Gaza Strip-Poker

Seite 4: Der palästinensische Präsident im Gefängnis?

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Was seinen Strategen allerdings noch viel mehr Sorgen bereitet als die Einheitsregierung, sind die Wahlen selbst. Denn mit ihnen könnte eine Alternative zur Abwicklung der Autonomiebehörde auf der Tagesordnung auftauchen, die Israel in einem ebenso schlechten Licht erscheinen ließe: Es gilt als wahrscheinlich, dass der in einem israelischen Gefängnis einsitzende Marwan Barghouti für das Präsidentenamt kandidieren wird.

Der einstige Kommandant der Fatah-nahen Tanzim-Miliz war 2004 wegen mehrfachen Mordes zu fünf Mal lebenslanger plus 40 Jahre Haft verurteilt worden; das Gericht urteilte damals, er habe die Taten "angeordnet und angeleitet".

Marwan Barghouti, im Januar 2001. Foto: BDalim; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Auch auf den Vorwurf, Barghouti sei ein kaltblütiger Mörder, ist das Team Abbas bereits vorbereitet: Mit Verweis auf den Luftangriff in Gaza Mitte der Woche wirft man die Frage auf, wo der Unterschied zwischen Barghouti und einem israelischen Politiker liege, der zur Durchsetzung einer politischen Forderung einen Luftangriff auf palästinensische Zivilisten fliegen lasse.

Sollte Barghouti tatsächlich antreten, würde er mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gewinnen. Und Israel hätte dann den palästinensischen Präsidenten im Gefängnis sitzen.

Die Verhandlungen sind nun zwar offiziell abgebrochen. Doch miteinander gesprochen wird weiterhin. Kleine Teams von Israelis und Palästinensern diskutieren nun darüber, was Israel anbieten muss, damit weder die Autonomiebehörde abgewickelt wird noch Barghouti kandidiert, "so lange er im Gefängnis" sitzt, wie ein Mitarbeiter Netanjahus sagt - und gleichzeitig einen Hinweis darauf liefert, dass man eine Freilassung erwägt. Den Zeitrahmen für diese Art von Verhandlungen haben die Palästinenser gesteckt: "Sechs Monate, dann wird gewählt, so oder so", heißt es im Büro von Abbas.