G20: Scharfe Verurteilung des Ukraine-Kriegs

Seite 2: "Dieser Krieg ist nicht zu akzeptieren"

Morgen geht der G-20-Gipfel in Bali zu Ende. In der gemeinsamen Abschlusserklärung soll "überraschend deutliche Kritik am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine" geäußert werden, wie mehrere Medien vorab berichten.

So meldet die dpa, dass es in dem Entwurf heiße: "Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste."

Der britischen Financial Times wurde das Papier zugespielt. Sie ergänzt, dass die "meisten Mitglieder (…) betonen, dass er (der Krieg, Einf. d. A. )unermessliches menschliches Leid verursacht und bestehende Schwachstellen in der Weltwirtschaft verschlimmert", dass er "das Wachstum einschränkt, die Inflation erhöht, die Versorgungsketten unterbricht, die Energie- und Nahrungsmittelunsicherheit verschärft und die Risiken für die finanzielle Stabilität erhöht".

Und:

"Es gab andere Ansichten und unterschiedliche Einschätzungen der Situation und der Sanktionen."

Es ist klar, wer damit gemeint ist. Aus Sicht der russischen Führung ging es um Schadensbegrenzung. Die westlichen Länder, so wird der russische Außenminister von der britischen Zeitung zitiert, hätten versucht, "das Kommuniqué zu ‚politisieren‘, indem sie eine ausdrückliche Verurteilung Moskaus aufgenommen hätten."

Das geschah nicht. Lawrow plädierte laut FT für eine "faire Art und Weise" für die Klarstellung, "dass wir bei diesem Thema Differenzen haben".

Demnach ist es wahrscheinlich, dass Lawrow morgen eine Erklärung unterzeichnen wird, die von westlicher Seite als diplomatischer Erfolg herausgestellt wird.

Bundeskanzler Scholz ist zufrieden. "Es zeichne sich ab, dass die G20 klarstellten, dass dieser Krieg nicht akzeptiert werden könne", zitiert ihn die Tageschau und:

"Wenn sich die G20-Staaten auf eine Warnung gegen den russischen Einsatz von Atombomben in der Ukraine einigen würden, wäre dies ein wichtiger ‚Haltepunkt‘ für Moskau."

Der Tenor der westlichen Medienberichte kontrastiert den schwachen Auftritt Russlands (ohne Präsident Putin) mit der starken Rolle Chinas. So kann man bei Le Monde nachlesen, wie freundlich, nett und versöhnlich es angeblich beim dreistündigen Treffen zwischen Joe Biden und Xi Jinping zuging.

Der Schluss, der damit nahegelegt wird, ist, dass das aktuelle Aufleben der Diplomatie mit China dafür gesorgt hat, dass eine schärfere G20-Abschlusserklärung möglich wurde. Dass Russlands Krieg in der Ukraine nicht unbedingt im Interesse der Handelsgroßmacht China liegt, war zwar schon vorher deutlich.

Aber es gab darüber hinaus noch andere Entwicklungen, wie etwa die Bestrebungen aus westlichen Ländern, zum Beispiel aus Deutschland, die Handelsbeziehungen mit China neu zu überdenken, die möglicherweise die Führung in Peking dazu veranlasst haben, einen neuen Weg der Annäherung zu versuchen.

In den USA gibt es dazu wie meist eine Falkenfraktion, die mit großem Druck und Härte in den Konkurrenzkampf agiert, und eine Fraktion, die versucht in einer multipolaren Welt andere Geopolitik zu betreiben. Vorstellbar wäre, dass die chinesische Führung versucht, die letztere Fraktion diplomatisch zu stärken.