Gaza Strip-Poker

Seite 2: Der Welt beweisen, dass Verhandlungen sinnlos sind

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Man ist sich sehr bewusst, dass sich seit damals die Kräfteverhältnisse verschoben haben: Während Israels Regierung versuchte, durch eine Kommission unter der Leitung des ehemaligen Richters Edmond Levy, zu beweisen, dass die Palästinensischen Gebiete gar nicht besetzt, sondern völkerrechtlich umstritten sind, weil sie nie anerkanntermaßen zu einem Staat gehörten, was sie dann in dieser Logik zur Verfügungsmasse in Verhandlungen macht, sagten 138 der 193 UNO-Vollmitglieder, dass sie Palästina sehr wohl für einen Staat halten - und gaben den Palästinensern Instrumente mit ihrer Stimme Instrumente an die Hand, mit denen sie diesem Staat international Ausdruck verleihen könnten.

Was Abbas aber lange Zeit nicht wollte. "Wir warten ab," sagte er Anfang Februar 2013 in einem Hintergrundgespräch: "Wir werden denjenigen, die Verhandlungen fordern, beweisen, dass Verhandlungen sinnlos sind."

Was er damit meinte, zeigte er gut ein halbes Jahr später: Er tat das, was jene Regierungen, darunter Deutschland (Enthaltung) und die USA (Nein-Stimme) als Begründung für ihr Votum angeführt hatten, nämlich dass der Staat Palästina nur auf der Grundlage eines Verhandlungsergebnisses entstehen kann und setzte sich mit Israel an einen Tisch.

US-Außenminister John Kerry und der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas; Foto: State Department; gemeinfrei

Der Mann habe geschickt taktiert, sagen amerikanische Diplomaten heute: Er habe ausgenutzt, dass die USA nach ihrem Nein-Votum einen riesigen Aufwand betreiben würden, um zu beweisen, dass Verhandlungen Ergebnisse erzielen können, wenn man nur genug Druck macht (Geht es hier nach Palästina?).

In Washington war es der Koalitionsvertrag (Bibi III ist fast fertig), der nach den israelischen Parlamentswahlen Ende Januar 2013 die Hoffnung weckte, dass Verhandlungen dieses Mal mit einem Ergebnis enden könnten. Denn in der Vereinbarung war explizit eine Rückkehr an den Verhandlungstisch vorgesehen gewesen.

Damals war auch in den amerikanischen Medien die Ansicht weit verbreitet, dass ein mögliches Ergebnis auch eine parlamentarische Mehrheit erzielen würde; befeuert wurde dies durch die Zusage der Arbeiterpartei, in die Koalition einzutreten, um einem Friedensschluss die Mehrheit zu beschaffen, und die Kehrtwende der religiösen Schas, die ungefähr Anfang März 2013 plötzlich einen Friedensvertrag befürwortete.

John Kerry entnervt

Übersehen wurden dabei die innenpolitischen Thematiken: Der Streit über die Wehrpflicht für die damals noch vollständig von der allgemeinen Dienstpflicht befreiten Ultraorthodoxen, aber auch über die Einsparungen im Sozialsystem eskalierte derart, dass bereits mit Verhandlungsbeginn im Sommer keine andere Koalition als die aktuelle mehr möglich war.

Arbeiterpartei und Schas würden zwar trotzdem für einen Friedensvertrag stimmen. Doch die Innenpolitik der Koalition würden sie nicht mittragen. Und eine alternative Regierungsbildung, mit einem anderen Regierungschef, ist wegen des Stapels an zerschnittenen Tischtüchern nicht möglich. Neuwahlen wären also die Folge.

Verhandelt wurde trotzdem (Das Ziel: Der Weg): In Israel, um die Koalition zusammenzuhalten. Und auf der palästinensischen Seite, um der Welt zu zeigen, was passiert, wenn man verhandelt.

Am Ende war selbst US-Außenminister John Kerry so entnervt, dass er ziemlich deutlich Israels Regierung die Schuld am Scheitern der Gespräche zuwies: Die habe ständig neue Siedlungsbauten angekündigt, und die letzte Gruppe von Gefangenen nicht wie geplant frei gelassen.

Deutlicher werden Angehörige von Kerrys Stab: Man habe für so gut wie alle relevanten offenen Fragen eine Lösung vorgelegt, an denen aber meist Israel irgendetwas auszusetzen gehabt hätte.

Selbst den einzigen Leckerbissen, den die USA selbst anzubieten haben, lehnte Netanjahu ab: Nachdem das Scheitern der Gespräche wegen der israelischen Weigerung, die Langszeithäftlinge frei zu lassen, absehbar wurde, bot Washington an, den in den USA einsitzenden israelischen Spion Jonathan Pollard freizulassen, im Gegenzug für eine Freilassung von mehreren hundert alten, kranken, weiblichen oder minderjährigen palästinensischen Häftlingen und eine Übertragung von einem Teil der Gebiete unter gemeinsamer israelischer und palästinensischer Kontrolle an die Autonomiebehörde.