G7: Frankreich schiebt erneut kritischen Journalisten ab
Obwohl der freie Mitarbeiter von Radio Dreyeckland einen Prozess gegen seine erste Abschiebung gewonnen hat, wurde er wieder festgenommen und gefesselt im Flugzeug nach Stuttgart verfrachtet
Der freie Mitarbeiter von Radio Dreyeckland (RDL) in Freiburg ist nun zum zweiten Mal in Frankreich festgenommen und am späten Donnerstag auf einer fragwürdigen rechtlichen Basis nach Deutschland abgeschoben worden, wie er nun gegenüber Telepolis bestätigt hat.
Mit der willkürlichen Maßnahme hat das französische Innenministerium unter Christophe Castaner nun doch verhindert, dass Luc (vollständiger Name der Redaktion bekannt) sich am Gegengipfel im französisch-baskischen Hendaye und im spanisch baskischen Irun beteiligen und über den G7-Gipfel berichten kann, der am Samstag im Seebad Biarritz beginnen wird.
Der Freiburger wurde erneut fast 24 Stunden inhaftiert, nachdem er bei seiner Anreise festgenommen worden war, erklärte er gegenüber Telepolis. Der Kontakt zu ihm war in dieser Zeit unterbrochen, weshalb seine erneute Inhaftierung befürchtet werden musste. Die Recherchen des Autors dieses Beitrags bei französischen Behörden hatten deshalb am Donnerstag ergeben, dass er am Mittwoch gegen 22 Uhr in St. Jean de Luz festgenommen worden war ("BKA und Verfassungsschutz agieren als Gesinnungspolizei").
Ein "rein administrativer Vorgang" ...
Nach Angaben der Behörden war aber nicht klar, ob er tatsächlich erneut nach Deutschland abgeschoben werden darf. Bei der französischen Polizei sprach man von einem "rein administrativen Vorgang", während französische Medien schon seine Abschiebung verkündet hatten.
Luc war extra nicht mit dem Zug durch Hendaye gefahren, wo es augenblicklich wegen des G7 ein großes Aufgebot an Polizei- und Sicherheitskräften gibt, um den vielen Kontrollen dort auszuweichen. Er wollte von St. Jean de Luz aus ins Protestcamp fahren, das zwischen den beiden baskischen Gemeinden liegt. Nachdem er gefesselt wie ein Krimineller per Flugzeug nach Stuttgart abgeschoben worden war, meldete er sich am späten Donnerstag wieder telefonisch.
Er sei erneut "mit den gleichen Begründungen und in Bezug auf die gleichen Artikel rausgeworfen" worden. Da seine Anwältin mindestens 48 Stunden für eine Eilentscheidung gegen das erneute illegale Vorgehen braucht, habe Castaner sein Ziel erreicht. "Ich kann nicht gegen den G7 demonstrieren", erklärte Luc.
Er will nun über die Vorgänge ein Gedächtnisprotokoll anfertigen und gegen das Vorgehen Frankreichs erneut juristische Schritte einleiten. Zu erinnern sei, dass Luc, der in Frankreich lebt und arbeitet, nach der Arbeit schon am 8. August in einer Kontrolle festgenommen und 9. August eilig nach Deutschland abgeschoben worden war (G7 wirft mit Schnellabschiebung von Frankreich nach Deutschland Schatten voraus).
... oder ein Willkürakt ohne ausreichende rechtliche Begründung?
Und das war illegal, wie an dieser Stelle berichtet wurde. Genau vor einer Woche hatte seine Anwältin Muriel Ruef das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Paris gewonnen, wo ihm auch eine Entschädigung von 1000 Euro zugesprochen worden war. In dem Verfahren wurde der Anwältin auch angekündigt, dass es einen neuen ministeriellen Beschluss gäbe. Der Inhalt wurde ihr aber nicht eröffnet.
Die Versuche von Luc, bei den französischen Behörden Aufklärung darüber zu erhalten, ob er irgendwelchen Beschränkungen unterworfen ist, blieben erfolglos. So hat man es offensichtlich mit einem reinen Willkürakt zu tun.
In Stuttgart angekommen zeigte sich Luc am späten Donnerstag guter Dinge. Er war aber müde. Wohl aus Schikane sei er in Stuttgart zudem noch ans andere Ende des Flughafens gefahren worden. "Ich musste eine halbe Stunde an der Autobahn entlanglaufen", berichtete er, womit sich die Rückreise nach Freiburg weiter verzögert habe. Der Aufenthalt im Gefängnis von Hendaye sei schlimm gewesen.
Im Gefängnis von Hendaye
In dem kleinen Gefängnis, das extra für Festnahmen beim G7 geräumt worden war, hätten sich auch andere Deutsche befunden, die in Kontrollen festgenommen wurden. Das war bisher nicht bekannt. Die Anwälte des Gegengipfels bemühen sich nun auch um sie. Mit Krach hätten die Wächter versucht, die Kommunikation durch Schreien über den Gang zu verhindern, weshalb Luc ihre Namen nicht kennt. Luc ist besorgt, denn die drei Deutschen im Gefängnis von Hendaye "sahen nicht gut aus". Sie hatten zum Teil blaue Augen und erweckten den Eindruck, als wären sie aus einer Schlägerei gekommen.
Wie diese Fälle gelagert sind, ist völlig unklar. Luc wurde allein auf Basis einer Verdächtigung festgenommen und abgeschoben; man warf ihm vor, er könne in Gewalttaten beim G20 in Hamburg verwickelt gewesen sein. Dazu kam, dass er einmal in der Nähe des geplanten französischen Endlagers von der französischen Polizei kontrolliert wurde, während er für RDL über den Widerstand dort berichtete.
Kritik an einer "Gesinnungspolizei"
Die Daten aus Deutschland kamen vom Bundeskriminalamt und vom Verfassungsschutz. Das wurde über eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko von der Bundesregierung gerade bestätigt. Nicht Straftäter werden auf schwarzen Listen geführt, sondern Personen, die bei politischen Ereignissen "mit internationaler Beteiligung polizeilich in Erscheinung getreten sind" oder "intensive Kontakte zu ausländischen Aktivisten und Gruppierungen unterhalten", zitiert Hunko aus der Antwort.
Der Bundestagsabgeordnete kritisiert eine "Gesinnungspolizei", über die auch das Demonstrationsrecht ausgehebelt wird. "Die deutsche 'Störerdatei' ist willkürlich und enthält beispielsweise Kontaktpersonen der Betroffenen oder gänzlich Unbeteiligte" und auch "Journalist/innen befinden sich darunter".