Gläsern, aber dafür schneller und teurer

Die US-Regierung setzt auf privatwirtschaftlich ausgeführte Sicherheit und verspricht an den Grenzen schnelle Abfertigung, wenn die Reisenden freiwillig den Zugang zu möglichst vielen Datenbanken gestatten

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Die US-Regierung will bei der Sicherung der Grenzen auch im Sinne der Wirtschaftsförderung neue Technologien einsetzen, die dann möglichst auch im Dienste des Staates privatwirtschaftlich eingesetzt werden. Die neueste Idee des Heimatschutzministeriums ist eine Einteilung von Einreisenden in die USA gemäß schneller und langsamerer Überprüfungsprozeduren. Wer schon vorweg möglichst viele Karten offen legt, darf dann als ungefährlicher, nicht als Terrorist verdächtigter "registrierter Reisender" im Schnellverfahren durch die Kontrollen.

Die dem Heimatschutzministerium eingegliederte Transportation Security Administration (TSA) bringt mit dem neuen Programm eine schon mit dem vom Kongress abgelehnten CAPPS-II-Programm (Computer Assisted Passenger Pre-Screening System) Idee wieder ein – was "vorauszusehen. Der Kongress hatte Einspruch dagegen erhoben, dass der Staat – also "Big Brother" – zur Kontrolle der Passagiere neben den Daten aus den Buchungssystemen und staatlichen Datenbanken auch solche aus weiteren kommerziellen Datenbanken einsetzen darf, also beispielsweise Zahlungen und Einkäufe mit Kreditkarten, Erwerb und Verkauf von Immobilien, Kaufprofile etc. Nun also sollen die US-Bürger, die keine aufwändigen Kontrollen über sich ergehen lassen wollen, ganz freiwillig ihr Einverständnis geben – und die Daten sollen von privaten Firmen – also den "Little Brothers" – erhoben und geprüft werden.

US-Außenministerin Rice und Heimatschutzminister Chertoff am 17.1.2006 bei der Präsentation des Programms "Secure Borders and Open Doors in the Information Age". Bild: DHS

Der Abgleich von Daten aus kommerziellen Datenbanken mit denen aus staatlichen Datenbanken – mitsamt den biometrischen Daten - könne hilfreich sein, auf die Spur von Terroristen zu gelangen, meint TSA-Chef Kip Hawley. Vermutlich werden sich diese aber nur als "registrierte Reisende" anmelden, wenn ihre Datengeschichte einigermaßen gesichert gefälscht oder unauffällig ist. Wer sich freiwillig transparent macht, erhält dafür das Privileg, in besonderen Warteschlangen abgefertigt zu werden, wo er beispielsweise nicht die Schuhe oder die Jacke ausziehen muss. Das ist die Einlösung der "Rice-Chertoff-Vision", wie es bei der TSA heißt. Die auch wohl klingende Vision::http://www.dhs.gov/dhspublic/interapp/press_release/press_release_0838.xml - Secure Borders and Open Doors in the Information Age besteht eben darin, neue Lösungen zu entwickeln, "mit denen der beste Einsatz neuer Technologien und effizientere Verfahren sicher gestellt werden, um die Sicherheit zu verstärken und die Reisen über die US-Grenzen zu erleichtern."

Der Bürger ist Kunde. Sicherheit kostet, zumal wenn sie nach dem privatwirtschaftlichen – oder staatswirtschaftlichen? - Modell angeboten wird, also wenn, wie es heißt, "Technologien und Geschäftsprozesse mit vom Staat finanzierten Reiseerleichterungsprogrammen harmonisiert werden". Also muss der Reisende, der es gerne schneller hat, auch dafür bezahlen, so dass es hier nicht nur Klassenunterschiede im Hinblick darauf gibt, wieweit man sich Staat und Unternehmen öffnet, sondern auch, ob man bereit dafür ist oder es sich leisten kann, für den Luxus der gläsernen Beschleunigung die entsprechende Gebühr zu bezahlen. Allerdings werden auch die registrierten Reisenden mit Zufallskontrollen überprüft, die Vorteile, die man ihnen je nach Offenlegung gewährt, können sich verändern, um etwaige registrierte Schläfer zu erwischen.

Zunächst einmal muss jeder, der sich für das Programm bewirbt, 10 Fingerabdrücke hinterlegen. Das sei ziemlich sicher. Mehr Finger gibt es ja auch nicht. Die werden in den von den Firmen ausgegebenen Ausweisen für die registrierten Reisenden digital abgespeichert. Die Ausweise sollen dann bei allen Überprüfungsprozeduren, die von anderen Firmen durchgeführt werden, gültig sein. Überdies werden sie mit den "watch lists" abgeglichen und natürlich auch daraufhin geprüft, ob irgendetwas strafrechtlich gegen sie vorliegt. TSA-Sprecherin Amy von Walter sagte, dass die Firmen, die die Daten erheben, speichern und abgleichen, auch entscheiden, wer verdächtig ist. Die Überprüfungsprozeduren werden allerdings von der TSA zuerst geprüft und genehmigt, um sicherzustellen, dass eine Person "mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Terrorist" ist.

Wie das alles genauer aussehen soll, scheint noch völlig offen zu sein. So hat eine Firma an einem Flughafen zum Test einen Fragebogen eingesetzt. Der scheint aber wenig verlässlich gewesen zu sein, weil die Befragten beispielsweise oft nicht wussten, wann sie ihre Sozialversicherungsnummer erhalten haben. Andererseits waren die Fragen wieder so leicht, dass jeder sie beantworten konnte. Aber jetzt soll es schnell gehen. Bewerber sollen bis Ende des Monats melden. Ab Juni könne sich dann schon die Bürger melden, um Offenbarung gegen relative Zeitersparnis zu tauschen.

Beim Schreiben fällt auch einmal wieder auf, dass man im Heimatschutzministerium – vermutlich auch zur Selbstverteidigung – unerbittlich in der Mitte beim irgendwie festgestellten Sicherheitsrisiko bleibt. Der "Code Yellow" für erhöhtes Sicherheitsrisiko ist ausgewogen. Schließlich könnte es doch sehr – selbst wenn nach dem 11.9.2001 nichts mehr passiert ist - viel riskanter sein. Allerdings kann es wohl für eine "Nation im Krieg" mit einem Präsidenten, der als oberster Befehlshaber Notstandsgesetze in Anspruch nimmt (Die unbeschränkte Macht des US-Präsidenten), nicht ganz nach unten auf den "Green Code" gehen. Der aber bedeutet nicht, dass kein voraussehbares oder minimales Risiko herrscht. Das ist gar nicht vorgesehen. Es gibt nur ein geringes Risiko für Terrorangriffe. Vorgezogen aber wird die Mitte, die nach dieser Skala eben schon "elevated" ist.

Und die Abhöraktion, die die Bush-Regierung unter Umgehung des Kongresses und der Gerichte ausgeführt hat (Der Abhörskandal weitet sich aus), heißt nun Terrorist Surveillance Program, wie Bush das gerne haben will. Das soll die Aktion rechtfertigen, macht aber gleichzeitig jeden abgehörten US-Bürger zum Terrorverdächtigen. Das gehorcht der Logik der TSA-Prozedur. Relativ unverdächtig ist man erst nach Offenlegung und Kontrolle. Davor ist jeder verdächtig.