Gipfelbelagerung

Die Protestaktionen gegen den G8-Gipfel werden von den Veranstaltern als Erfolg gefeiert, doch in Lausanne und Genf kam es zu Ereignissen, die an Genua erinnern

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So schnell wurde eine Demoparole noch selten Realität. Hatten am Sonntagmittag noch Zigtausende "No Border - No Nation" skandiert, konnten sie kurz danach unbehelligt die französisch-schweizerische Grenze zwischen Annemasse und Genf überqueren. Die sonst ständig besetzten Grenzhäuschen waren für einige Stunden verwaist. Mit großem Jubel wurde der ungewöhnliche Grenzübertritt auf beiden Seiten gefeiert. Von der Genfer Innenstadt hatte sich ebenfalls ein großer Demonstrationsaufzug Richtung Grenze aufgemacht. Die Aktion war einer der Höhepunkte des Protestes gegen den G8-Gipfel im französischen Evian (Die Antiglobalisierungsbewegung meldet sich zurück).

Die Teilnehmerangaben schwanken zwischen 20.000 aus dem Polizeibericht und 200.000 nach Angaben der Protestorganisatoren. Die ausgelassene Stimmung auf der Demonstration wurde durch hochsommerliches Wetter und das fast völlige Fehlen der Polizei begünstigt. Doch diese Happening-Athmosphäre galt nicht für alle Protestorte.

Vor der Usine in Genf am Sonntagabend um 22 Uhr. Bild: Indymedia

Bei einer am Sonntagmorgen begonnenen Autobahnblockade in der Nähe von Evian setzte die Polizei Tränengas und Leuchtspurmunition ein. Trotzdem blieben die Zufahrtsstraßen zur Konferenz mehrere Stunden gesperrt. Einige Konferenzdolmetscher blieben im Stau stecken, was zu Verzögerungen bei der Konferenz führte.

In Genf kam es im Anschluss an die Demonstrationen zu Ausschreitungen. Mehrere Hundert Demonstranten wurden stundenlang eingekesselt. Am Sonntagabend sind Polizisten - wie schon in Genua - in das Kulturzentrum Usine in Genf eingedrungen. Dort befindet sich das Pressezentrum von Indymedia. Mehrere Personen wurden festgenommen. Eine angeblicher Augenzeuge berichtet.

In Lausanne, das näher am Konferenzort liegt, war von einer polizeilichen Deeskalationsstrategie nichts zu spüren. Aus Polizeihubschraubern wurde mehrmals Tränengas auf das Camp der Gipfelgegner geschossen. Angemeldete Demonstrationen wurden verboten. Dort waren auch 100 Polizisten aus Deutschland im Einsatz.

In Lausanne erlitt der Direct-Action-Aktivist Shaw schwere Verletzungen, als er sich für eine Verkehrsblockade von einer Brücke abseilen. Als das Seil riss, fiel er ca. 20 Meter in die Tiefe. Zunächst sprach die Polizei von einem Unglücksfall. Augenzeugen berichteten hingegen, dass ein Polizist das Seil abgeschnitten habe. Diese Version wurde mittlerweile von der Justiz bestätigt. Die Ermittlungen laufen noch.

Obwohl der Gipfel erst am 3. Juni endet, haben die Proteste am Sonntag ihren Höhepunkt erreicht. Ein Großteil der teilweise von weit angereisten Demonstranten hatte die Protestzone am Abend wieder verlassen. Die Camps leeren sich. Am Montagmittag werden auch die ca. 800 mit einem Sonderzug angereisten deutschen Demonstranten die Heimreise antreten.

Die Protestorganisatoren bezeichneten die Mobilisierung als großen Erfolg. Die Zahl der Teilnehmer habe die Erwartungen übertroffen. Außerdem haben sich in Deutschland aktiver als früher Gewerkschaften in die Proteste eingeklinkt. So versorgte ein Wagen der IG-Metall die Autobahn-Blockierer mit Wasser. Ob sich dadurch die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Globalisierungskritikern auch zwischen den Gipfeln vor Ort verbessert, muss sich noch zeigen.

Die Veranstalter protestieren gegen die vom G8-Gipfel fortgeführten neoliberalen und militärischen Globalisierung und kritisieren, dass die teilnehmenden Regierungschefs sich wie eine Weltregierung verhalten, ohne dazu legitimiert zu sein (Die Antiglobalisierungsbewegung meldet sich zurück).