Geheimdienstspiele: Die unglaubliche Geschichte der 33 russischen Söldner in Belarus
Hinter der Aktion sollen ukrainische Geheimdienste stecken, das Umfeld des ukrainischen Präsidenten ist verwickelt, angeblich ist auch eine weitere Verschleppungsaktion des SBU in Russland gescheitert - ein wildes Gestrüpp der Beziehungen zwischen Russland, Belarus und der Ukraine als Vertreter des Westens
Es ist eine verrückte Geschichte, die durch die Wahl in Belarus am 9. August, die Lukaschenko mit unwahrscheinlichen 80 Prozent gewonnen haben will, das brutale Vorgehen gegen die Opposition, die Zunahme der Proteste und den aufflammenden West-Ost-Konflikt untergegangen ist. Sie zeigt aber, mit welchen Karten gespielt wird und dass die Verhältnisse alles andere als einfach sind. Am 29. Juli wurden vor der Präsidentenwahl in Belarus 33 Söldner der privaten russischen "Sicherheitsdienstes" Wagner in Minsk festgenommen. Nach Gerüchten könnte die Gruppe auch größer gewesen und einige entkommen sein. Sie waren mit ihren Uniformen bekleidet am 24. Juli aus Moskau eingeflogen und hatten sich bis 27. in einem Hotel aufgehalten, um schließlich in ein Sanatorium im Umland umziehen. Dort hätten sie die Umgebung abgesucht und sich überhaupt ungewöhnlich verhalten, weil sie keinen Alkohol tranken und sich nicht vergnügten.
Die Nachrichtenagentur Belta berichtete, dass Sicherheitsdienste Informationen hätten, dass 200 Bewaffnete ins Land kommen sollen, um die Situation vor der Wahl zu destabilisieren. Die staatliche Nachrichtenagentur Belta veröffentlichte die Namen der Festgenommenen, schnell stellte sich heraus, dass die Hälfte in der Ostukraine auf der Seite der Volksrepubliken gekämpft hat. Die ukrainische Regierung forderte umgehend deren Auslieferung. Die Generalstaatsanwaltschaft bezeichnete am 31. Juli 28 Personen, darunter 9 ukrainische Staatsbürger, als Verdächtige für die Beteiligung an einer Terrororganisation und der illegalen Teilnahme am Krieg in der Ostukraine.
Russland soll "Maidan-Revolution" beabsichtigt haben
Präsident Alexander Lukaschenko, der zu der Zeit bereits um seinen Wahlsieg angesichts anwachsender Proteste fürchten musste, dürfte die Gelegenheit einer angeblich von Russland geplanten Einmischung genutzt haben, um nationalistische Gefühle in der Bevölkerung zu wecken und die Opposition anzuschwärzen. Schon zuvor hatte er vor dem Versuch Russlands gewarnt, in Belarus eine "Maidan-Revolution" zu organisieren. Verdächtigt wurde vornehmlich der ehemalige Banker Wiktor Babariko, der sich als Präsidentschaftskandidat hatte aufstellen lassen. Er hatte zuvor die Belgazprombank geleitet, die Gazprom gehört (Wladimir Putin - der neue George Soros?). Babariko wurde inhaftiert und konnte zu Wahl nicht mehr antreten.
Nach der Festnahme der Söldner, die keineswegs verdeckt, sondern ganz offen und mit Militärkleidung ins Land gekommen waren, forderte Lukaschenko von Moskau eine Erklärung und ließ den Botschafter einbestellen. Angeblich hätten einige der Festgenommenen gestanden, dass sie eine "Revolution" im Land auslösen sollten. Die Söldner wurden von der Regierung schnell in Zusammenhang mit Oppositionspolitikern wie Syarhey Tsikhanouski und anderen Oppositionellen gebracht, die schon zuvor unter dem Vorwand verhaftet wurden, dass sie Angriffe auf Sicherheitskräfte und "Massenunruhen" geplant hätten. Gedroht wurde damit, weitere Personen festzunehmen, die in den angeblichen Plan verwickelt gewesen seien.
Bald zirkulierte die von der Zeitung Komsomolskaja Prawda verbreitete Behauptung, dass es sich um eine Inszenierung der ukrainischen Geheimdienste gehandelt haben soll. Ehemaligen Wagner-Söldnern sei von scheinbaren Rosneft-Mitarbeitern vorgetäuscht worden, dass Männer gesucht werden, die Ölobjekte von Rosneft im Ausland, in Venezuela, beschützen sollen. Insgesamt sollten es 180 Männer sein, die in Gruppen eingeteilt wurden. Die erste Gruppe war dann am 24. Juli nach Minsk gereist. Hier sollen viele Männer dabei gewesen sein, die in der Ostukraine gekämpft und vor der russischen die ukrainische Staatsbürgerschaft besessen hatten.
Der ukrainische Geheimdienst als Strippenzieher
Russland wies die Anschuldigen zurück, beschwerte sich über die Festnahme der Söldner, die auf der Durchreise nach Istanbul seien und nur ihren Flug verpasst hätten. Ob sie Wagner-Söldner waren, blieb aber offen. Sie könnten auf dem Weg in ein Drittland, nach Syrien, Libyen oder Afrika sein. Gefordert wurde jedenfalls die sofortige Freilassung (CIA-Methoden im Kreml?). Lukaschenko bezichtigte Moskau der Lüge. Die Söldner seien nach Belarus zu einem Zweck geschickt worden, nach Syrien, Libyen oder Afrika wären sie direkt geflogen und hätten nicht den Weg über Belarus genommen. Anfang August sagte er, eine weitere Gruppe sei ins Land eingedrungen. Die Beschuldigung gegen Russland nahm er kurz darauf teilweise zurück. Es werde ein "hybrider Krieg" gegen Belarus geführt. Am 14. August übergab Belarus die Festgenommen Russland. Zuvor hatte Putin angeblich nach Lukaschenko einen 5-seitigen Brief mit Informationen über die Söldner geschickt.
Zurückgekehrt nach Russland berichteten einige der angeworbenen Söldner im Sender Rossija 24, dass sie angeworben worden seien, um in verschiedenen Ländern Ölobjekte zu sichern. Gesucht worden seien 180 Männer, die vorzugsweise in der Ostukraine oder in Syrien Kampferfahrung haben sollten. Zunächst sollte es nach Syrien oder Libyen gehen, dann kam Venezuela ins Spiel. Einen Tag vor Abflug habe es dann geheißen, man habe die Anschlussflüge Minsk-Istanbul-Havanna-Caracas nicht so erhalten, dass der Aufenthalt in Instanbul möglichst kurz ist, neue Tickets würden für den 30. Juli besorgt, zwischenzeitlich sollten sie in dem Sanatorium übernachten, in dem sie dann in der Nacht festgenommen wurden. Im Gefängnis seien sie hart behandelt worden, vorgeworfen wurde ihnen, "massenhafte Ausschreitungen und bewaffneten Widerstand gegen die Strafverfolgungsbehörden Weißrusslands vorzubereiten". Von der Präsidentschaftswahl hätten sie nicht gewusst, sie hätten mit solchen Überraschungen in Belarus, das mit Russland befreundet ist, nicht gerechnet.
Die Ukraine äußerte wegen der Rücksendung der Festgenommenen nach Russland heftige Kritik an der Regierung von Belarus. Die sah sich wegen der Wahl, den Massenprotesten und dem Druck aus dem Westen, dem sich Lukaschenko doch zugewandt und gegen Russland mit der Ukraine die Finte inszeniert hatte, gezwungen, nun doch wieder enger mit Moskau zusammenzuarbeiten, um nicht hinweggefegt zu werden. Moskau und Minsk waren in den letzten Jahren nicht mehr sonderlich befreundet, aber zum Machterhalt ist für Lukaschenko Moskau der letzte Strohhalm, da für Russland Belarus geopolitisch und militärisch an der Westflanke zur Nato äußerst wichtig ist. Also versprach Putin Beistand, notfalls auch mit der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (CSTO) winkend. Allerdings bleiben Kreml, russische Politiker und Medien ambivalent gegenüber Lukaschenkos Versuch, sich an der Macht durch Wahlmanipulation zu halten, wie auch Kreml-kritische Medien berichten.
Gut möglich, dass die Geheimdienste der Ukraine und von Belarus den Plott ausgemacht hatten, damit die Ukraine gegen ehemalige Kämpfer der "Volksrepubliken" vorgehen kann. Das dient zur Abschreckung und zu Gefangenen für einen Gefangenaustausch mit Russland, möglicherweise sollen auch Aussagen für den MH-17-Prozess gewonnen werden, allerdings dürfte damit auch eine Lösung des Konflikts erschwert werden. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba beklagte, dass die Freilassung das Vertrauen zwischen der Ukraine und Belarus untergraben und den bilateralen Beziehungen einen schweren Schlag zugefügt haben. Lukaschenko habe grundlos die Ukraine wegen unfreundlicher Schritte bezichtigt, während die Sicherheit der Menschen und der Region durch "offizielle Berichte des aktiven Eingreifens Russland und der CSTO" gefährdet sei.
Geheimdienstaktion verhindert durch den ukrainischen Präsidenten?
Wie wahrscheinlich zuerst Yuriy Butusov von Censor.net und die Ukrainska Pravda in Umlauf brachte, soll der Geheimdienstcoup gescheitert sein, weil Informationen von ganz oben weitergegeben worden seien. Die Planungen seien schon vor mehr als einem Jahr angelaufen, um ehemalige Kämpfer in der Ostukraine aus Russland wegzulocken und festzunehmen. Das ist offenbar eine der Strategien des ukrainischen Geheimdienstes SBU, der dies bereits letztes Jahr mit Zemak, einem ehemaligen Mitglied der Luftabwehr der "Volksrepublik Donezk", vorgeführt hatte. Er wurde nach Minsk verschleppt und sollte im MH17-Prozess aussagen. Der ukrainische Präsident Selenskyj spielte aber trotz des Drängens der Niederlande nicht mit und ließ ihn bei einem Gefangenenaustausch wieder frei.
Jetzt war geplant, die Söldner, die nicht unbedingt bei Wagner gewesen sein sollen, von Minsk aus am 25. Juli einen Flug nach Istanbul besteigen zu lassen. Ein Passagier, gespielt von einem SBU-Mitarbeiter, sollte so erkranken, dass eine Notlandung in Kiew notwendig würde, wo die ukrainischen und russischen Männer dann verhaftet werden sollten. Angeblich wurde Zelenskyj erst am 24. Juli über die Details u.a. im Beisein seines Stabschefs Andriy Yermak informiert. Der forderte, die Verhaftung zu verschieben, um den Waffenstillstand nicht zu gefährden. Daher wurde der 30. Juli festgelegt. Am 29. wurde die Gruppe festgenommen.
Vasyl Burba, der Chef des Militärgeheimdienstes, soll am 3. August Zelenskyj gesagt haben, jemand aus den eigenen Reihen habe Hochverrat begangen. Er forderte, dass sich alle, die bei der Sitzung anwesend waren, einem Lügentest unterziehen sollten. Offenbar gefiel dem ukrainischen Präsidenten, der mit seinem Geheimdiensten hadert, der Vorschlag nicht und entließ Burba umgehend. Butusov spricht von Hochverrat und zeigt auch auf den Präsidenten. Burba verbreitet, es gebe zu viel Desinformation über den Fall. Damit solle die das Ansehen der ukrainischen Geheimdienste untergraben werden. Aber er nahm Zelenskyi in Schutz. Es seien "absolut absurde Spekulationen", dass der Präsident den Wagner-Mitgliedern irgendeine Unterstützung gewährt haben könnte.
In der Komsomolskaya Pravda wird nicht nur vermutet, dass die Geheimdienste die Gruppe als Pfand für einen kommenden Gefangenaustausch festnehmen wollte, das eigentlich Ziele hätte darin bestanden, einen Keil zwischen Russland und Belarus zu schlagen.
Wollte der SBU einen ukrainischen Separatisten verschleppen?
Die Aktion ist keineswegs aufgeklärt und verworren auf allen Seiten. Russische Medien berichten jetzt, der russische Geheimdienst FSB habe die Verschleppung eines ehemaligen Führers der separatistischen Milizen in der Ostukraine durch den ukrainischen Geheimdienst SBU verhindert. Verraten wird allerdings nicht, auf wen es die die angeblichen Täter abgesehen hatten. Beschuldigt werden die Ukrainer Andrey Baidala und Igor Mishchenko, die auch in den Anschlag 2018 auf Alexander Zakharchenko, den ehemaligen Führer der "Volksrepublik Donezk", verwickelt sein sollen. Festgenommen wurden auch mehrere Russen aus kriminellem Milieu. Sie sollten in zwei Gruppen den Mann festnehmen. Ihnen sei für die Aktion 200.000 US-Dollar angeboten worden, 50.000 in Vorauszahlung. Am 30. Juli hätten sie das Opfer in ein Auto gebracht und es mit einem Elektroschocker behandelt, er habe aber entkommen können. Es seien weitere Verschleppungen und Morde geplant gewesen. Wenn dies zutreffen sollte, wäre es eine weitere Schlappe für den ukrainischen Geheimdienst.
Und dann wurde auch noch der bekannte russische Oppositionelle Alexej Nawalny womöglich Opfer eines Giftanschlags. Das sagt seine Sprecherin, und das ruft natürlich Erinnerungen an den Skripal-Anschlag wach. Nawalny war auf der Rückreise von Sibirien im Flugzeug bewusstlos geworden und wurde in ein Krankenhaus in Omsk eingeliefert, wo er sich im Koma befindet. Angeblich soll er nun in der Berliner Charité behandelt werden. Auf Nawalny waren bereits mehrere Anschläge verübt worden.