt wurde. Der neue Richterspruch in Pau erfolgte, als zwei der jungen Männer praktisch die Strafe schon abgesessen haben. Wann sie freigelassen oder abgeschoben werden, ist derzeit noch unklar.
Alice Becker, eine der französischen Wahlverteidiger, nennt das Urteil unbegreiflich, da man sich "lediglich auf die Vermutung stütze, sie hätten einer gewalttätigen Gruppe angehört und schädliche Absichten gehabt". Für Becker hätten sie sich nachweislich auf dem Weg in den Camping-Urlaub befunden. Die Verteidiger erwägen weitere juristische Schritte wie auch der zweimal illegal abgeschobene Journalist Luc. Auch für den Nürnberger Solidaritätskreis für die "3 von der Autobahn" handelt es sich um einen Skandal. "Es ist ein politisches Urteil, das jetzt als politisches Urteil bestätigt wurde."
Entsetzt sind auch die Angehörigen. Eine Mutter konnte am Donnerstag ihren Sohn im Gefängnis von Bordeaux besuchen. Sie berichtet von einem "absolut heruntergekommenen Gefängnis" und einem "starken" Sohn, der "sehr dünn geworden und den Umständen entsprechend belastet" ist. Als das Ergebnis der Urteilsverkündung kam, waren Mutter und Sohn "schwer erschüttert und traurig, aber zugleich auch unglaublich wütend". Sie führt die "unzähligen Verfahrensfehler (z.B. verlorengegangene Beweismittel, keine Erlaubnis für Telefonate mit Familie, Verteidigerinnen, usw.…)" und spricht von einer "rein konstruierten Straftat".
Weiter ist nun fraglich, wie lange die jungen Leuten noch im Gefängnis "unter herabwürdigenden Bedingungen bleiben müssen (22 Stunden Einschluss zu dritt in einer Einzelzelle, einer auf einer Matratze auf dem Boden)". Für die Mutter ist das "Urteil ein weiteres Merkmal für einen autoritären Staat", denn es habe mit Rechtsprechung oder Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun, sondern "mit gezielter Repression gegen linke Politik".
Letztlich wurden die drei auf Basis von schwarzen Listen inhaftiert, die aus Deutschland geliefert worden waren, wie die Linke über eine Anfrage an die Bundesregierung bestätigt bekam. "Die drei stehen sowohl für den französischen wie auch für den deutschen Staat für Staatsfeinde und werden als solche behandelt und nicht als vermeintliche Straftäter", meint die Mutter. Auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko spricht von einem "skandalöses Urteil gegen die #3vonderAutobahn". Per Twitter verkündet er: "Das ist Gesinnungsjustiz. Die drei Jugendlichen werden benutzt, um ein Exempel gegen den internationalen Gipfelprotest zu statuieren. Linke Politik ist kein Verbrechen!"
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