Frequenzneuverteilung dank "Ultraweitband"?

Eine neue Art der Funkübertragung wirft bisherige Prinzipien komplett über den Haufen

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Funkfrequenzen sind rar und teuer, wie Deutschland spätestens seit der UMTS-Versteigerung weiß. Eine neue Technik droht nun, die teuer ersteigerten Frequenzen ebenso wie alle sonstigen bisherigen Regeln zu Makulatur werden zu lassen

Der Funk begann, wie der Name schon sagt, mit Funken. Wie man vom Auto weiß, sind diese im Radio störend zu hören und die Zündung muss deshalb "entstört" werden, weil sie andernfalls breitbandig nicht nur den Rundfunk, sondern alle Funkdienste stört. Deshalb ist das Funken auf diese Art heute auch verboten, doch ursprünglich begann die Funktechnik genau so: Mit Funken, die Telegramme im Morsecode übertrugen.

Die Funken-Senderei war jedoch nicht nur ungeeignet zur erst später möglichen Sprach- und Musikübertragung, sie blockierte auch breitbandig ganze Frequenzbänder und es konnte deshalb immer nur ein Sender gleichzeitig senden. Erst mit der Röhrentechnik konnten mittels Rückkopplung schmalbandige Oszillatoren genau definierte Frequenzen erzeugen. Seitdem kann man durch Drehen am Abstimmknopf des Radioempfänger sich den gewünschten Sender heraussuchen. Das System steht und fällt allerdings mit der Einhaltung exakter Wellenpläne, die festlegen, wo wer senden darf: Rundfunk, Amateurfunk, Polizeifunk, Flugfunk und so weiter. Selbst Piratensender halten sich üblicherweise an diese Regeln, weil sie sonst nicht gehört werden und - beispielsweise beim Senden im Flugfunkbereich - großen Ärger auslösen können. Schnelle Drahtlos-Datenübertragungen sind so nur schwer möglich, da mit steigender Bandbreite der Datenübertragung auch die belegte Funkbandbreite steigt.

Radartechnik für das WLAN der Zukunft

Auch Radar startete einst mit solchen klassischen schmalbandigen Radiosendern, die Sinuswellen abstrahlten, doch erkannte man schnell, dass hohe Frequenzen und kurze, gepulste Ausstrahlungen sinnvoller waren, um ein scharfes Echo zu erhalten und auch kleine Details erkennen zu können. Am effektivsten war es sogar, einen extrem kurzen und sehr starken Impuls im Nanosekundenbereich zu senden, der trotz der Lichtgeschwindigkeit von knapp 300.000 Kilometern in der Sekunde gerade 30 Zentimeter lang ist. Im Frequenzbereich wird dieser Impuls sehr breitbandig. Im Idealfall - wenn der Impuls über ein großes Frequenzband verteilt ist - stört er dabei den normalen Funkempfang nicht mehr, ähnlich der auch bei WLANs verwendeten Spread-Spectrum-Technik.

Mit vielen solchen Impulsen könnte man erhebliche Datenraten breitbandig übertragen: Ein-Nanosekunden-Impulse können Bandbreiten von einem Gigahertz übertragen, 0,5-Nanosekunden-Impulse zwei Gigahertz und so weiter. Die Empfänger filtern dann nicht mehr nach Frequenzen, wie heutige Radios, sondern nach Impulsformen, also im Zeitbereich (time domain). Der Ingenieur Gerald Ross aus Massachusetts, bereits mit 15 Funkamateur und heute 73, hatte diese Technik 1964 für militärische Zwecke entwickelt.1978 platzte das Militärgeheimnis und die Technik wurde auch Zivilisten bekannt. Man nannte das Verfahren damals "Time Domain Electromagnetics", heute wird die Technik als "UWB" - Ultrawideband - bezeichnet.

"Radio Free Intel" - so nennt Intel direkt auf Chip-Ebene integrierte Funktechnik markenrechtlich und politisch fraglich nach dem US-Sender "Radio Free Europe", der im kalten Krieg den Ostblock informierte

Wie der New Scientist in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, streitet Ross heute noch um die Anerkennung seiner alternativen Funktechnik. Der Grund: So reibungslos versteht sich UWB doch nicht mit heutigen Funkanlagen - es kann bei hohen Leistungen ein alles zudeckender Störsender sein, ähnlich wie die Funkensender von einst. Mit der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) und auch der möglichen Auswirkung auf Tiere und Menschen (EMVU) könnten die extrem kurzen und dafür sehr starken Impulse auch so ihre Probleme haben. Geht es jedoch nur um Kurzstreckenfunk, hat UWB gute Chancen, heutige WLANs um Größenordungen zu überflügeln. Auch als Alternative zu Ultraschall-Untersuchungen oder als Bewegungsmelder sind UWB-Signale geeignet.

Die US-Fernmeldebehörde FCC (Federal Communications Commission) lehnte jedoch 1992 eine Genehmigung für UWB komplett ab. Erst 1998 gab die FCC auf Druck von UWB-Befürwortern wie IBM und Intel etwas nach - und schon liefen gut 900 Rechtsstreits, teils von Firmen, die ihre Investitionen in die gewöhnliche Funktechnik gefährdet sahen, teils von Leuten wie der GPS -Branche, die durch ein auch noch so schwaches breitbandiges Hintergrundrauschen von UWB ihre ebenfalls mit schwachen Spread-Spectrum-Signalen arbeitende Technik gefährdet sah. Auch Anti-Kollisions-Systeme und Instrumentenlandesysteme von Flugzeugen kollidierten mit der neuen Technik.

Reine UWB-Technik ist nur bedingt mit heutiger Funktechnik kompatibel

Im Februar 2002 schlug die FCC dann einen Kompromiss vor: UWB sollte auf einige breite Frequenzbänder im Bereich von 3,1 bis 10,6 Gigahertz reduziert werden mit Leistungseinschränkungen in Frequenzbereichen, in denen GPS oder andere Satellitendienste arbeiten. Ob andere empfindliche Dienste wie die Radioastronomie beeinträchtigt werden, muss abgewartet werden, Gerald Ross hatte sein ursprüngliches System zumindest auch am Logan International-Flughafen in Boston zur Verkehrskontrolle von Flughafenfahrzeugen ohne Störmeldungen seitens der vorher informierten Fluglotsen betreiben können.

Es gibt nun eine UWB-Lösung von Motorola, die allerdings noch den UWB-Chiphersteller Xtreme Spectrum zugekauft haben, sowie eine von einem Firmenkonsortium, dem unter anderem Intel, Texas Instruments und Staccato Communications angehören. Beide Verfahren kreuzen das ursprüngliche rein pulsorientierte Konzept von Ross mit traditioneller frequenzorientierter Funktechnik, um die vorgegebenen Frequenzgrenzen einhalten zu können. Verwendet werden unter anderem Direct Sequence und OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing), Modulationsverfahren, die von WLAN und DAB bekannt sind. Die beiden Systeme sind zueinander inkompatibel und beide Gruppen beschimpfen ihren Rivalen, überteuerte und Störungen erzeugende Produkte zu entwickeln. Die Verfechter des reinen ursprünglichen UWB-Verfahrens kritisieren wiederum beide Gruppen, die Technik unnötigerweise zu einem reinen WLAN-System verkrüppelt zu haben und die eigentlichen Vorteile des Time-Domain-Funkens verspielt zu haben. Hierzu gehören unter anderem Robert Aiello, der heutige Chef von Staccato, dessen ursprüngliche UWB-Firma beim Warten auf eine FCC-Zulassung pleite ging und Dewayne Hendricks, der selbst als technischer Berater bei der FCC ist. Um die ursprüngliche Radartechnik von Gerald Ross doch noch testen zu können, setzen sie auf andere Länder. Europa und Japan sind in Funkdingen zwar noch weit restriktiver als die USA, doch will immerhin Singapur UWB-Testzonen in Forschungszentren genehmigen. Auch denken die UWB-Verfechter an die US-Indianerreservate, die eigener Gesetzgebung unterliegen.

Der geplante WLAN-Funkstandard IEEE 802.15.3a wird vermutlich eins der beiden "gezähmten" Verfahren von Intel oder Motorola verwenden und WLANs mit 440 Mbit/s statt der heutigen Standards IEEE 802.11b (11 Mbit/s) und IEEE 802.11a/g/h (54 Mbit/s) möglich machen. Motorola sieht auch 1,3 Gbit/s auf einer Bluetooth-ähnlichen Distanz von maximal zwei Metern im Bereich des Möglichen. Neben einer drahtlosen schnellen USB- oder gar IEEE 1394-Verbindung, die den Kabelsalat rund um den PC überflüssig machen soll sowie dem WLAN für Haus oder Büro will auch die Unterhaltungselektronik-Branche auf die neue Technik einsteigen und favorisiert deshalb Protokolle, die nicht so sehr klassische IT-Anwendungen als die stabile Übertragung von Audio und Video unterstützen.

Beim Intel-Entwicklerforum am 28. Mai 2002 erstmals in Deutschland gezeigter Laboraufbau eines UWB-Transceivers von Intel

Gerald Ross selbst hat ein auf seinem UWB beruhendes Radarsystem namens QUPID entwickelt, das Luftwaffenstützpunkte und Kraftwerke gegen Terrorangriffe überwachen soll. Das US-Militär, das nicht auf FCC-Genehmigungen angewiesen ist, setzt das Verfahren bereits ein, lehnt andererseits aber seine allgemeine Freigabe ab. Er selbst hat sich zur Ruhe gesetzt und für seinen lokalen Golfclub ein solarbetriebenes UWB-Radar entwickelt, das Golfer vor dem Abschlag warnt, wenn andere noch am nächsten Abschlagspunkt stehen und vom Golfball getroffen werden könnten. Bislang hat die FCC den Golfplatz nicht geschlossen.