Gegenoffensive der Ukraine: "Es wird lang, es wird hart, es wird blutig"

Die seit Wochen laufende Gegenoffensive der Ukraine ist kaum vorangekommen. Nun gibt es ein neues Aufbäumen der Verteidiger. Warum die Lage kompliziert bleibt.

Die Ukraine hat Mühe, einigermaßen ausgebildete Soldaten zu rekrutieren. Artilleriegeschosse, Luftabwehrraketen, allgemein die Munition gehen schneller aus, als der Westen nachliefern kann. Und das wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Obwohl immer wieder gigantische Rüstungspakete – zuletzt weitere 700 Millionen Euro von Deutschland auf dem Nato-Gipfel –– für das Land geschnürt werden, damit es seine Ziele erreicht.

Als Grund für das langsame Vorrücken nannte Mark Milley, Generalstabschef im US-Verteidigungsministerium, vermintes Gebiet. Die ukrainischen Streitkräfte arbeiteten sich "langsam" und "bedächtig" durch die Minenfelder, die derzeit eine besonders große Gefahr darstellten. "Die Verluste, die die Ukrainer bei dieser Offensive erleiden, gehen nicht so sehr auf die Stärke der russischen Luftwaffe zurück, sondern auf Minenfelder", konstatiert er.

Hart und blutig

Dennoch werden offizielle Vertreter der USA nicht müde, Optimismus zu verbreiten, wie man es sonst nur noch vom ukrainischen Präsidenten und dem engsten Kreis um ihn herum hört.

Sie bescheinigen der Ukraine in regelmäßigen Bulletins Fortschritte bei ihrer Gegenoffensive gegen die russischen Angreifer. "Die Ukrainer rücken stetig und zielstrebig vor", behauptete Milley vor Wochenfrist nach einem Online-Treffen der internationalen Ukraine-Kontaktgruppe zur Koordinierung der Militärhilfe.

Um auf entsprechende kritische Fragen nachzulegen: "Das ist alles andere als ein Misserfolg". Es sei viel zu früh, um zu solch einem Schluss zu kommen. Er meint: "Es gibt noch viel zu kämpfen, und ich bleibe bei dem, was wir zuvor gesagt haben: Es wird lang, es wird hart, es wird blutig."

Wenn man genau hinhört, sind das allerdings andere Töne, als in den Monaten zuvor insbesondere vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kamen.

Von einer dynamischen Offensive war da die Rede, die gut vorbereitet und unter Einsatz der modernen westlichen Waffen den Feind aus den besetzten Gebieten schieben würde – einschließlich der Krim. Dort landen bis jetzt keine ukrainische Marine-Infanterie, sondern sporadisch ein paar Raketengeschosse, sie schlagen auch an der verhassten Brücke zum russischen Festland ein.

Einzelne Einschläge mit weit mehr Symbolwirkung als tatsächlichem militärischen Nutzen. Es sind fast schon verzweifelte Versuche, ein Bild zu malen, das die eigenen Truppen auf der Siegerstraße wähnt. Von westlichen Medien dankbar aufgenommen und zu Husarenstücken aufbereitet.

Für eine Öffentlichkeit, die allerdings so indifferent und heterogen ist, dass man nicht mit Sicherheit sagen könnte, wie das wirklich ankommt. Oder wer glaubt daran, dass ein einziger Drohnenknall in Moskau, den als Angriff zu bezeichnen einem Aberwitz gleichkäme, Menschen in der EU oder den USA von der Stärke der Ukraine überzeugt?

Müsste man sie nicht vielmehr als Manöver sehen, die vom tatsächlichen Kriegsgeschehen an der Donbass-Front ablenken sollen?

Von der Offensive ins Patt

Laut Münchner Merkur haben die ukrainischen Streitkräfte seit Start der Gegenoffensive etwa 253 Quadratkilometer Territorium zurückerobert, "was fast der gleichen Fläche entspricht, die in den letzten sechs Monaten die russischen Streitkräfte eingenommen hatten".

Kiew hatte allerdings bereits zugegeben, "dass der Vorstoß langsamer voranschreitet, als erwartet war". Rund um Bachmut gebe es marginale Gewinne für Kiew, doch in Ost-Donezk und Südost-Saporischschja gebe es nur langsamen Fortschritt. In Novoseliwske seien dagegen sogar russische Fortschritte zu verzeichnen.

Die militärische Entwicklung im Ukraine-Krieg (19 Bilder)

Frontverlauf am 26. Februar 2022

Eine angesichts der geschürten Erwartungen mehr als ernüchternde Bilanz, handelt es sich doch um Gebietsgewinne von etwa der Größe der Stadt Duisburg. Mittlerweile melden sich – wenn auch zaghaft – erste Stimmen auf westlicher Seite, die infrage stellen, ob der hohe Blutzoll für diese "Gewinne" wirklich sein muss.

Was für die US-amerikanische Militärführung ja von vornherein klar schien: "hart" und "blutig" werde es sein.

Vielleicht wäre es erhellend, wenn man plastischer vor Augen führt, was das im realen Kampfgeschehen für die Soldaten bedeutet, und zwar für die ukrainischen, deren Los in westlichen Medien nahezu unter dem Tisch gehalten wird.

Was dagegen die russische Seite betrifft, werden die Verluste ins Fabulöse überhöht, wobei sich besonders die Bild hervortut, die in ihrer Frontberichterstattung – vorneweg Paul Ronzheimer, der sich im Profil nur noch mit Stahlhelm zeigt –, mit Verve und Begeisterung von ukrainischen Heldentaten und Niederlagen der als latent blöd, naiv und schlecht ausgebildet dargestellten Russen "informiert".

In Unzahl geklickt werden auch Videoclips auf YouTube von Sun und Welt, in denen immer wieder russische Einheiten oder Kampffahrzeuge in Hinterhalte geraten, von Drohnen überrascht oder wagemutigen Einzelkämpfern erledigt werden. Unverhohlen die Häme über die dabei zu Tode kommenden Soldaten. Sind ja nur Russen.

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